“Welt” beklagt (ihre eigenen) #Medien-Opfer – #Exsl95 und #Tanzverbot

Für medienkritische Äußerungen sind mir Beispiele wie die YouTuber Tanzverbot (Kilian Heinrich) und Exsl95 (Tobias Eckmeier) eigentlich zu leichte Beute. Dass sie therapeutische Hilfe bräuchten, machen sie selbst laufend zum Thema. Beide essen seit Jahren viel zu viel und zu schlecht. Exsl95 war dazu dem Alkohol nicht abgeneigt und offenbarte mit Anfang 20 eine Lebererkrankung. Bei beiden ist mittlerweile ein körperlicher Zustand mit zeitweise tagelangem Dauer-Durchfall eingetreten, von dem sie in Videos berichten. (Soweit ich sehe, ist ein derartiges Bekenntnis Eckmeiers nicht mehr auf seinem Kanal zu finden, das letzte Video liegt von heute aus drei Wochen zurück.)

In der heutigen “Welt” beklagt unter der Überschrift “Oberkörperfrei, Fast Food im Test, fast 500.000 Abonnenten” ausgerechnet Redakteur Dennis Sand den Fall Exsl95. Dazu muss man wissen, dass Sand der Co-Autor der zum Bestseller gewordenen Memoiren des YouTubers Montana Black (Marcel Eris) ist. Untertitel: “Vom Junkie zum YouTuber”.

Montana Black hat durch konfuse Labereien zu vielstündigen Computerspiel-Übertragungen 2,1 Mio. Abonnenten auf YouTube gewonnen. Der Unterschied zu Exsl95 und Tanzverbot ist, dass diese Spiele bei ihm im Vordergrund stehen und er in Videos weniger persönlich von sich preisgibt. Er ist jedoch ein Multiplikator für andere YouTuber, sobald er sie in Videos erwähnt und mit Clips zitiert. So hat er zur Abonnenten-Zahl der beiden Jüngeren beigetragen.

Sein Co-Autor Sand, der ihm also zu einem Eintrag in der Deutschen Nationalbibliothek und in Bestseller-Listen verholfen hat, beklagt nun in der “Welt”:

Und dieser Asi-Content steht gerade extrem hoch im Kurs. YouTuber wie Tanzverbot oder AdlerssonPictures bekamen in den vergangenen Jahren einen ungeheuren Zuwachs. In ihren Videos schönen sie nichts, sondern zelebrieren das Asoziale, den Dreck, das Fast Food, das Leben, wie es eben auch mal ist oder wie es auch mal sein kann, wenn man es nicht hinter einem Filter versteckt.

https://www.welt.de/vermischtes/article199113973/Exsl95-Oberkoerperfrei-Fast-Food-im-Test-fast-500-000-Abonnenten.html

An dieser Stelle soll dazu lediglich angemerkt sein, dass Akteure wie Dennis Sand nun einmal zu denjenigen gehören, die symbiotisch mit diesem “Asi-Content” leben. Intellektuell dürfte sein Kompagnon Montana Black den beiden Jüngeren nicht wirklich überlegen sein. Im Gegenteil: In der Dokumentation ihrer psychischen und körperlichen Leiden sind Tanzverbot und Exsl95 ebenso schonungslos wie präzise. Montana Black blubbert lediglich stümpferhafte Satzgebilde hervor, die andauernd durchsetzt sind von Anreden als “Digger” und seinen verbalen Markenzeichen wie “Küsschen auf’s Nüsschen”.

Eris ist für seine “Community” insofern schädlicher, als er – mit Hilfe des “Welt”-Redakteurs Dennis Sand – suggeriert, ein Werdegang vom nur an Drogen interessierten Lebensgefährdeten zum YouTuber und Profi-Computerspieler mit zwei Eigentumswohnungen, wechselnden Luxus-Karossen und bundesweit erfolgreicher Buch-Publikation sei eine Lebensperspektive. In jeder Hinsicht werden es ihm Jüngere nachmachen – so funktioniert das menschliche Denken und Verhalten, zumal bei Heranwachsenden, die keine mündigen Eltern und Erzieher haben, sondern auf sich selbst vor Bildschirmen zurückgeworfen sind, wo sie auf Akteure wie Montana Black treffen, der von ihrem Taschengeld lebt wie vor und mit ihm schon Medienproduzenten nach Art eines Dieter Bohlen. Eris ist dessen dekadente Fortschreibung: großmäulig, selbst weitgehend talentfrei, aber offensichtlich geschäftstüchtig (mit wessen Zutun und Hilfe im Hintergrund auch immer).

