#Ideologie der #Friedenspreis-Rede von Carolin #Emcke
Beim Anhören der Dankesrede der Journalistin und Buchautorin Carolin Emcke zur heutigen Verleihung des “Friedenspreises des Deutschen Buchhandels” folgt bei mir eine grundsätzliche und nachdenkliche Frage auf die nächste, fast bei jedem einzelnen Satz. Es würde mich freuen, wenn ein paar Menschen die folgenden Ausführungen lesen, denn die darin deutlich werdenden politischen und erkenntnistheoretischen Fragen sehe ich als grundlegend für viele aufgelöste Probleme der aktuellen Debatten über Innen-, Weltpolitik und nicht zuletzt Zuwanderung an. Wenn an diesen Begriffen nicht gründlicher als bisher gearbeitet wird, werden auch in Deutschland Probleme voraussichtlich gefährlich bis unbeherrschbar, die es nicht selbst geschaffen hat. Für manchen, der es jetzt noch verdrängt, könnten es sogar Überlebensfragen sein.
Bitte erlauben Sie die Vorab-Bemerkung, dass alle Leser sich bewusst darüber sein sollten, dass ein solcher Text hier im Normalfall wenige Hundert Zugriffe erreicht. Die von Carolin Emcke geäußerten Auffassungen erhalten, wie auch in diesem Beispiel, ein bundesweites massenmediales Forum. Wenige kritische Nachsätze etwa im “Deutschlandfunk” von Hubert Winkels standen einer solchen wortreichen Rede gegenüber.
Ich verzichte bei einem Text solchen inhaltlichen und längenmäßigen Zuschnitts von vornherein, ihn zahlenden Redaktionen anzubieten; ich wüsste auch keine, die dafür ansprechbar wäre. Vergleichen Sie bitte kritisch die Argumentationsweisen und Reflexionstiefen dessen, was als “Qualitätsjournalismus”, “reguläre Verlagsveröffentlichung” oder gar “Wissenschaft” bezeichnet wird.
Auf eine Weitergabe von Links zu diesem Text ist dieses Blog wie auch andere – Ihre Zustimmung natürlich vorausgesetzt – dringend angewiesen. Wundern Sie sich bitte – nach hier nun über Jahre gesammelten Erfahrungen – sonst nicht, wenn im vermeintlich demokratisierten Netz schon bald eine kritische Seite nach der anderen abgeschaltet wird und der Einheitsbrei des Medienmonopols wieder alles überflutet.
Es bleibt weiterhin noch anzumerken, dass Carolin Emcke nicht vorzuwerfen ist, sie hätte sich Konflikten als Reporterin nicht in deren gefährlichster Form, nämlich dem Krieg, selbst ausgesetzt. Sie hat mit einigen Ideen durchaus ernstgemacht, die sie hier neuerlich vertritt. Ich frage mich allerdings, ob sie auf reale Entwicklungen in Deutschland eine zielführende Antwort sein können, wenn man hierfür bestimmte Bedingungen stellt – einen gewissen Respekt auch vor der eigenen, nicht nur der Kultur des anderen; vielleicht auch den notwendigen Anspruch, einen erarbeiteten Wohlstand bis hin zur eigenen körperlichen Unversehrtheit nicht leichtfertig aufzugeben. Als Kriegsreporterin in den Einsatz zu gehen, hat im Falle Emckes bedeutet, am eigenen Leib diese Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen. Dass ein solches nicht sonderlich kalkulierbares Risiko für eine Staatsräson eigentlich nicht anwendbar ist, wo es zu vermeiden wäre, halte ich allerdings für eine Grundlage sinnvollen politischen Handelns.
Im inhaltlichen Teil ihrer Rede geht Emcke zunächst auf das “moderne hebräische Wort für ‚angehören‘, ‚shayach‘”, ein:
Das wäre eine schöne Spur: sich zugehörig zu zählen zu einem Glauben oder einer Gemeinschaft, hieße: ich bin für diese Gemeinschaft relevant, in ihr zähle ich als wichtiges Element.
Im Folgenden wird Emcke, wie zu erwarten, auch mit Begriffen solcher Zugehörigkeit, etwa zu einem “Volk”, ins Gericht gehen. Warum dann diese Einleitung?
Streng genommen, würde ich sagen, ist es zunächst eine Anbiederung. Der Zugriff auf ein hebräisches Wort bedeutet ‚sicheres Terrain‘, da die Idee einer Zugehörigkeit in einer Sprache ausgedrückt wird, die jenen gehört, die in Deutschland nach 1945 wesentlich als Opfer nicht-jüdischer deutscher Mörder gelten. Dazu merkt Emcke dann noch an, dass dieses Wort aus dem Aramäischen “zugewandert” sei, was in dieser Jahrtausende zurückliegenden Etymologie implizit eine Selbstverständlichkeit von Integration und Vereinbarkeit suggeriert, und zwar im Bereich der Worte, die von Menschen beliebig benutzt und abgewandelt werden können – im Gegensatz zu lebendigen anderen Menschen mit ihrem Eigensinn und ihren komplexen und resistenten Vorgeschichten.
Es bleibt schon zu diesem frühen Zeitpunkt dann eher der Eindruck einer Ausweichbewegung in der Wahrnehmung. Sie besteht erst recht, wenn man assoziiert, was in diesem Zusammenhang noch zu sagen wäre. In Israel, wo diese Sprache gesprochen wird, sind bis heute Heiraten mit Nicht-Juden gesetzlich verboten – wie in Deutschland zuletzt durch die “Nürnberger Rassengesetze”. So manches in jüdischer Orthodoxie und Strömungen des Zionismus basierte – lange vor nationalsozialistischer Judenverfolgung – auf solch harscher Abgrenzung von Nichtjuden als Menschen zweiter Klasse. So manchem Rabbi galten weit vor 1933 nicht zuletzt die nicht-jüdischen Deutschen der biblischen Vorlage entsprechend als “Amalekiter”, die es auszumerzen gilt (wie die Wikipedia überraschend ausführlich und freimütig mit Belegen nachlesen lässt, siehe „Die Aufforderung zum Völkermord in der Torah“). Emcke spricht freilich keineswegs von solchen Begebenheiten, sondern von der erfolgreichen ‘Zuwanderung’ eines Wortes in die jüdische Sprache vor über 2000 Jahren. Warum?
In der lockeren Einleitung ihrer Rede hat Emcke sich u. a. an ihre Kinderzeit erinnert, in der sie schon in elterlicher Begleitung Friedenspreisreden im Fernsehen sah und hörte. Dies ist ein nostalgischer Rückblick auf Gemeinschaft in ihrem sozialen Kernbereich, der Familie. Ich als Beobachter würde dabei z. B. durchaus gerne wissen, wie sich die Einschaltquoten solcher Ereignisse verändert haben. Und wieviele Jugendliche mögen es heute sein, die einem solchen Festakt den Vorzug vor irgendeiner Zerstreuung auf Facebook oder YouTube geben? Die, wenn sie denn noch mit Eltern vor diesem Fernseher sitzen, ihre Aufmerksamkeit nicht etwas anderem zuwenden? Und die dadurch weiter entpolitisiert und verblödet werden, wie es eine langfristige Tendenz zu sein scheint? – Diese Fragen halte ich für unbequem, weil sie andere kritisieren, die sich dagegen wehren, und weil sie Kommerzinteressen widersprechen. Wo käme dies jemals in einem solchen großen Rahmen als Argument vor? Wir sehen, dass die an dieser Stelle Sprechende in diesem Fall in eine eigene private Vergangenheit blickt oder in die Frühgeschichte einer fremden Sprache – nicht aber in ihre Gegenwart, in der dies alles nicht so harmonisch und konfliktfrei, schon gar nicht transparent und diskursiviert ist – was zu weiteren Fragen führt, die etwa von kommerziellen Akteuren mit aller kriegerischen und zerstörerischen Intelligenz bekämpft werden. Dazu könnte gehören, als “Intellektuelle” nur jene massenwirksam zu präsentieren, die bestimmte Fragen gar nicht mehr stellen.
