Undifferenziertes zur Kritik von #Migration und #Islam bei Alexander Yendell
Ein ausführliches Interview des Deutschlandfunks mit dem Soziologen Alexander Yendell (Universität Leipzig, Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung) ist ein Musterbeispiel für Fragwürdigkeiten der Behandlung von Themen wie Rechtspopulismus / -extremismus sowie Kritik an Massenmigration und Islam in der Gegenwart: “Rechtspopulismus – ‘AfD-Wähler sind zum Teil schon radikal'” (17.11.2019).
Die Interviewerin Anja Reinhardt fragt schon kritisch nach – und sagt bei 18:17 Min. symptomatischerweise zum Amoklauf in Halle statt “Synagoge” das Wort “Moschee”. Islamophobie wird gegenwärtig – wohl meistens – mit Judenfeindlichkeit in einem Atemzug genannt, obwohl in islamisch geprägten Gesellschaften nach allen Erfahrungswerten Judenfeindlichkeit zunimmt. Umgekehrt wird dies teils ähnlich eingestuft, und in einem Bericht der “Welt” (24.10.2019) finden wir nicht nur die umstrittene Einordnung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als “Kopf eines Apartheidstaats”, sondern auch die Diffamierung von Islam-Kritik (also der Durchsetzung fundamentaler westlich-freiheitlicher Werte) als “islamophob”.
Der Mainstream-Diskurs ist voll von einseitigen Perspektivierungen und paradoxen Verdrehungen, die wohl meist den allgemeinen Algorithmen ‘Deutsche sind die Schlimmsten und von der Verfolgung anderer abzuhalten’ sowie der Rede über andere Täter-Opfer-Konstellationen, die jedoch nie direkt auf die bestehenden zu bearbeitenden Probleme bezogen zu werden scheinen dürfen. Wenn es also Diskriminierungs- und Gewaltprobleme aus dem Islam als solchem heraus gibt, wird das in die Bewertung der Islam-kritischen Debatte in Deutschland nicht einbezogen. An Islam-Kritik wird nur problematisiert, dass sie ausgrenze. Ob sie auch ausgrenzendes Verhalten und ein in Vergleichswerten höheres Gewaltpotenzial im Islam kritisiert, die kritikwürdig sind, wird allermeist nicht mehr thematisiert. Der Kritiker ist der Feind, ohne Ansehung des Anlasses seiner Kritik. Warum ist das so? Wem nützt dies?
Die Überschrift auf der Sendungs-Website des Deutschlandfunks, “AfD-Wähler sind zum Teil schon radikal”, findet man wohl deutlich seltener auf religiöse Radikalismen mit Ursprung außerhalb von Deutschland bezogen. (Eine empirische Publizistik-Forschung könnte das statistisch untersuchen, hierfür müssten dann Projekte finanziert werden, ggf. nicht für anderes. Denn es müsste dann auch zu einer anderen Gewichtung von Berichterstattung und wissenschaftlicher Bewertung kommen.)
Hier im Blog wird nie verschwiegen, dass einfache Lösungen nicht zu haben sind: Es kommt auf die Einschätzung von Folgen der Überalterung an, als wie notwendig (und in welcher Höhe und Zusammensetzung) Zuwanderung angesehen wird. Es ergibt sich aus den Zuständen in anderen Weltregionen und Einflussnahmen auf Migrationsverhalten, wer in welcher Zahl in Deutschland um Asyl ersucht.
Das Problem der von Alexander Yendell im Interview geäußerten vordringlichen soziologischen Erkenntnisse besteht nicht darin, dass sie bestimmte Probleme und Gefahren als solche falsch benennen – weder sind systematische grundlose Diskriminierungen zu tolerieren, erst recht nicht Gewaltanwendung und Entrechtung oder auch nur irreführende Beleidigung. Aber die Erfassung von “Autoritären und rechtsextremen Einstellung in Deutschland”, wie ein 2016er Buch mit Beitrag von Yendell untertitelt ist, setzt in ihrer Perspektive betr. etlicher Problemlagen erst bei der Reaktion auf etwas an.
