#Kulturpolitik der Gegenwart – Anmerkungen zu Claudia #Roth | #Amerikanisierung #Kulturindustrie #Sprache
Es wäre Stoff für ganze Sonderforschungsbereiche – die es nicht gibt. Womit wir beispielhaft schon bei einem der vielen Probleme (nicht einer Herausforderung) wären, über die hier nicht gesprochen wird. Über systemische, historische, praktische, multikulturelle Probleme zu reflektieren, wäre Aufgabe von Kulturwissenschaft. Eine hilfreiche Maßnahme könnte demnach schon sein, erstmal ein umfangreiches Monitoring zu betreiben und öffentlich transparent zu machen, worüber dort in der Masse überhaupt geforscht wird und worüber nicht.
Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) bemerkt im Deutschlandfunk-Interview mit Vladimir Balzer von heute, sie wähne sich
[…] in Zeiten, wo es immer mehr Aussagen gibt, die einen Kulturkampf herbeischreien […]. https://www.deutschlandfunk.de/interview-claudia-roth-kulturstaatsministerin-buendnis-90-die-gruenen-dlf-cc1db1f4-100.html
Davor wolle sie ‘die Kultur’ schützen.
Ein Ansatz zur Kritik an dieser Auffassung findet sich bei Bazon Brock, der zuletzt mehrfach einen “Kulturalismus” diskutiert hat, der der Kunst gerade in Opposition gegenüberstehe und nicht selbst ‘die Kunst’ oder ‘die Kultur’ sei.
Mit Begriffen ist das so eine Sache … Das Argument muss man erstmal verstehen, und es hat sicher noch mehr Facetten und erfährt diverseste Auffassungen bei denen, die sich dafür (überhaupt) interessieren.
Was auch der Deutschlandfunk in den letzten Jahren sehr stark hervorgehoben hat, war etwa die Frage nach der Restitution von Kunstgegenständen nach Afrika. Das Zwischenergebnis der am meisten beachteten Aktion dieser Art darf kaum mehr als ernüchternd bezeichnet werden:
Am 23. März 2023 wurden die Eigentumsrechte an den Benin-Bronzen per Erlass des nigerianischen Staatspräsidenten Muhammadu Buhari an den Oba von Benin in Privatbesitz übertragen. Der Erlass betrifft sowohl alle bereits zurückgegebenen Bronzen als auch alle zukünftigen. Damit werden sie nicht mehr, wie ursprünglich bei der Übergabe geplant, dem nigerianischen Volk zugänglich in einem Museum ausgestellt, dessen Bau die Bundesrepublik Deutschland mit mehreren Millionen Euro unterstützt. Nachdem afrikanische Medien bereits im März 2023 darüber berichteten, kommentierte im deutschsprachigen Raum erstmals Anfang Mai 2023 die emeritierte Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin diesen Vorgang als „Fiasko“ […].
https://de.wikipedia.org/wiki/Benin-Bronzen#%C3%9Cbertragung_in_Privatbesitz_des_Oba_von_Benin
Dies geschieht wohlgemerkt, nachdem wir hier nun jahrelang mit einem weiteren Schuld-Diskurs überzogen wurden, der sich währenddessen um keine Atrozität in afrikanischen Landen schert – ebensowenig um die Tatsache, dass eine Geschichtsschreibung wie auch viele andere Segnungen der Zivilisation dort erst durch Kolonisatoren etabliert und bis heute in kultureller Übernahme ausgeübt und verwendet werden.
Eine akademisch hoch ausgesteuerte und mit moralischem Impetus vehement aktuell (und bis in dieses Gespräch mit Claudia Roth) fortgegesetzte Debatte führte also in der Praxis dazu, dass die vermeintlichen Empfänger zurückgegebenen Kulturgutes leer ausgingen und, wie es in vielerlei Hinsicht in afrikanischen Staaten geschieht, der Kleptokrat die Kunst bis auf weiteres zum gänzlichen Verschwinden bringt, statt diese, wie es in Europa damit zuvor geschah, der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Interviewer Balzer konfrontiert Roth auch mit dem Protest-Brief, der an sie betr. der Umbesetzung der Führungsspitze des Filmfestivals Berlinale sowie beträchtlichen Budget-Kürzungen dortselbst gerichtet wurde. Roth setzt sich zur Wehr, das ihr Mögliche getan zu haben – es sei eben nicht endlos viel Kapital zu verteilen.