Wenn Emcke mit der Sprachgeschichte als metaphorischem Vergleich das Thema Zugehörigkeit einleitet, so stellt sie damit ein Ideal vor, das für die gesamte folgende Rede das Hauptthema bleibt. Und leider bleibt es auch bei den hier nun schon in mehrerer Hinsicht thematisierten Ausweichbewegungen in Denken und Argumentation. Sie stellt die allgemeine Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks von Zugehörigkeit offensichtlich nicht in Frage, sie bejaht diese. Bis zu diesem Punkt der Rede wurde noch nichts dazu konkret, was die Gegenwart betrifft. Emcke erinnerte sich selbst an ihre Kindheit und Familie. Was mir als Beobachter auffällt, ist, dass eine links oder linksliberal geprägte Öffentlichkeit, in der Emcke mit dieser Rede ihre persönliche Erfolgsgeschichte krönt, ein emphatischer Begriff etwa der Familie gleichzeitig verpönt ist und auch hier nicht ausgesprochen wird. Es ist nicht das zentrale Thema von Emckes Rede, aber auch an keiner anderen Stelle dieses politisch-kulturellen Mainstreams würde aus meiner Sicht mit dieser Ausgangsfrage thematisiert, dass Zugehörigkeit im Sinne von Familie eine derzeit eindeutig absterbende Erfahrung ist. Emcke selbst ist Teil einer kulturellen Elite, die als Akademiker i. w. S. unterdurchschnittlich viele Kinder und damit Familien hervorgebracht hat – noch weniger als der Rest der Bevölkerung, die ebf. seit Jahrzehnten schrumpft. Wenn Emcke also ausgerechnet eine eigene Familienerinnerung zum Ausgangspunkt ihrer Rede nimmt, warum bespricht sie das Thema Familie nicht auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht facettenreicher? Wir werden sehen, dass sie sexuelle Spielarten jenseits des Durchschnitts mehrfach erwähnt. Mit keinem Wort aber, dass die von ihr abstrakt begrüßte Zugehörigkeit im Ursprung, der Familie, einer noch steigenden Zahl deutscher Bürger, schließlich unabwendbar, abhanden kommt. Es gibt meines Wissens keine Prognose, die nicht eine weiter steigende Zahl von Single-Haushalten in den Industrieländern in Aussicht stellt.
Weiter im Redentext:
Jüdisch zu sein oder katholisch oder muslimisch, das macht etwas aus. Es strukturiert mein Denken, meine Gewohnheiten, meinen Tag. Almosen zu geben, das gehört zu den einen, wie das Beten bei Tisch oder das Anzünden der Kerzen zu den anderen.
Emcke leitet langsam zu ihrem Hauptthema über, das ihre eigene Arbeit langfristig geprägt hat: Konflikte, die nicht zuletzt religiös grundiert sind. Jedoch – wovon spricht sie hier eigentlich? “Almosen” gibt wohl jeder einmal, je nach eigenen Möglichkeiten. Er mag dabei bewusst oder unbewusst auch an eine übernatürliche Ebene der göttlichen Beobachtung irdischen Handelns oder eines Karmas denken. Sonderlich elaboriert ist diese ideelle Ebene in der deutschen Gegenwart jedoch nicht. Ich würde nicht verallgemeinert sagen, dass dies schon Denken “strukturiert”. “Beten bei Tisch” oder “Anzünden der Kerzen” als religiös motivierte Handlung können in Deutschland mittlerweile wohl als stark marginalisierte Handlungen angesehen werden. Wieso erwähnt Emcke es hier? – Das Wesentliche in unserer Gegenwart besteht in dieser Hinsicht darin, dass zuletzt noch verstärkt Moslems zuwanderten, die als erklärte Gläubige in Anspruch nehmen, täglich fünfmal beten zu wollen und zu sollen. Sie stehen damit einer zunehmend aus den eigenen christlichen Kirchen in die bloße Weltlichkeit fliehenden Stammbevölkerung gegenüber, die sich für Profisport, Kriminal- und Actionfilme oder Pornografie weitaus mehr ‘interessiert’, als dies für die Kirche der Fall ist, die als kulturelle Erinnerung wesentlich noch Weihnachten und Ostern auftaucht, in erster Linie verbunden mit ausfallenden Arbeitstagen und ggf. noch einem Ballerspiel für die Kleinen als Geschenk in Erinnerung an die Geburt Christi.
Emcke spricht dabei also von keinem repräsentativen Wirklichkeitsausschnitt. Sie lenkt ab auf etwas, von dem allenfalls nochmals zu fragen wäre, ob es endgültig auf den Müllhaufen kultureller Gewohnheiten der westlichen Welt gehört. Abgesehen von stark katholisch geprägten Ländern wie Italien muss man von Letzterem bisher ausgehen, wenn man kein wirklichkeitsfremder Spinner wäre. Das ist Emcke sicher nicht pauschal zu unterstellen. Aber auch diese weitere Textstelle ihrer Rede lässt für sich genommen eigentlich nur eine solche Schlussfolgerung zu. Warum spricht sie derlei an und nichts anderes – oder dieses nicht einschließlich der genannten Aspekte? – Auch hier lautet die Schlussfolgerung – für mich notwendig -, dass Emcke implizit etwas ratlos einer Realität gegenübersteht, in der die von ihr präferierte “offene Gesellschaft” (so die Rednerin später wörtlich) zugleich viele Arten der Vergemeinschaftung zerstört, ohne bisher einen gleichwertigen Ersatz anbieten zu können – an erster Stelle für diejenigen, die als Singles im Laufe ihres Lebens in der Freizeit immer weniger Alternativen zu Alkoholkonsum bei schlechter werdenden Fernsehprogrammen haben -, was die Journalistengilde um Emcke aus mehreren Gründen lieber verschweigt, als es so oft anzusprechen, wie es in der Wirklichkeit mit allen mittel- und langfristigen Konsequenzen vorkommt. Nur die Konsequenzen werden dann teilweise noch verkürzt bejammert.
Emcke bekennt daraufhin, es hätten “die Passionen und Kantaten von Bach” sie vor jedem Bewusstsein für ein Glaubensbekenntnis “schon durchdrungen und von innen heraus geformt”. – In welcher Welt lebt sie eigentlich? Bach zu hören, ist meiner Ansicht nach jedem zu empfehlen. Nur tun es viele nicht, und wollte man hiergegen volkspädagogisch angehen, gälte man im politisch-kulturellen Umfeld Emckes schnell als Reaktionär, Oberlehrer und Naivling. Schon gar nicht dürfte es überführt werden in eine konkrete politische Agenda, die durch Linksliberale in Gestalt der AfD und ihrer Rede von einer neuen Leitkultur im wesentlichen angegriffen und lächerlich gemacht wird. Im Klartext würde dies bedeuten, dass Emcke eher auf Seiten eines Wolfgang Gedeon stünde, der christliche Tradition gegen Infragestellung durch Zionismus und Islam bewahren will. Nichts weniger würde ich von ihr aber erwarten. Welche politische Position reklamiert sie hier also eigentlich, wenn es nicht eine schon nachträgliche Reminiszenz an ein statistisch in Westeuropa untergehendes Christentum wäre?
Sodann folgt der Gedanke:
Nun kennt das Wort „Angehörigkeit“ keine Schattierungen. Es suggeriert eine einheitliche Empfindung. Als ob es uns immer gleich relevant sei, jüdisch oder protestantisch oder muslimisch zu sein. Als ob es sich an jedem Ort gleich anfühlte, kurdisch zu sein oder polnisch oder palästinensisch. Als ob es nicht in unterschiedlichen Situationen ganz unterschiedlich prägnant sein könnte.
Abstrakt definiert ist das richtig. Es ist jedoch der eher geringere Teil einer Definition. “Ein bisschen schwanger geht nicht”, sagt die Redensart. Wo findet sich die elaborierte Philosophie dazu? Wir haben es etwa mit einer Carl Schmittschen “Freund-Feind-Unterscheidung” in der Prägung jüngster US-amerikanischer Administrationen zu tun, die Kriege führt, aus denen Emcke vielfach berichtet hat. Hier kommt Emcke als erstes aber zu einer Aussage, dass diese Unterscheidung nicht eindeutig zu treffen sei. Sie widerspricht damit einer harten und grausamen Wirklichkeit, die sie selbst ehrenwerterweise abzubilden half: in der klar zwischen eigenen und gegnerischen Truppen unterschieden wird und das Tötungsverbot gegenüber den Gegnern aufgehoben ist. Dass die Verwirrspiele geheimdienstlich infiltrierter Kriegsszenarien komplexer sind, ändert nichts daran, dass es eindeutige Gegner gibt, die im Ernstfall getötet werden sollen im Gegensatz zur eigenen Bevölkerung und eigenen eindeutigen und verlässlichen Alliierten.