Wie aber steht es mit den Anlässen? – Die Kernaussagen Yendells sind im Text-Beitrag des Deutschlandfunks gut zusammengestellt. Der Reihe nach:
Auch die Abwertung von Fremden und Islamfeindlichkeit spielten dabei eine große Rolle – auch, wenn der Anteil an Muslimen in den fünf östlichen Bundesländern deutlich geringer sei. „Das sieht zunächst nach einem Widerspruch aus, ist aber kein Widerspruch. Es gibt die so genannte Kontakthypothese, die davon ausgeht, dass Menschen Vorurteile abbauen, wenn sie in Kontakt mit Fremdem kommen.“ Das bedeute, dass dort, wo viele Muslime lebten, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, die Akzeptanz viel höher sei.
Ist nun die einzige Information aus NRW, dass dort, wo vergleichweise “viele Muslime” leben, ihnen gegenüber “die Akzeptanz viel höher sei”? Um es klar zu sagen: Der Soziologe stellt hier eine Information in den Vordergrund, die für vorhandene Problemlagen und die Konfliktstruktur ihrer politischen Beantwortung einen eher geringeren Informationswert hat. Woran ihm gelegen ist, ist zu zeigen, dass jene politischen Initiativen, die sich skeptisch gegenüber unkontrollierter Massen-Zuwanderung äußern, keine akzeptablen Positionen verträten. Was ist aber die Folge, wenn solche Positionen nicht vertreten werden (wie mittlerweile weitgehend von allen Parteien außer der AfD)?
Die Folge ist nicht an erster Stelle, dass nach vollzogener Zuwanderung “die Akzeptanz viel höher sei”. Die Folge ist realpolitisch, dass eine Region, “wo viele Muslime lebten”, in aktuellen Überschriften in der gesamten Mainstream-Presse so und nicht anders angesprochen wird:
Krisenland Nordrhein-Westfalen (Deutsche Welle, 14.05.2017)
Armutsrisiko in Nordrhein-Westfalen erreicht Rekordhöhe (Westfälische Rundschau, 23.08.2018)
Bertelsmann-Studie: NRW-Städte in der Armutsfalle (Rheinische Post, 02.04.2019)
Armut im Ruhrgebiet – Schief im Westen (Cicero, 03.04.2019)
“Der Spiegel” (31.03.2019):
Fast die Hälfte der Arbeitslosen hat Migrationshintergrund
Der Anteil der Arbeitslosen mit Migrationshintergrund ist laut Schätzungen der Bundesagentur auf einen Höchstwert gestiegen. Hauptgrund dafür ist die verstärkte Zuwanderung von Geflüchteten.
Je regionaler die Nachrichten, desto deutlicher wird es immer wieder, dass die bloße Behauptung, das größere Problem einer bevorzugten diskursiven Bearbeitung auszusetzen, nicht gleich stimmen muss. “Hellweger Anzeiger” (12.10.2019):
Unna erhält fast 800.000 Euro für die Integration von Zugewanderten. Das Problem der strukturellen Unterfinanzierung werde damit aber nicht beseitigt, heißt es aus der Stadtverwaltung.
Und was fällt Yendell dazu ein?
Die AfD spiele „ganz bewusst mit der Angst der Bevölkerung vor Zuwanderern und sie schürt diese Ängste auch noch“.