Wir betrachten hier also Auflösungserscheinungen unserer Kultur. Jeden ernsthaften YouTuber muss es frustrieren, wenn er sieht, dass die ihre eigene Trägheit rülpsend und (im Fall von “Adlersson” Max Herzberg auch furzend) darbietenden Video-Filmer in der massenhaften Wahrnehmung bei einem jüngeren Publikum uneinholbar scheinen. Das ist es, was bei ihnen ‘funktioniert’ – und wenig anderes.

Computerspiele sind eine Art massenmedialer Krankheit, von der sie mehr oder minder alle befallen sind und für die heutige “Medienwissenschaften” theoretische Rechtfertigungen und Huldigungen zusammenbrezeln – ohne ihre Stupidität und ihren lebensfeindlichen Zeitverbrauch jemals nachhaltig zu ‘analysieren’ und zur innergesellschaftlichen Diskussion zu stellen. (Exsl95 wie auch Adlersson haben zudem ihre geldintensive Automaten-Spielsucht öffentlich besprochen.) Schaut man sich das beispielhaft an, weiß man eigentlich, dass die logische Endstufe dieser Kultur der Bewegungs- und Einfallslosigkeit Individuen wie Exsl95 und Tanzverbot sind – die im Gegensatz zu Montana Black allerdings noch eine sprachliche Gewandtheit aufweisen und psychologisch in einem narzisstischen Modus durchaus reflektiert sind. Was sie schildern, haben wir vor Jahren ausführlichst in Bestsellern von Michael Winterhoff klinisch erklärt bekommen: “Warum unsere Kinder Tyrannen werden. Oder: Die Abschaffung der Kindheit” (2009).

Was wir heute in der “Welt” lesen, ist seit Jahrzehnten auch typisch für unsere kulturelle und mediale Welt: von Missständen solange profitieren, bis sie allgemein beklagt werden und man sich der Kritik daran ebenso risikolos anschließen kann (um dabei, die eigene bereits etablierte Marktposition nutzend, die authentischen Kritiker anschließend erneut totzuschweigen). Ob derlei für Endlos-TV-Serien und Computerspiele noch einmal flächendeckender auftritt, darf bezweifelt werden. Totalversagen sehen wir dabei in wohl allen medienwissenschaftlichen Instituten staatlicher Universitäten oder auch dem wenigen, was einem breiteren Publikum (auch per Deutschlandfunk & Co. in kostenloser Promotion) als “Medienkritik” verkauft wird, wie etwa “Übermedien.de”. (Auf dieser Website findet sich im Archiv mit “Computerspiel” allenfalls die eilfertige Beteuerung, dass der Suizid eines Jungen nichts mit dem weltweit populären Spiel “Fortnite” zu tun habe, wie sogar RTL fälschlich berichte.)

Neben gnadenlosem Opportunismus ist ein weiterer Standard von etablierten Medien-Spielern – dem Verhaltensmodus in anderen politisch totalitären Strukturen entsprechend – die Erhebung über durchgehend Schwächere – im Falle von Dennis Sand (nach Förderung des zur Abfassung eines Buches wohl kaum fähigen Eris) nun Wehklage und milder Spott über ein Exsl95-Elend, das Eris wie kaum ein anderer als Vorbild und Kommunikator auf YouTube einzig und allein gefördert hat.