Eines der Sicherheitsprobleme unserer Gegenwart sind extremistische Moslems, die etwa als Mitglieder des “Islamischen Staates” (IS) sprachliche Überlieferungen der Mohammedaner als Gebot zur Tötung von Ungläubigen interpretieren. Das Wissen hierum und seine Bewertung kann man abgestuft dokumentieren von den vorsichtig abwägenden etablierten Presse-Veröffentlichungen über ebenfalls offizielle, aber eher seltener berichtete besorgniserregende Tendenzen hin zu den eindeutigen Propaganda-Inhalten, die auf relativ unkalkulierbare, aber eindeutig bedrohliche Weise den Weg in die Hirne hier lebender Moslems findet, über Hass-Predigten fremdfinanzierter Imame und gut besuchte Internetseiten. Ich reihe zu den genannten Formaten diese drei Zitate aneinander:
Die Hälfte der Muslime weltweit zeigte sich zudem beunruhigt über religiösen Extremismus. Gewalt im Namen des Islam wurde weitgehend abgelehnt, allerdings fand eine deutliche Mehrheit in Bangladesch, Ägypten, Afghanistan und bei den Palästinensern dies akzeptabel. […] Die meisten Muslime sprachen sich für die Demokratie aus und empfanden keine Spannung zwischen ihrer Religion und einem modernen Lebensstil. So lieben die meisten Befragten Musik und Filme – auch wenn Prostitution, Homosexualität, Selbstmord und Alkohol sehr überwiegend als unmoralisch abgelehnt werden.
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/studie-mehrheit-der-muslime-fuer-scharia-anwendung/8145784.html
Wie unschwer zu erkennen ist, enthält das Statement die islamischen Positionen, die seit Mohammed durch den Koran den Muslimen in Moscheen und Koran-Schulen tradiert werden: das Überlegenheitsgefühl der eigenen Religion („einzig rechtgläubige Religion”), kombiniert mit der Abwertung aller anderen Religion ohne Unterschied als „nichtig und falsch”. Die Angehörige[n] anderer Religionen werden dabei stigmatisiert als „Ungläubige”. Sie seien alle verfluchte Kandidaten der Hölle, wie der Salafisten-Prediger Pierre Vogel ständig herableiert.
Mehr als die Hälfte der befragten muslimischen Jugendlichen, in einer erschreckend hohen Zahl von 55,9 Prozent, stimmten dieser These zu, über 30 Prozent davon sogar mit dem Votum „stimmt völlig”.
https://www.gloria.tv/article/8xHWePq6RpcR4aH44z3reN7fW
Frage:
Was ist die Pflicht eines Muslims gegenüber einem Kafir, sei dieser nun ein Dhimmi in einem islamischen Land oder im eigenen Land, während der Muslim im Land des Kafirs lebt? Die Pflichten, über die ich gerne Auskunft hätte, beziehen sich auf alle Arten der Beziehungen, angefangen beim Begrüßen und endend mit den Festen der Kuffar. Ist es erlaubt, ihn bei der Arbeit als Freund zu nehmen?Antwort:
Gepriesen sei Allah.Die Pflichten eines Muslims gegenüber einem Kafir beinhalten eine Reihe von Dingen:
Erstens:
Die Da‘wah oder das Rufen zu Allah (‘azza wa jall). Der Muslim sollte ihn zu Allah rufen und ihm die Realität des Islams erklären, wenn möglich in Bezug auf jede Angelegenheit, worüber er Wissen hat, weil dies die größte Freundlichkeit ist, die er seinen Mitbürgern und denen, mit welchen er von den Juden, Christen und anderen, welche zu den Muschrikiin (Götzenanbetern) gehören mögen, zu tun haben sollte, erweisen kann, denn der Prophet (salla-llahu alayhi wa sallam) sagte:
{مَنْ دَلَّ عَلَى خَيْرٍ فَلَهُ مِثْلُ أَجْرِ فَاعِلِهِ}“Derjenige, welcher andere zum Guten leitet, wird den gleichen Lohn wie der Gutes tuende erhalten.” (Muslim 1893; Sunan At-Tirmidhy, Al-‘Ilm, 2671; Sunan Abu Dawud, Al-Adab, 5129; Musnad Ahmad ibn Hanbal, 4/120)
Auch wenn sich bei längerem Leben in einem Gastland bei Moslems da eine gewisse Nachsicht einstellen mag, der eine oder andere sich sogar vom Islam abkehrt – wie sollten solche Lehrinhalte über jene “anderen, welche zu den Muschrikiin (Götzenanbetern)” gehören, denn zu einem gleichberechtigten oder emanzipatorischen Diskurs führen können? Eine Glaubensdoktrin, in der man wohl an allen offiziellen Stellen immer und immer wieder auf die harte Abgrenzung und die Suggestion geistiger Überlegenheit durch formelle Ausübung eines solchen Glaubens stößt, hat, wie allseits bekannt, erhebliche Kompatibilitätsprobleme mit den sie aufnehmenden Kulturen. Und dies sind ja nicht die einzigen Probleme – es sind auch Gewalt und Lernschwierigkeiten, die statistisch überdurchschnittlich nachgewiesen und zählebig sind. Moslems hätten an diesen Problemen ihrer Gemeinschaft (die sich sehr eindeutig als solche versteht), zu arbeiten. Und es bringt nichts, hier zu lavieren und zu relativieren. Ihre eigene Denke würde sonst immer an erster Stelle diese spirituelle Überlegenheit beanspruchen. Diese wird allerdings durch die Gewalthöllen der innerislamischen Konflikte, die bestürzend schwachen Resultate in industrieller oder geistiger Produktion der betreffenden Länder Lügen gestraft. Was dem moslemisch erzogenen Schulversager am Ende bleiben muss, ist ein psychopathologischer Rückzug auf eine Religion mit sehr simplen Lehrsätzen. Neben lebensspendenden einfachen Richtigkeiten ist es eben auch die fundamentale Negation bis zur physischen Vernichtung des Anderen, und sei es noch des Moslems der anderen Tradition (Sunna / Schia). Was hier außer Familiensinn, der stattfindenden Erzeugung biologischen Nachwuchses und der Nahrungszubereitung jenseits industrieller Fertigprodukte zu lernen wäre, hat sich mir leider bisher nicht erschlossen. Und Menschen an der Position Carolin Emckes hätten dies deutlich zu machen, statt die notwendige Konsequenz aus ihren eigenen Ansichten allein angeblich ‘rechte’ Islam-Kritiker aussprechen zu lassen. Wir alle wissen, dass dies Risiken an Leib und Leben mit sich bringen kann – was vor jeder “Toleranz” von Intoleranz unmissverständlich anzusprechen ist.
In ihrem persönlichen Fall gilt dies umso mehr, als sie für sich offen bekennt:
Ich bin homosexuell und wenn ich hier heute spreche, dann kann ich das nur, indem ich auch aus der Perspektive jener Erfahrung heraus spreche: also nicht nur, aber eben auch als jemand, für die es relevant ist, schwul, lesbisch, bisexuell, inter*, trans* oder queer zu sein.
Das oben stehende Zitat zeigt, dass nicht-reproduktive Sexualität zu dem gehört, was Moslems noch am wenigsten zu akzeptieren bereit sind. Im Alltag spielt dies bekanntermaßen bisher eine geringe Rolle. Aber jeder politisch denkende Mensch muss natürlich fragen, was aus dieser und anderen Haltungen für eine hiesige Zivilgesellschaft resultiert. Sie kann sich das auch zu homosexuellen Extremismen fragen, aber das ist ein anderes Thema. Von einem Homosexuellen, der andere wegen ihrer Heterosexualität körperlich angreift, habe ich jedenfalls noch nicht gehört.