Daran ist also sprachlich problematisch, was mit ‘ganz bewusst spielen’ gemeint ist. Ist dies jede mehr oder minder deutliche Benennung von Migranten-Kriminalität, -Arbeitslosigkeit und spezifischen Problemen im Bildungssystem? – Es gibt Beispiele für durchgeruschte Falschangaben und rhetorische Übertreibungen (wo man sie nicht, wie bei anderen vielleicht, “Zuspitzung” nennen sollte) in der AfD. Es gibt sie allerdings auch in anderen Parteien. Wie wird dies für die Einzelfälle verlässlich bestimmt? In welchem statistischen Verhältnis stehen solche Argumentationsmuster im Vergleich zueinander? Müsste nicht eine Soziologie in solchen Grundlagen von Bewertungen belastbare Daten haben, um anschließend Aussagen von Parteien evaluieren zu können, inwiefern sie “populistisch”, “extremistisch” oder doch eigentlich nur wirklichkeitsbezogen im Gegensatz zu anderslautenden sind? – Was ist an solchen Fragen hier falsch, sachlich untergeordnet – und warum werden sie sonst wissenschaftlich nicht bearbeitet?
Yendell scheint sich sicher:
AfD-Wähler seien zudem anfällig für Verschwörungstheorien, das bediene die Partei. „Die AfD-Wähler sind zum Teil ja schon radikal und daraus entsteht dann halt auch so eine Partei.“
Kann sich Yendell evtl. vorstellen, dass AfD-Anhänger Haltungen und Äußerungen wie die seine, privilegiert als Wissenschaftler und bundesweit im Radio gesendet, als eine fortgesetzte rhetorische Drangsalierung empfinden (um es vorsichtig zu formulieren)? – AfD-Anhänger lesen oft täglich Gewalt-Meldungen mit Migrationshintergrund, sie haben nachweislich zu Recht Zweifel an mancher Statistik von gestern und heute, sehen sich bestätigt in entsprechenden Korrekturen bis weit in einzelne Berichte des Mainstreams und der offiziellen Verlautbarung hinein:
Kritik an der Kriminalstatistik reißt nicht ab (Berliner Morgenpost, 25.05.2018)
In der Kriminalitätsstatistik finden sich viele Halbwahrheiten (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 02.04.2019)
Kriminalstatistik – Lieber nicht sagen, was ist? (Cicero, 10.04.2019)
Weiter im Text mit Yendell:
Auch zwischen autoritäre[n] Einstellungsmustern und Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit gebe es eine Wechselbeziehung, wobei Yendell festhält, dass antisemitische Haltungen insgesamt abgenommen hätten.
Da haben wir sie, die rhetorische Verquickung der Diskriminierungsopfer Moslems und Juden. Forscher und Publizisten wie Yendell fragen nie nach Kriterien für eine Angemessenheit der Zurückweisung etwa einer starken Ausbreitung islamisierter Kulturformen durch jene, die nicht dem Islam angehören. Sie übergehen einfach diesen notwendigen ersten Schritt und ordnen Kritik relativ pauschal (ich kann hier nichts anderes erkennen) als “Islamfeindlichkeit” ein. Was, bitte, ist dies genau?
Statt in der Sache zu klären, vollzieht Yendell wie viele andere Sozialwissenschaftler in Deutschland vielmehr eine Ablenkungsbewegung, die ihn selbst im Gegenteil als besonders ‘theoretisch reflektiert’ ausweisen soll. Es wird der in diesen Diskursen als unhinterfragbarer Zeuge behandelte Theodor W. Adorno angerufen, im Zitat abgebildet in den “autoritäre[n] Einstellungsmustern”, mit denen Theorien des “autoritären Charakters” aus der Frankfurter Schule gemeint sind.
Statt sich selbst als Argumentierenden in ein überprüfbares Verhältnissen zu inhaltlichen Argumenten und Befunden im Kontext der AfD-Politik zu setzen, behauptet Yendell, wie wohl fast seine gesamte akademische Disziplin derzeit, sich vielmehr als Psychoanalytiker der von ihm Kritisierten betätigen zu dürfen. – Die These hier ist nicht, dass es nicht korrekte Anwendungen solcher Argumente geben kann, aber es ist bereits gesagt: Man kann dies erst evaluieren, nachdem man halbwegs definit Kriterien genannt hat, nach denen Äußerungen als diskriminierend, hetzerisch, sachlich falsch einzustufen wären.