Seien wir uns bewusst, dass dies eindeutig Endpunkte kultureller Entwicklungen sind. Was danach folgt, ist nur noch der biologische Tod. Die Automatismen innerhalb dieser Mensch-Maschine-Konstellationen haben sich nun seit vielen Jahren – unter organisierter Diskriminierung jeder kritischen Stimme dazu (“Kulturpessimismus”, “konservativ”, “reaktionär”, “anti-kapitalistisch”, “anti-amerikanisch”, “fortschritts- und industriefeindlich”, “unjournalistisch”, “untheoretisch”) – von den Rändern her in eine immer weniger lebensfähige ‘Mitte’ unserer Gesellschaft im Wortsinn hineingefressen. Wer heute in durchfinanzierten Stellungen der Medienindustrie und den Kulturwissenschaften tätig ist, gehört, auch in Unterlassung, eindeutig zu den Mitverursachern eines millionenfachen jugendlichen Elends.

Mit diesem Blog hier habe ich nun seit 15 Jahren die Erfahrung gemacht, dass ohne den Einsatz von Kapital, über das ich nicht verfüge, vom Rand der scheinbar so offenen Medienstrukturen aus hierzu ebenfalls kein wirkungsvoller Diskurs zu initiieren ist. In die öffentlichkeitswirksamen Schlammschlachten, die dafür allenfalls noch in Frage kommen (“Beef”), werde ich mich allerdings nicht willentlich begeben. Es wäre die letzte Konsequenz jener Vermüllung, die in den hier nur beispielhaft sichtbar gewordenen Köpfen schon stattgefunden hat.

Ach nein – eine weitere Vorstufe zur Endstufe gibt es noch, die YouTube auch nach Beschwerden (im Gegensatz zu “Rechtspopulismus” etc.) nicht löschen möchte. Vertreter der sog. “Oettigang” schlucken, um Aufmerksamkeit zu generieren, mittlerweile Nagellackentferner vor der Kamera:

Wer hiergegen mit meiner Hilfe etwas tun möchte, kann sich nach wie vor jederzeit bei mir melden: dh [at] filmdenken.de. Auch dieser Ball (von dem doch so gern gesprochen wird) liegt längst bei Ihnen.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

4 Antworten

  1. MvonRavensburg sagt:

    Off-Topic: Gesichterwissen

    Ich habe gerade etwas über die RAF gelesen und ein Bild von Christian Klar gesehen.
    Die Ähnlichkeit mit Ingo Bading ist gruselig …
    Wie würdest du das interpretieren?

    https://imgur.com/a/lj6YIuC

    • Da würde ich lieber Ingo selbst das Wort erteilen … Sucht man nach Gemeinsamkeiten, so könnte man vielleicht sagen: zwei deutsche Idealisten in ganz entgegengesetzter politischer Definition. Und die Entscheidung, in Texten gegen allerlei anzukämpfen, was man für falsch befindet, finde ich an Ingo allemal ehrenwert – im Gegensatz zu einer Entscheidung für tödliche Gewalt im Sinne einer (erklärt linken) Sache, die man für richtig hält, aber mit diesen Mitteln wohl eher nachhaltig diskreditiert hat. Wir wissen heute über die RAF in ihrem historischen Werdegang noch mehr. (Da trifft sich sogar noch etwas: Auch in diesem Fall geht es etwa um Infiltration durch Geheimdienste, über die Ingo ebf. fortgesetzt reflektiert hat.)
      Frage doch Ingo gerne selbst mal, was er davon hält. Ich will dem hier nicht vorgreifen. Ich hätte sowas nicht von meiner Seite aus vorgebracht, aber gesehen habe ich das schon vor langem. Ich sehe auch noch anderes. (Ich möchte das hier erstmal nur andeuten: Es stärkt nicht gerade die Position von Leuten, die Jahrzehnte lang Dinge verschwiegen haben, die Ingo ohne jeden Schutz öffentlich anspricht. Das wäre mehr wert als einen Kommentar hier. Schauen wir mal … Ich behalte das, wie immer, im Gedächtnis und bin jederzeit ansprechbar …)

  2. Heute ist der Artikel von Dennis Sand plötzlich unter “Welt+” nur noch kostenpflichtig zugänglich.

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