Und dies ist ein weiterer neuralgischer Punkt der ideologischen Konstruktion von Emckes Rede: Schon bis zu diesem fortgeschrittenen Punkt ist ihr Gestus der einer abstrakten Würdigung von Zugehörigkeit, dabei aber deren mehrfacher, nicht weiter ausgeführter Relativierung und Pluralisierung. Sie stellt damit auch – was nun noch genauer zu befragen ist – ex- und implizit Forderungen an die hiesige Gesellschaft, die Integration von Anderen betreffen, und macht ebenso ex- und implizit Aussagen oder auch Nicht-Aussagen über den Status dieser Anderen.
So zeigt es sich textchronologisch gleich an der nächsten für mich zitierwürdigen Stelle, wenn Emcke ihr Lesbischsein reflektiert:
Als sei die Art wie wir lieben für andere bedeutungsvoller als für uns selbst, als gehörten unsere Liebe und unsere Körper nicht uns, sondern denen, die sie ablehnen oder pathologisieren. Das birgt eine gewisse Ironie: Als definierte unsere Sexualität weniger unsere Zugehörigkeit als ihre. Manchmal scheint mir das bei der Beschäftigung der Islamfeinde mit dem Kopftuch ganz ähnlich. Als bedeutete ihnen das Kopftuch mehr als denen, die es tatsächlich selbstbestimmt und selbstverständlich tragen.
Vielleicht kommen wir hier einem psychologischen Komplex geradezu beängstigend nahe. Aber Carolin Emcke bietet uns das als öffentliche Rede ja nun an …
Ihre Betrachtung des Themas Zugehörigkeit betreffs von Nationen und Religionen entspricht in ihrer eigenen Erfahrung also einem sexuellen Anderssein und der Frage, wie dieses Verhältnis – in diesem Fall zu stark mehrheitlichen heterosexuellen – sozialen Umfeldern zu definieren und zu gestalten sei.
Ein Problem besteht dabei in dem schon Genannten: Homosexualität ist keine religiös definierte Ideologie, die ganze Staatswesen prägte und Radikalisierte zu Terrorismus und Krieg anleitete. Homosexualität hat in der Menschheitsgeschichte für die sie Ausübenden oft zu gewaltsamer Verfolgung durch Mehrheiten geführt. Und das ist ein für mich ebenso verblüffender wie bedenklicher Punkt: Emcke kehrt also Täter- und Opferrollen um – sogar zu Ungunsten der eigenen sexuellen Minderheit. Wie zu Beginn im Fall einer jüdischen (Sprach-)Tradition, sucht sie nun die Solidarität mit einer Minderheit und – durch Ausgrenzung – teilweise viktimisierten Gruppe der Moslems in westlichen Gesellschaften.
Dabei betont sie im Übrigen das leidige Kopftuch-Thema, das nun keineswegs so brenzlig ist wie familiäre und kriminelle Gewalt oder mangelnder beruflicher Erfolg in Industriegesellschaften. Letztere sind nämlich eindeutig nachgewiesen, setzen dabei das Gegenüber unter unausweichlichen Rechtfertigungsdruck und bringen nicht selten die Kommunikation mit Betroffenen wie auch ihren nicht-moslemischen Fürsprechern gänzlich zum Scheitern. Dies abzubilden, erfordert ebenso Komplexität wie eine kraftzehrende Beharrlichkeit in der Verteidigung rechtsstaatlicher und kultureller Grundsätze – deren Vertretung leider auch von einem biologischen Fortbestand ihrer Vertreter abhängt. Sonst wird es immer weniger Menschen geben, die dies für notwendig halten. Und selbst die wenigen Überläufer aus dem Islam bieten für eine solche kulturelle Kontinuität echter Errungenschaften bisher keine Garantie. Sie könnten selbst entweder der Repression eines erstarkenden Islamismus ausgesetzt sein und/oder eine Rückbesinnung auf diese andere Tradition durchlaufen.
Emcke kommt dann zu ihrer wohl zentralen Botschaft:
Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird. Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen. Das ist der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft.
Hier im Blog wurde schon etliche Male auf Aussagen, logische und praktische Probleme des Universalismus hingewiesen. Aber für Carolin Emcke und die vielen anderen besteht ja keine Notwendigkeit, sich dazu diskursiv zu verhalten. Man wiederholt – eher rituell und damit wohl religiösen Praktiken verwandt – liebgewonnene und wohlklingende Scheinweisheiten. Sie sind gänzlich dem Vorwurf entzogen, man sei ein Menschenfeind (und deshalb bei unaufgelösten Selbstwidersprüchen Teil eines eher narzisstischen Komplexes bei gleichzeitiger Erwartung der Bestätigung durch Gleichgesinnte und jene, mit denen man sich einseitig solidarisiert); ebenso aber der kritischen Fragen, derer es in einem “herrschaftsfreien Diskurs” bedürfte. (Emcke erwähnte in der gesprochenen Rede sogar wiederholt ihren Preisträger-Vorgänger Jürgen Habermas.)
Es bestreitet doch bis auf ein paar hoffnungslose Fälle niemand den Sinn von Menschenrechten. Schon die Aussage “Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden” ist jedoch Nonsens. Muss ich das erklären? Einem Publikum in der Frankfurter Paulskirche, das dabei weder reihenweise hustet noch dazwischenruft, doch offensichtlich schon. Natürlich fangen die Verteilungsprobleme schon im Sandkasten an. Die Kriege, aus denen Emcke berichtet hat, gehen ebenso vielfach auf solche zurück. Natürlich werden analphabetische Zuwanderer in Deutschland ein noch wachsendes Problem in Sozialsystemen, die Leistungen gewähren, zu deren Finanzierung weder sie noch ihre Angehörigen irgendwann beigetragen haben – und vielleicht nie ausreichend beitragen werden. Nie ist in solchen Kontexten von Gegenseitigkeit und Pflichten die Rede (“müssen nicht verdient werden”). Und manche krasse Szene aus der Erstaufnahme für Flüchtlinge, wie sie durchaus glaubwürdig berichtet wird, zeigt dann auch Folgen dieser Ideologie und Einseitigkeit – wenn angeblich Schutzbedürftige auf teils sogar brutale Weise Leistungen und noch mehr Leistungen einfordern. Wieviel und in welcher Ausprägung solcher Mentalitäten in marginalisierten und gescheiterten sozialen Gruppen existieren und weiter eskalieren, ist ein großes Tabu der linksorientierten Presselandschaft – auch ein praktisches Problem der Berichterstattung aus privaten Bereichen und über Menschen in prekären Lagen. Am vorläufigen Ende solcher Entwicklungen oder angeblichen Integrationen steht wohl nicht selten die arbeitslose Existenz, ein Fernsehprogramm voller Luxusbilder und Kriminalität allein, um solche Wunschträume jemals zu erfüllen. All das wären Aspekte einer vielgestaltigen Realität, die einzufangen Emcke in hier noch folgenden Zitaten ihre Zunft mahnt.
Dabei kommt sie zu der Aussage, es sei “jede und jeder relevant”. Nach meinem Eindruck ist dies ein weiteres Beispiel, wie ein emanzipatorischer und egalitärer Diskurs sich verselbständigt und in die Irre geleitet wird. Es gehört zu den strukturellen Problemen unserer Öffentlichkeit, dass in der Abkehr von sog. ‘traditionellen’ und ‘konservativen’ Argumenten in einer sog. ‘postmodernen Beliebigkeit’ kaum noch verallgemeinerbare Kriterien entwickelt und vermittelt werden. Es ist eine Binsenweisheit der von Emcke als Populismus attackierten Gegenöffentlichkeit, dass wir mittlerweile in einer “Herrschaft der Minderheiten” (“Conservo”, 01.06.2015) leben. Populismus ist dies aber nicht, wo es zutrifft, und die im verlinkten Artikel zitierte Aussage von Renate Künast (“Integration fängt damit an, daß Sie als Deutscher mal Türkisch lernen!”) ist ein Beispiel für Umkehrung von Gleichberechtigung in Übervorteilung. Man stelle sich das umgekehrte Szenario mit einem Deutschen in der Türkei vor. Irrt man in der Auffassung, dass jeder typische Grüne dies als Chauvinismus und Nationalismus ächten würde? – Dies sind ernste Fragen, denn Vertreterinnen wie Künast disqualifizieren sich damit schlussendlich für die verantworliche Teilnahme an der Leitung eines Gemeinwesens. Ihre inhaltliche Denkstörung ist damit erwiesen und von kritischer Berichterstattung allen Wahlberechtigten darzustellen. Geschieht dies nicht, liegt ein Versagen journalistischer Organe vor, das ebenfalls nicht ohne Folgen bleiben kann, sondern zur Schulung oder Umbesetzung des betreffenden Personals führen muss. Politisch ist dann zu klären, wer diesen Prozess organisiert. Wie wir sehen, gibt es eigentlich viel zu tun, das wesentlich wichtiger ist als vieles andere, für das sich hierzulande aber wesentlich leichter eine Finanzierung finden lässt. Warum?
