#Facebook-Manager beichtet Cyberkrankheit
Sollte ich mich jemals gefragt haben, mit einem Begriff wie ‘Zerstörung des Lebens’ überzogene Medienkritik betrieben zu haben, so werde ich nun eines Besseren belehrt. Chamath Palihapitiya, ab 2007 verantwortlicher Manager für das Nutzerwachstum bei Facebook, beschuldigt sich nun selbst in heftiger Weise öffentlich:
„Die kurzen, von Dopamin gesteuerten Feedback-Schleifen, die wir kreiert haben, zerstören, wie die Gesellschaft funktioniert“, erklärt Palihapitiya mit Blick auf die Like-Kultur. Durch die Pseudo-Interaktion auf die geposteten Inhalte finde kein ziviler Diskurs und keine Kooperation mehr statt; stattdessen dominierten Fehlinformationen und Unwahrheiten. „Das ist kein amerikanisches Problem, auch kein russisches, sondern ein globales Problem“, stellte der 41-Jährige fest.
(Xing)
Ich hatte immer wieder daran gedacht, ein “Glotze fatal 2.0” über Computer, Mobilfunk und Internet zu schreiben. Auf der medienpsychologischen Ebene hat dies wohl Manfred Spitzer mit “Digitale Demenz” und “Cyberkrank” im Wesentlichen schon erledigt. Ich würde dabei natürlicher eher auf die inhaltliche Ebene gehen. Und da wäre es schon unterhaltsam, nur beispielhaft Typologien für Gedankenmüll zu erstellen, der sich neben vielem Interessanten und Nützlichen leider in größerer Menge in den Weiten des Netzes sammelt – und gerade jene trifft, die sich offensichtlich nicht selbst organisieren und wehren können.
Es ist noch schlimmer: Sie können nicht mal Leute bitten, ihnen dabei zu helfen.
Deshalb ist nach den vorliegenden Erfahrungswerten Palihapitiyas Äußerung auch nur ein vereinzelter Aufschrei, auf den nichts folgen wird. Wir werden mit den entsprechenden Konsequenzen wohl leben müssen und können uns derzeit logischerweise kaum ausmalen, wie sie sich gestalten werden. Den Vorgeschmack hatten wir bereits mit TV- und Computerspiel-Kids, die kognitive Fähigkeiten einbüßen und auch Nahbeziehungen bei Bedarf für Ballerspiele und Klick-Schaltflächen halten. Anders sind Programme, die sie selbst mittlerweile machen, ja kaum zu erklären.
Aber sicherlich wirken hier noch Interessen ein, über die man sich im Internet durchaus besser informieren kann als in “Qualitätsmedien”. Das ist einstweilen die letzte – allerdings sehr schwache – Hoffnung auf eine Selbstreinigung des Systems.
Mach wir nur so weiter. Lassen wir die Verantwortlichen auf ihren Pöstchen, verhindern wir, dass Botschaften ihre Empfänger erreichen, selbst, wo sie kostenlos sind. Über die diesbetreffenden – noch deutlich weiter reichenden – Mechanismen dürfte es in absehbarer Zeit keine solchen Podien geben, auf denen nun der Facebook-Mensch gebeichtet hat.
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