Die staatlich finanzierte, ihrem Anspruch nach wissenschaftliche Arbeit von Yendell u. v. a. hat in dieser Hinsicht lebensweltlich die Konsequenz, dass man keinen ansatzweise Linksliberalen trifft, bei dem die bloße Erwähnung von “Kriminalitätsstatistiken” nicht einen angewiderten bis wütenden Gesichtsausdruck oder sogar den unmittelbaren Gesprächsabbruch hervorruft. Yendells Äußerungen sind, wie pauschal ausländerfeindliche auch, für gesellschaftliche Spaltung an solchen Stellen förderlicher als für eine sachorientierte Bearbeitung von Problemen, die mit ihrer Dokumentation und Bewertung beginnt und nicht einer schlagwortartig herbeizitierten psychoanalytischen Krankheitsdiagnose für das Gegenüber, auch dann, wenn Letzteres – im Gegensatz zu einem selbst – nachprüfbare Fakten und Argumente anführt und nicht nur eine ex- oder implizite Überzeugung bis Hoffnung, Migration bewirke keine Probleme, über die nicht ständig geredet werden müsse, solange sie in wechselndem Maße stattfindet und neue Realitäten schafft.
Besonders schön ist dann immer wieder bei systemischen Aufsteigern das Psychologisieren über ‘Verlierer’ derselben gesellschaftlichen Ordnung. Kein Wort über sinnferne Labereien an Universitäten, deren Klüngel- und Machtwesen, die kaum sachdienlichen Schmeicheleien bei toten und lebendigen teils nur vermeintlichen Geistesgrößen, um mit einem Pöstchen belohnt zu werden. Welcher der heute im Amt Befindlichen in allerlei Fakultäten hätte je etwas anderes gemacht als nach oben gebuckelt und nach denen getreten, die dort als ‘Feind’ ausgeflaggt sind? (Mal im ernst – kann jemand bitte mal ein Beispiel kommentieren? Ach so, Sie lesen und zitieren sowas hier ja nicht … Na, dann haben Sie ja sorgfältig abgewogen.) – Ein Yendell darf sich fehlenden Widerspruchs natürlich auch im “Radio” sicher sein, wenn er sich als leichtesten Gegner dann einen psychisch verkorksten Massenmörder aussucht und nach Belieben verbal auf ihn eindreschen kann.
Bei Terroristen spiele das „nach oben buckeln, nach unten treten“ und das Leben anderer zu hassen eine große Rolle. Mörder wie Anders Breivik oder der Attentäter von Halle seien „nicht nur narzisstisch, sondern auch paranoid.“ Meistens kämen sie aus dysfunktionalen Familien, da müsse man früher und genauer hinschauen.
All das löst, wie auch hier nicht zum ersten Mal gesagt, zu erwartende Folgen der demografischen Krise in Deutschland nicht. Aber auch durch ein immer noch vorherrschendes Schweigen über Integrationsprobleme und die Unvereinbarkeit religiöser Fundamentalismen (eigentlich der Gründungstexte ganzer Religionsgemeinschaften als solcher) mit geltenden Gesetzen und dem Dilemma der daraus folgenden grundgesetzwidrigen Rechtsungleichheit zwischen im Verborgenen massenwirksamen primitiven Hetzern in Pluderhosen oder anderen Kostümen und lediglich berechtigterweise besorgten Anwohnern ist die derzeitige geistig-politische Wirrnis entstanden. Sie verhindert bisher nachhaltig, dass andere Konzepte und Strategien überhaupt etabliert werden könnten, deren Absicht wenigstens in Schadensminderungen bestünde und keiner teilweise tödlichen Naivität. Das gerade Gesagte ist in seiner Komplexität und historischen Persistenz eine genuin wissenschaftliche Aufgabe. An Unversitäten und in Redaktionen jedoch herrscht weitgehend ein Linkspopulismus, der dieser Komplexität nicht gerecht werden kann.
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