Ähnliches gilt für selbstverstärkende Prozesse in der schönen neuen Medienwelt. Wie ich im begleitenden einleitenden Kommentar bemerkte, erscheint dieser Artikel nur, weil es das Internet gibt. Zugleich zerstört dies freilich Erwerbsmodelle, die die Voraussetzung mancher Arbeitsweisen sind. Und die oft erwähnte filter bubble führt leider auch dazu, dass verschiedene Alters- und Zielgruppen einem nicht selten dürftigen oder inhaltsleeren selbstgemachten Programm von ihnen gewissermaßen barrierefrei genehmen Identifikationsfiguren den Vorzug geben und sich nicht mehr an begründeten Autoritäten orientieren (an denen es vielleicht auch zunehmend und aus verschiedenen Gründen in der konventionellen Medienproduktion mangelt). Die humanistisch wirkende Doktrin Emckes, es sei “jede und jeder relevant”, ist für mich eher ein ungutes Beispiel für die willkürliche Ausdeutung von Rechten ohne Pflichten oder Nachweise von Fähigkeiten. Auch als Gegenstand von Berichterstattung haben Trivialmedien seit Einführung des Privatfernsehens immer mehr Gestalten ausersehen, die ihre Betrachter allenfalls in einen Abgrund von Irrtum und Dummheit ziehen, statt sie zu fördern. Und Letzteres wird dann noch scheinheilig als Notwendigkeit für die Integration von Zuwanderern bei jeder Gelegenheit herumposaunt, während viele Tendenzen in Bildungswesen und Medienproduktion eine Abwärtsspirale sind – zumindest in den erkennbaren Präferenzen von Nutzern, deren neuen Idolen leistungslos erreichbare Prominenz und Ehrwürdigkeit eingeredet wird, während sie sich selbst allenfalls blamieren, wenn nicht anderen schaden.
Das meiste, was ein einzelner Mensch ist und tut, ist für die meisten anderen eher irrelevant. Dies verdrehen vermeintlich demokratisierte Medien in ihrer heutigen Form ebenso wie die Auffassung von Menschenrechten, die ohne Rücksichten auf erarbeitete Ansprüche, die praktische Wahrung rechtsstaatlicher Standards und die sinnvolle Selbstorganisation von Menschengruppen verschiedener Definitionen und Größen proklamiert werden. Es hört sich gut an, ist aber weder logisch begründet noch praktisch umsetzbar. In diesem und vielen anderen Fällen ist es so gut wie das Einzige, was deutschen Institutionen und Gremien als ‘preiswürdig’ gilt. Jenseits dessen beginnt für Vertreter dieser Praxis bald die Nazi-Zone mit ihren rhetorisch nutzbaren Prügelknaben.
Was die Linke hier fortgesetzt nicht bemerkt, ist wohl auch ihre Instrumentalisierung durch Eliten. Diese benutzen beizeiten gesellschaftliche Effekte aus Gleichmacherei und alternativen Lebensentwürfen. Sie rüsten deren Vertreter zu einem indirekten propagandistischen Organ hoch, das alle anders gestimmten politischen Kräfte über Massenmedien übertönt und verdrängt. Die beste Tarnung ist, dass dies als die letztgültige Erfüllung von Worthülsen der Gleichheit, Freiheit oder auch von Menschenrechten dargestellt wird. Nun also leistet der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels dazu Beihilfe.
Es folgt in Emckes Rede eine weitere Konfusion von menschlichen Situationen des Anders- oder Ausgegrenztseins:
Die Freiheit, etwas anders zu glauben, etwas anders auszusehen, etwas anders zu lieben, die Trauer, aus einer bedrohten oder versehrten Gegend oder Gemeinschaft zu stammen, den Schmerz der bitteren Gewalterfahrung eines bestimmten Wirs – und die Sehnsucht, schreibend eben all diese Zugehörigkeiten zu überschreiten, die Codes und Kreise in Frage zu stellen und zu öffnen, die Perspektiven zu vervielfältigen und immer wieder ein universales Wir zu verteidigen.
Da wird der Universalismus dann wörtlich im Adjektiv angesprochen. Was dieses “universale Wir” wohl sein mag? In den von mir kontrastierend erwähnten und mit Berichten verlinkten sozialen Realitäten zeigt sich jedenfalls, dass es nicht gerade allgegenwärtig ist. Es muss sich doch jeder einmal ehrlich fragen, wo ihm dergleichen in seinem Leben jemals begegnet ist. In der Familie? In einer Schulklasse? In einer Firmen-Belegschaft? In einer Partei? Einem Sportverein? – Dort, wo es um Spiel und Spaß geht, wohl noch am ehesten. In der Familie, wie sie sich in Deutschland gestaltet, wohl nicht einmal so zwingend. In zu über 40 % geschiedenen Ehen jedenfalls nicht. Im Weltmaßstab, mit mächtigen geldgierigen Spekulanten, Geheimdienst-Kraken, gedopten kriegerischen Islamisten, endzeitlich gestimmten Jüdisch-Orthodoxen und subventionierten christlichen Schönfärbern und Tagträumern dann aber schon? – Sollte man nicht lieber im Kleinen einmal sehen, ob man es dort überhaupt hinkriegt – und geht das zeitgleich mit Willkommenskulturen für jeden, der einen in eine Debatte über seinen Gott und seine eigenen vielfältigen Probleme von mancher Art hineinzieht, die mehr noch frühere als heutige Generationen in Deutschland selbst unter großen Entbehrungen bis zum Verlust des eigenen Lebens ausbaden mussten, bis endlich tragfähige Strukturen für viele erarbeitet waren? Dies widerspricht wohl schon jeder Erfahrung in der individuellen Erziehung. So verheißungsvoll das “universale Wir” klingt, so organisch müsste es wachsen – und kann nicht als Kaninchen aus einem Hut springen.
Und was, bitte, bedeutet “die Perspektiven zu vervielfältigen”? Fast alle großen TV-Sender und Zeitungen sind heute einem Spektrum von linksextrem bis gemäßigt konservativ zuzuordnen. Alles, was von Emcke in der Rede dezidiert als das “Völkische” kritisiert wird, ist von diesem Mainstream einer angeblich rückwärtsgewandten, dem ‘Nazitum’ manchmal ‘gefährlich nahen’ Ideologie zugeordnet. Die Perspektiven wurden 1968ff. stark vervielfältigt hin zu Berichten aus aller Welt, zur Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und dem “Kapitalismus”, zur respektvollen, affirmativen bis emphatischen Auffassung von Lebensentwürfen jenseits der Norm.
Das, was in dieser gewandelten Kultur zunehmend abhanden zu kommen scheint, ist das, was nicht selten eigentlich demokratisch mehrheitsfähig ist. Davon profitieren die sog. Populisten, indem sie betreffende Themen aufgreifen. Dies sind aber sind keine Fiktion und keine realitäts- oder lebensfremde tendenziöse Ideologie: erhöhte Kriminalitätsraten und mangelnde Integrationsbereitschaft von Zuwanderern (in Deutschland, im Gegensatz dazu in reduzierten Sozialstaaten etwa der USA als harte Forderung selbstverständlich); nicht-heterosexuelle Lebensweisen, die zwar statistisch äußerst randständig sind (höchstens 1-3 % homo- oder bisexuell), aber zum ‘gleichberechtigten’ Thema einer Sexualerziehung werden sollen und von Eltern nicht mehr selbstbestimmt für ihr Kind gewählt werden können usw.
