Zur These “Deutschland ging es nie so gut”

Der Blog-Autor steht hier immer wieder vor dem Dilemma, dass zu einigen Großthemen von filmdenken.de jeden Tag Material zu sammeln wäre, mehr Kommentare abgegeben werden könnten. Das geschieht natürlich erstmal nicht-öffentlich. Doch abgesehen vom entstehenden Arbeitsaufwand (für derzeit eine Person) ist es eine Frage, ob den Anliegen dieser Seite damit gedient wäre, immer und immer wieder anzumerken, dass sich an Wesentlichem nichts geändert habe. Eine Empfehlung gehört an diese Stelle: Wenn es mal nichts Neues im Blog gibt, stöbern Sie doch einmal durch Klicken auf die Kategorien über jedem Beitrag in vorhandenen Beiträgen. So Manches dürfte seine Aktualität behalten haben bspw. zu den Begriffen Fernsehen, Finanzkrise, Geheimdienste, Gewalt, Judentum, Opfer, Raumfahrt, Tabu u. v. m.

Dabei gibt es problematische Entwicklungen, die sich weiter verschärfen. Die Kultur- und Medienkritik, die ich hier seit 2004 entwickle, sehe ich in der Tendenz leider eher bestätigt. Und damit bin ich kein “Verschwörungsideologe” oder Anderes aus dem propagandistischen Register des allgegenwärtigen Links-Populismus für Halbgebildete. Es platzt mittlerweile in Wirklichkeit im selben Mainstream quasi aus allen Nähten und führt lediglich meist nicht auch noch zu weiterführenden Fragen, die notwendig wären, sondern geht in Ankündigungs-Rhetorik o. Ä. aus. Diese Kritik bezieht sich nicht direkt etwa auf eine Sendung des Deutschlandfunks vom 30.01.2019, in der Jessica Sturmberg mit Uwe Jean Heuser “Wir brauchen den inklusiven Kapitalismus” sagte. Heuser:

Man führt die Debatten von gestern für ein Problem von heute. Man muss die Gesellschaft schon genauer anschauen, und dann stellt man fest, dass die Risse, die da durchlaufen, und die Gefühle, die da entstehen, dass man nicht mehr die Kontrolle über sein Leben hat und so, nicht nur mit Geldtransfer zu tun haben, sondern beispielsweise mit dem Abgehängtsein der Landbevölkerung, mit dem Gefühl von Arbeitnehmern, dass sie zwar nicht verarmen, aber auch nicht vorankommen und vielem anderem mehr. Dann müssen sie daran arbeiten. Das ist auch möglich über das Bildungssystem, über Infrastrukturpolitik, über kleine Korrekturen zum Beispiel auch in den Städten, damit nicht alle Ressourcen den wohlhabenden Stadtvierteln zufließen. Auf einmal fängt man an, an ganz vielen Punkten Risse in der Gesellschaft zu sehen und dann auch zu versuchen, diese zu kitten, und wie gesagt, das hat nicht immer nur mit Geld zu tun.

https://www.deutschlandfunk.de/wirtschaft-und-staat-wir-brauchen-den-inklusiven.769.de.html?dram:article_id=439773

Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam bemerkt notorisch die steigende soziale Ungleichheit. (Über die Dimension eines sachte steigenden globalen Wohlstands müsste man gesondert diskutieren. Hier geht es mir zunächst um die Situation in Deutschland und das, was Mehrheiten im Vergleich zu privilegierten Minderheiten bleibt.)

Die Tageszeitung “Welt” hat die Kapazität, gegensätzliche Sichten abzubilden – mit der Schwierigkeit oder wahlweise auch: Bequemlichkeit für Leser, sich der einen oder anderen Fraktion zuzugesellen. Da darf der Psychologe Peter Fischer im Interview mit Carla Baum am 28.01.2019 ebenso seinem Optimismus freien Lauf lassen, …

Objektiv betrachtet, geht es den meisten auch gut: Denken wir an Wohlstand, Gesundheit, Langlebigkeit.

https://www.welt.de/vermischtes/plus187835916/Peter-Fischer-Trump-oder-AfD-zu-waehlen-zeugt-von-hoher-Risikobereitschaft.html

… wie auch Ulf Poschardt – nicht als Kulturpessimist bekannt – unter der Überschrift “2019 könnte nicht nur Europa bis zur Unkenntlichkeit deformiert werden” unken darf (12.01.2019):

Der Werkzeugschrank der deutschen Politik wirkt überschaubar angesichts der Problemgebirge

https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus186936904/Deutsche-Wirtschaft-2019-koennte-nicht-nur-Europa-bis-zur-Unkenntlichkeit-deformiert-werden.html

Kernprobleme etwa auf der Ebene des Finanzsystems werden zwar bemerkt, können aber aufgrund von Komplexität und Machtstrukturen kaum angegangen werden (und werden selbst von sog. “Linken” in marxistischer Tradition noch wegmoderiert).

Produktivität und Löhne sind laut Professor Gunther Schnabl von der Universität Leipzig zwei entscheidende Faktoren, die er im Zusammenhang mit der EZB-Politik der abgeschafften Zinsen und des Gelddruckens nennt. Reiche werden durch das Gelddrucken der EZB und in der Folge höherer Immobilienpreise noch reicher.

https://finanzmarktwelt.de/wohlstand-fuer-alle-dank-ezb-politik-nicht-mehr-moeglich-113459/

Wo ein Psychologe also “Wohlstand, Gesundheit, Langlebigkeit” wähnt, sich ein Finanzminister nach Eskalationen der Finanzkrisen derzeit über Jahre einer “schwarzen Null” rühmen darf und sich Konjunktur-Nachrichten positiv formulieren lassen, besteht ein wachsendes Problem bei den Ärmeren sogar schon in einer als vollwertig anzusehenden Ernährung …

Fast jeder dritte Arbeitslose in Deutschland gibt nach einem Zeitungsbericht an, sich nicht regelmäßig eine vollwertige Mahlzeit leisten zu können.

https://www.focus.de/finanzen/recht/soziale-ungleichheit-hartz-iv-jeder-dritte-arbeitslose-kann-sich-kein-vollwertiges-essen-leisten_id_10252767.html

… und trifft am härtesten jene Kinder, deren zahlreiche Armut ebenso seit vielen Jahren bemerkt wird:

Armut oder Wohlstand – in welcher Umgebung ein Kind aufwächst, beeinflusst den gesamten Lebensweg mit. Die finanzielle Ausstattung gehört zu den Faktoren, die den sozioökonomischen Status (SoS) einer Person bestimmen, und ein niedriger sozioökonomischer Status kann sich negativ auf die Entwicklung des Gehirns, die psychische Gesundheit und den Bildungsweg auswirken.

https://hpd.de/artikel/soziale-ungleichheit-beeinflusst-gehirnentwicklung-kindern-16387

Wer meint, durch Digitalisierung, Automatisierung und “Wissensgesellschaft” die kollektive Zukunft sichern zu können, muss sich wohl auch und gerade diesen zähen sozialpolitischen Frage noch viel ausführlicher stellen – und am besten auch nicht nur irgendwie darüber reden, sondern jede notwendige Anschlussfrage angehen: Wie ist daran etwas substanziell zu ändern? Wer macht das? Was steht dem entgegen?

Bleibt wohl erstmal nur zu sagen: ‘Wir’ bleiben dran …

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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