Zur Vielfalt der Perspektiven gehört auch ihre qualitative und quantitative Angemessenheit. Der aufmerksame Betrachter von Geschichte und Gegenwart ist kein Leugner der Ausgrenzung und des Leides etwa von Juden. Er kennt gleichwohl auch andere Radikalismen und Brutalitäten als jene deutscher Nationalsozialisten. Ich selbst habe zuletzt Bücher zu Machtpolitik und dem Fallbeispiel Hitler Bücher vorgelegt, die eine echte Differenzierung und Erweiterung bisheriger Erklärungen und Bewertungen darstellen. Die Realität ist in großen Verlagen und Redaktionen jedoch meistenteils das Verklappen der Manuskripte beim näheren Hinsehen teilweise fragwürdiger Autoritäten sowie der zum Kauf anleitenden Rezension von Neuerscheinungen der eigenen zahlenden Anzeigenkunden aus der Verlagsbranche. All das wären Gegenstände für kritische journalistische Berichterstattung oder auch Wissenschaft, Anlässe merklichen kulturellen Wandels hin zu einer Demokratie, die etwas weniger Worthülse ist. Sie sind es nicht. Der Rest sind Formen geistiger, organisatorischer und wirtschaftlicher Korruption. Wer diese Gesamttendenzen und ihre tieferen Ursachen schaut, sieht für Deutschland durchaus die Gefahr eines herbeigeführten Niedergangs im Interesse eines von den Ausführenden wohl nicht immer durchschauten geopolitischen Projekts.
Alles Letztgenannte ist natürlich nicht das, was Emcke mit “die Perspektiven zu vervielfältigen” meint. Nur – was dann? Noch mehr Berichterstattung und Sympathiewerbung für sexuelle Randgruppen? Noch mehr wirkungslose Hinweise darauf, dass für das Smartphone-Display Afrikaner ungeschützt mit Giftstoffen hantieren (aber ohne Beantwortung der Frage, was sonst ihr Schicksal wäre)? Noch mehr Suggestionen, dass in China genähte Turnschuhe zur Solidarität auch mit jedem Kriegsflüchtling verpflichten, dessen Identität nur nachlässig überprüft wird? Noch mehr Finanzkrisen-Berichte ohne ein Wort über Geldschöpfung und die eigentlich relevanten Personengruppen des Finanzsystems? Noch mehr Klagen über Kriege, deren geopolitischer und konspirativer Überbau nur von jenen erklärt wird, die umsonst im Internet veröffentlichen und anschließend von gebühren- oder abofinanzierten Privilegierten als Nazis herabgewürdigt werden, während deren Stammpublikum auf den nächsten Obama hofft?
Dann folgt bei Emcke die nächste gefährliche Konfusion verschiedener Phänomene, die im wesentlichen einer links gefärbten Wertungstendenz dient:
Zur Zeit grassiert ein Klima des Fanatismus und der Gewalt in Europa. Pseudo-religiöse und nationalistische Dogmatiker propagieren die Lehre vom „homogenen Volk“, von einer „wahren“ Religion, einer „ursprünglichen“ Tradition, einer „natürlichen“ Familie und einer „authentischen“ Nation. Sie ziehen Codes und Begriffe ein, mit denen die einen aus- und die anderen eingeschlossen werden sollen. Sie teilen willkürlich auf und ein, wer dazugehören darf und wer nicht.
Alles Dynamische, alles Vieldeutige an den eigenen kulturellen Bezügen und Kontexten wird negiert.
Zunächst: Was sind dieser “Fanatismus” und diese “Gewalt”? Einzig in Deutschland war nach 1945 Patriotismus weitgehend ein Schimpfwort. Ist jeder Bezug zu einem Land, in dem man geboren wurde und in dem man lebt, schon “Fanatismus”? Ist der in Deutschland etablierte Modus einer weitgehenden Aufgabe von Nationalbewusstsein als solcher prinzipiell erfolgreich und für Deutsche als Betroffene alleinig wünschbar – oder was sind dabei die konkreten Pros und Contras? Womit sollen sich Menschen denn überhaupt identifizieren? Ist “Tradition” per se schlecht und was anderes kann sie sein als etwas, das auch das Bewusstsein für vergangene Ursprünge wachhält? Was kann überhaupt noch “natürlich” und “authentisch” sein und was bedeutet es, solche Kategorien zu negieren? (Manche tun dies durchaus – ob die Diskussion solcher Positionen ausreichend ist, sei erstmal dahingestellt.)
Die angesprochene Konfusion besteht in der Adressierung an eine allgemein als ‘kritisch’ oder angespannt eingestufte soziale Lage. Im direkten Übergang suggeriert die Rednerin, dass das “Klima des Fanatismus und der Gewalt” auf “nationalistische Dogmatiker” zurückzuführen sei. Sie meint damit offensichtlich zum einen neurechte Parteien und Publizisten. Keine Erwähnung findet, dass diese größeren Zuspruch erfahren, weil sie als einzige Ängste artikulieren, die durch unkontrollierte Massen-Zuwanderung hervorgerufen sind und die eine christlich-demokratische, dem Konservatismus zugerechnete Kanzlerin zunächst mit einer bedingungslosen Aufnahme aller Ankommenden beantworten wollte. Fanatismus und Gewalt sind an erster Stelle sicherlich den Akteuren jener Kriege zuzuschreiben, vor denen ein Teil der Flüchtlinge geflohen ist (und über deren Entstehung und Verlauf ich hier nicht ausführlicher argumentieren kann). “Gewalt” wird also zunächst in den Kriegen der islamischen Welt ausgeübt, wobei man über die Rolle von NATO und den Großmächten USA und Russland im Einzelnen reden muss. Gewalt und das Risiko zunehmenden islamistischen Terrors auch in Deutschland wurden durch die Pariser und Brüsseler Anschläge und glimpflich verlaufene Fälle in Deutschland (manipuliert oder nicht) deutlich. All dies wäre zunächst anzusprechen, bevor man “ein Klima des Fanatismus und der Gewalt in Europa” sog. “nationalistischen Dogmatikern” unterstellt. Sind da die Zuhörer von Christoph Hörstel, den man auf Hartz IV gesetzt hat, nicht durchaus weiter?
Emcke prononciert nicht ihre formell eingehaltene Einbeziehung auch eines moslemischen Fundamentalismus in diesen Begriff von Ausgrenzung Anderer (“‘wahre’ Religion”). Und wieder sind wir bei einer merkwürdigen impliziten Ineinssetzung, die Verständnis und Bewertung eher erschwert – nun von moslemischen Störern einer demokratisch-liberalen Ordnung und der vermeintlich überreagierenden deutschen Nationalisten.
Der Rest des vorigen Zitats ist typischer Soziologen-Jargon angeblicher Gruppendynamiken, zu denen auch die Gegenfrage zu stellen ist: Was sind denn überhaupt Alternativen zu Aus- und Einschließung? Ist die Forderung ein radikaler Kommunismus, der Besetzung und Aneignung von allem durch jeden Beliebigen fordert? Was ist denn die so ausgedrückte Haltung zu Eigentumsrechten und auch deren Erweiterung in die Raum- und Sozialpolitik einer Organisation, die sich “Staat” nennt und bisher stets über Grenzziehungen, verbindliche Gesetze und Staatsbürgerschaften definiert war?
Emcke gaukelt vor, hier über richtig und falsch allein schon entschieden zu haben und urteilt alternative Haltungen dazu ab, ohne aber ihre eigene Alternative annähernd klar zu definieren. Typischerweise für fragwürdige ideologische Konstruktionen spiegelt sie unkommentiert das, was sie der Gegenseite vorwirft: “Sie teilen willkürlich auf und ein, wer dazugehören darf und wer nicht.” Die von ihr diffamierten Begriffe von Volk, Tradition, Familie, Nation scheinen für sie keineswegs auch nur noch verhandelbar zu sein. Sie sind, ganz gemäß einem linksgrünen Teeküchen-Gestus, äh-bäh, sowas von gestern, Nazi halt, weißte.
Carlin Ehmkes Doktorarbeit “Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen”, 2000, dürften die meisten Zuhörer Emckes wohl ebensowenig wie ich gelesen zu haben. Sie übersteigt aktuell mein Recherche-Pensum für diesen Artikel. – Eine Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses bestätigt vorläufig meine Vermutung, dass Emckes Expertise über Fragen nationaler Identität, Migration und Integration auf einen Theoriebaukasten linker Prägung zurückgreift. Ich kopiere hier einmal ihr Resümee zu Will Kumlycka ein, ein von hier öfter zitierter Autor zum Begriff “Gruppen-Identität” (“Kollektive Identitäten”, S. 53):
Wo es aber zu Nation oder Familie konkrete Definitionen und Sinngehalte aufzuführen gibt, votiert Emcke für “[a]lles Dynamische, alles Vieldeutige”, dass von Reaktionären “an den eigenen kulturellen Bezügen und Kontexten […] negiert” werde. Es dürfen also alle ‘Deutungen’ sein, nur nicht national-konservative – und … ja nun, welche? Wird nun durch einen Transgender-Michel die ‘Dynamik’ unserer Kulturlebens endgültig sichergestellt? Hilft uns das beim Umgang mit einem erzkonservativen Islam, den Kriege in seinen Heimatländern verstärkt nach Europa drängen?
Es ist – wie nicht selten in der Kulturwissenschaft unserer Tage – eigentlich eine hohle Werbesprache, die mit buzzwords wie dem “Dynamischen” und “Vieldeutigen” arbeitet, bei jeder echten Pluralität aber selbst solche Abgrenzungsgefechte beginnt, wie Emcke sie einseitig gegenüber ‘Nationalen’ und ‘Völkischen’ durchführt. Es mag schon sein, dass ein starker Bezug zum Volksbegriff notwendig Ausschließungen vornimmt. Wie beschrieben, verfährt die Abgrenzung zum Völkischen im Prinzip genauso. Unter ihrer Regenbogenfahne steht Emcke dann bisher mit etwa 3 % der Bevölkerung, die homosexuell sind. In ihrer Rede wirbt sie erkennbarerweise um jene, die sich an jedem Ort etwas anders “kurdisch […] oder polnisch oder palästinensisch”, “jüdisch oder protestantisch oder muslimisch” fühlen. Die Worte “Christ” oder “christlich” kommen in ihrem Redentext überhaupt nicht vor.
Dann folgt noch der unvermeidliche Refrain vom Opferstatus. Alle Deutschen aller Zeiten haben ja nicht nur “die Juden” in die Gaskammern getrieben, sondern auch noch zahlreiche Türken zur Einwanderung nach Deutschland gezwungen. Neuerlich luden sie Schuld auf sich – nun dadurch, dass sie die Neubürger ausgrenzten. Ich habe derlei in 40 Jahren Leben im Ruhrgebiet nicht bemerken können; allenfalls, dass in meiner Generation zwei von hundert Schülern eines Jahrgangs im Gymnasium Türken waren. Ich erinnere keine Feindlichkeiten, erst recht nicht gegenüber diversen anderen Herkünften, die durch Aussehen oder Namen unauffälliger sein mögen. Es ist vollkommen klar, dass es gerade gegenüber Orientalen auch zu Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt kommt – sie können mal sinnlos sein, manchmal auf konkreten Erfahrungen mit einzelnen oder mehreren Personen beruhen. Auch das gehört zur Pluralität der Wirklichkeit – nicht nur, jeden vorbehaltlos dufte zu finden, weil er keine in Deutschland ansässigen Vorfahren hat. – Ich schwäche mit Letzterem einmal so manche mir zugetragene Erfahrung ab, die die weitgereiste Emcke offensichtlich nie selbst hatte oder zu hören bekam:
Jahrzehntelang hat diese Gesellschaft geleugnet, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, jahrzehntelang wurden Migrantinnen und Migranten als „Fremde“ angesehen, nicht als Bürgerinnen und Bürger, jahrzehntelang wurden sie behandelt als gehörten sie nicht dazu, als dürften sie nichts anderes sein als Türken – und jetzt wirft man ihnen vor, sie wären nicht deutsch genug und besäßen noch einen zweiten Pass?
Auch beliebt sind die Diversitäten der eigenen Familie als Argument für eine generelle Zurückweisung jedweder national definierbaren Schutz- und Regulierungsmechanismen. Emcke sagt in diesem Fall:
Mehrsprachig waren und sind alle.
Ich rufe dazu stets in Erinnerung, dass auch bei vielen Deutschen mit Abitur oder Uni-Abschluss die Bereitschaft zum Lesen englischer Texte durchaus eingeschränkt ist. Aber das ist vielfach keine primäre praktische Notwendigkeit. Wer möchte, kann das ausbauen. In migrantischen Milieus wurden in den letzten Jahren sogar Abwärtstrends in der Sprachkompetenz vermerkt. Was Emcke an ihrer eigenen Familie lobt, müsste sie also von anderen, ob Migranten oder nicht, wie selbstverständlich fordern – und sie müsste Defizite kritisieren. Dies ist typisch für eine Ankündigungsrhetorik der Integration und des Spracherwerbs, der im Deutschen bekanntlich noch etwas mühsamer ist als im Englischen. Auch zu Sprachen der Herkunftsländer bestehen gravierende Unterschiede. Was in jedem Linguistik-Kurs selbstverständlich ist, will man hier oft nicht einmal wahrhaben: dass die Sprache das Denken prägt.
Es geht weiter mit einem nun plötzlich staatstreuen Pathos, dass hiesige Errungenschaften gutheißt – aber offensichtlich mit den zuvor angemahnten radikalen ‘Neuerungen’, ‘Öffnungen’ und ‘Pluralisierungen’ in völligen Einklang bringen zu können glaubt:
[A]lle, die die Brüche der Gewalt und des Kriegs miterlebt haben, alle, denen die Furcht vor Terror und Repression unter die Haut gezogen ist, wissen doch um den Wert stabiler rechtstaatlicher Institutionen und einer offenen Demokratie. Vielleicht sogar etwas mehr als diejenigen, die noch nie darum bangen mussten, sie zu verlieren.
Sie wollen uns einschüchtern, die Fanatiker, mit ihrem Hass und ihrer Gewalt, damit wir unsere Orientierung verlieren und unsere Sprache. Damit wir voller Verstörung ihre Begriffe übernehmen, ihre falschen Gegensätze, ihre konstruierten Anderen – oder auch nur ihr Niveau.
Wieder die mit erwartbarer Zustimmung versehene Ablehnung der “Fanatiker”, die offensichtlich nicht an erster Stelle in Hasspredigern einer bestimmten theologischen Tradition zu sehen sind, sondern in … ja, wem eigentlich? In Björn Höcke, der übermäßige Vermehrung mit übermäßiger Vermehrung gleichsetzte? – An Simplifizierungen ist die politische Arena nicht arm. Pluralität hieße auch, sie auf mehreren Seiten auszuhalten und abzugleichen – nicht nur eine bestimmte Pluralität, einseitig bestimmt (oder von mehreren Seiten, die in Wirklichkeit eine sind), nicht unter Einbeziehung aller ‘Anderen’. Die eigene Hassrede vom angeblichen “Fanatiker” hilft da wenig. Fanatismen gibt es im Neoliberalismus oder Multikulturalismus ebenso. Auch sie scheitern immer wieder an Wirklichkeiten, ob wirtschaftlichen, sozialen oder natürlichen. Man liest es für linke Projekte nur nicht so deutlich in der “taz”.
Was “falsche Gegensätze” und “konstruierte Andere” sind, ahnt man (In- vs. Ausländer; kriminelle Ausländer). Weiter oben habe ich dazu schon inhaltlich argumentiert. “Niveau” ist allerdings ein dehnbarer Begriff. Wer einmal mit Bewusstsein die mehreren Hektar Zeitungsseiten gelesen hat, die die hiesige Qualitätspresse dem “Motörhead”-Sänger Lemmy Kilmister widmete, wird über das “Niveau” eines nun durch Neurechte bedrohten goldenen Zeitalters gelingender kultureller Selbstgewisserung vielleicht nicht so todesmutig streiten wollen. Noch Typen, die vollgekokst ohne Reue Menschen totfahren und Fahrerflucht begehen, bieten unsere Käseblätter bereitwillig ein Podium, wenn die Plattenfirma ruft. Nur ein Patriot (der nicht so tumb und unerträglich grölt wie Nazi-Chic-Rockbands), der ist echt böse und gehört totgeschwiegen. “Wow. So sieht es also aus dieser Perspektive aus”, beginnt und schließt Carolin Emcke ihre Rede. Dies kann jeder für sich ausdeuten – und ich würde hier natürlich zustimmen. Es ist eine Erfahrung, die sich jeden Tag aktualisiert. Allerdings um vieles, was in einer solchen Rede nicht erwähnt oder pauschal verdammt wird, auf dass sich nie jemand damit beschäftige, der auf Seiten einer angeblich siegreichen ‚neuen Normalität ohne Normen‘ stehen wolle.
Dass es Tendenzen zur Verrohung gibt, inner- wie weltgesellschaftlich, finde ich korrekt bemerkt, …
Wir können sprechend und handelnd eingreifen in diese sich zunehmend verrohende Welt.
Dazu braucht es nur Vertrauen in das, was uns Menschen auszeichnet: die Begabung zum Anfangen.
… aber neben der notwendigen Vitalität unausgesetzten Anfangens gibt es noch gegenläufige Tendenzen – nicht zuletzt in den von Emcke angesprochenen soziokulturellen Zusammenhängen.
Wir können immer wieder anfangen, als Individuen, aber auch als Gesellschaft.
Wir müssen das versuchen, wo es nötig und möglich ist. Allerdings gibt es Limitationen. Wer anfängt, in eine Krankenkasse einzuzahlen oder es erst gar nicht tut – darf der schon anfangen, ihre Leistungen in Anspruch zu nehmen? Und wieviele dürfen das? – Wer darüber entscheidet, macht sich im derzeitigen politischen Klima voraussichtlich keine Freunde. Es wird sich auch zeigen, ob Angela Merkels “Deutschland wird bunter”-Weisheiten um 2040 sozialen Frieden und bezahlbaren Zahnersatz in Deutschland eher befördert oder gefährdet haben.
Gerade beim Thema Flüchtlinge ist die Rede von stets möglichen Anfängen doch kein adäquater Zugang. Ein Mensch, der nicht früh und effektiv eine Sprache lernt, hätte später größere Mühe. Ein einsprachiger Mensch lernt als Erwachsener, je älter er wird, umso schwieriger. Ein Mensch ohne Schulabschluss mit mangelnder deutscher Sprachkenntnis sieht einer Zukunft in der Sozialhilfe des aufnehmenden Landes entgegen, meist wohl wenig mehr. Wer als Immigrant so eine seiner letzten Chancen verspielt, kündigt seinerseits die geforderte Solidarität auf. Es ist der tagesjournalistische Bericht, der dies anspricht – keineswegs nur in rechtsorientierten Medien:
Es sind schnöde, unangenehme und frustrierende Geschichten. Doch eine Theorie, die nicht auch von diesen abstrahiert, bildet diese nicht auf ihre notwendige, sondern auf gar keine Weise ab. Wer würde – wie im Buchtext von Emcke zu Kumlycka erwähnt – im Fall von Integrationsverweigerern noch von “Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechten” reden?
Carolin Emcke möchte hierzu optimistische Impulse geben. Auch das ist eine Leitidee unserer Zeit: keine Negativ-Informationen. Die Aussage “Wir können immer wieder anfangen” müsste man mit Inhalt füllen; verallgemeinert ist sie keineswegs zutreffend. Denn Geburten über 50 sind riskant bis unmöglich. Wie überalternde und/oder multikulturelle Gesellschaften überhaupt “anfangen”, oder ob sie in Chaos, Depression und Armut abdriften, muss ebenso Gegenstand des Dialogs sein.
[W]ir können verschiedene Geschichten zusammen weben und eine andere Erzählung erzählen, eine, die offener ist, leiser auch, eine, in der jede und jeder relevant ist.
Auch hier eine sympathische Formulierung, die sich innerhalb der Rede aber gelinde widerspricht. “Relevant” wäre für Emcke wohl jede Art unkonventioneller Sexualität, die über sich öffentlich Auskunft geben darf. Ein Bauer, der mit markigen Worten seine Scholle gegen andere verteidigt, würde als ‘faschistoid’ wohl kaum in diese Art von ‘Offenheit’ integrierbar sein, wie sie dementsprechend nur behauptet wird. Ist diese Offenheit vielleicht sogar in realer Konsequenz die Forderung, die Haltlosigkeit der einen müsse aufgrund eines universellen Gleichheits-Status zwangsläufig die der anderen sein oder werden, ohne Rücksicht auf irgendeine Historizität, wirksam und nachhaltig trennende Differenzen, andere Rechtsauffassungen oder praktisch gar nicht bestehende gemeinsame Vorgeschichten außer der, ein Mensch auf demselben Planeten zu sein?
Da ist jede und jeder relevant, alte Menschen und junge, die mit Arbeit und die ohne, die mit mehr und die mit weniger Bildung, Dragqueens und Pastoren, Unternehmerinnen oder Offiziere, jede und jeder ist wichtig, um eine Geschichte zu erzählen, in der alle angesprochen und sichtbar werden. Dafür stehen Eltern und Großeltern ein, daran arbeiten Erzieher und Lehrerinnen in den Kindergärten und Schulen, dabei zählen Polizistinnen und Sozialarbeiter so wie Clubbesitzer und Türsteher.
Kann es sein, dass hier Berufstypen wie Ingenieur, Wirtschaftswissenschaftler oder Software-Entwickler fehlen? Kann es sein, dass solche Menschen in ihren Bereichen schneller und deutlicher sehen, dass das, was nicht geht, nicht geht? Dass ein Budget begrenzt ist und es Naturgesetze gibt? Dass jemand, der Rechtschreibung nicht beherrscht, beim Programmieren Schwierigkeiten haben wird, weil jeder falsche Buchstabe ein Programm zum Absturz bringt? Dass in zunehmend komplexen, technisch und kognitiv anspruchsvollen Konstruktionen die Anforderungen an Werktätige eher wachsen als sinken? Dass einer generellen ‘Offenheit’ für Neues und multikulturelle Kooperation dann zugleich Überprüfbarkeit, einheitliche Standards, Verlässlichkeit und Genauigkeit gegenüberstehen müssen?
So haben wir an einem solchen Redentext Mittel rhetorischer Persuasion gesehen, die auch als Selbstvergewisserung der Autorin zu erkennen ist. Wer sich zwischen verschiedensten Diskursen bewegt, kann ideologische Konstruktionen als solche deutlicher identifizieren: Emcke sieht sich aus einer bestimmten Lebenserfahrung argumentieren und findet in linksliberal ausgerichteter Fachliteratur eine theoretische Rechtfertigung dafür, traditionelle und konservative Begriffe stark zu kritisieren und als Hauptursache von Konflikten und Folgeschäden auszumachen. Wie viele andere aktuelle politische Denkweisen beruht diejenige in einer solchen Rede auch in einer Viktimisierung von Minderheiten – eher unzulässig in Gleichsetzung einer konstanten sexuellen Minderheit und den weltweit milliardenfach vertretenen Moslems, die in ihrer Kultur gerade Minderheitenrechte ablehnen. Dies war einer von mehreren gravierenden Selbstwidersprüchen, die ich in einer solchen Argumentation sehe.
Carolin Emckes Rede ist also symptomatisch. Sie war mir ein Anlass, um bestimmte Argumentationslogiken zu beleuchten und an hier im Blog schon vielfach besprochene Sachfragen zu erinnern. Zur Rednerin kann man sich weiterführend auf ihrer Website informieren, etwa solche Videos schauen:
Streitraum: Kosmopolitismus und Menschenrechte von streitraum bei Vimeo.
Ich möchte mit meinem Kommentar diesen sehr ausführlichen und wichtigen Beitrag nochmals im Blog wenigstens in der Kommentarleiste etwas nach oben führen.
In Ihrem Beitrag werden wichtige Punkte angesprochen, zu denen ich noch folgendes hinzufügen würde:
1. die von C. E. angesprochene “Säkularisierung” als Wertgrundlage ist ein Wahrheit keine, da der Mensch keine materiellen bzw. weltlichen Quellen hat, sondern geistige Wurzeln. Es wird in den nächsten Jahrzehnten daher ausgesprochen wichtig sein, die Verblendung der Religion abzulegen und die universalen geistigen Wurzeln der Menschen zu lehren.
2. die Forderung nach “Menschenrechten” greift zu kurz, wenn nicht auch “Menschenpflichten” gefordert werden: Es gibt diese Forderung! https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenpflichten
3. jedwede philosophische Argumentation befindet sich auf einer schiefen Ebene, wenn nicht zuerst die Verblendung durch religiöse Aggression (siehe 1) sowie die systemisch immanente Ausbeutung im Kapitalismus (herrschendes Geldsystem) kritisiert wird.