Letzteres ist für sich genommen richtig. Die Film-Branche ist – wie sonst nur die Popmusik – aber seit 1945 in Deutschland einer Dynamik ausgesetzt, die alle Industrieländer erfasst hat: Die US-Amerikanisierung wurde durch den Sieg im Zweiten Weltkrieg eingeleitet und wird seitdem mit einer unüberwindlich massenwirksamen globalen PR-Maschinerie weiter auf Dauer gestellt. Die Grundlage dafür ist sicherlich nicht (immer) nur ein besseres Produkt. Inwieweit die hiesige Forschung und Lehre sich genauer mit Erfolgsrezepten einer vermutlich stärker praxisorientierten und mit der Medienindustrie kooperierenden (generell ja privater organisierten) Bildungslandschaft der USA beschäftigt hat, weiß ich nicht genau. Die sichtbaren Ergebnisse legen dies aber nahe. Nicht einzuholen ist der Startvorteil von allem, was sich der englischen Sprache bedient und damit die größte Zielgruppe weltweit anspricht. Die deutsche Sprache hat im Vergleich nicht den schlechtesten Stand – aber alleine den 320 Mio. US-Amerikanern stehen eben nur 80 Mio. Deutsche gegenüber.
Die anti-deutsche Propaganda aus den Weltkriegen her tat wohl ein Übriges, dass die US-Amerikaner sich in der Masse nicht sonderlich für Europa und besonders Deutschland interessieren. In Deutschland hingegen fand groß angelegt die Reeducation der Deutschen durch die Besatzer statt. Bis heute hören Deutsche in ihren bildungsorientierten Medien täglich – oft im Stundentakt – von deutschen Verbrechen. Von dem KZ-Mitbetreiber Standard Oil und deren langjährigem Mitarbeiter John McCloy, der die Bahnlinien nach Auschwitz zu erhalten half, statt sie militärisch zu zerstören, um dann der erste Alliierte Hochkommissar in der jungen Bundesrepublik zu werden, wissen wohl die allermeisten Deutschen fast nichts. (Den Namen McCloy kennen die Älteren noch – aber auch sie wurden von diesen Zusammenhängen des historischen Ablaufs durch Nicht-Berichterstattung ferngehalten.)
Das Letztgenannte ist eine der schmutzigen Vorgeschichten globalistischer Herrschaft in der Nachfolge der Weltkriege. Wie wir heute wissen, waren bedeutende Anteile der kulturellen Entwicklung von Nachkriegs-Deutschland im Hintergrund u. a. von der CIA gesteuert. Eine bedeutende Rolle spielte dabei etwa Melvyn Lasky (1920-2004) als Gründer der Zeitschrift “Der Monat”.
Wenn Claudia Roth heute von einem “Kulturkampf” spricht, so muss ich sagen: Ein solcher hat über Jahrzehnte in Deutschland stattgefunden – ohne dass eine nennenswerte Anzahl von Menschen das überhaupt bemerkt haben dürfte. Und heute, wo in meiner Schublade ein über 700seitiges Buch zu einem der weltweit erfolgreichsten Projekte eines solchen Kulturkampfes liegt, wird seine Publikation seit Jahren an allen dafür ersichtlichen und zuständigen Stellen blockiert. Ich erwähne damit hier ein weiteres Mal kursorisch mein Buch “Derricks Vermächtnis” über die ZDF-Krimi-Serien von Herbert Reinecker. Der Derrick-Vorgänger “Der Kommissar” wartete 1974 zur besten Sendezeit (vor damals stets ca. 20 Mio. Zuschauern) mit der Geschichte eines Handelsvertreters (René Deltgen) auf. Dieser trägt den Namen “Lansky”, worin Lasky recht deutlich anklingt. Das Mordopfer ist ein gewisser Herr Hessler (Eckart Dux).
“Die Nacht mit Lansky” (so der Folgen-Titel) schildert jene Stunden, in denen sich der Mörder im privaten Umfeld verdächtig macht (u. a. durch Blut an einem Reisekoffer). Die polizeilichen Ermittler sind zufällig in der Nachbarschaft zu Gast und lösen so in ihrer Freizeit den Fall.
Lansky lässt also nach seinem Mord in seiner Wohnung auf dem Plattenteller dauernd den Song “The Duck” von Billy Preston kreisen, während er sich aus Verzweiflung betrinkt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie in den Reinecker-Serien solche Musik-Zitate funktionieren – Produktionen aus dem anglo-amerikanischen Bereich sind recht durchgehend der Welt des Verbrechens zugeordnet. In die einfachen Krimi-Geschichten und biederen Interieurs ist eine ganz eigene Art von Symbolik integriert. Dazu gehören durchgehend physiognomische Doubles, die durch ihre Verweis-Personen in den fast 400 Serien-Folgen ein riesiges historisches Tableau entstehen lassen – das Tableau einer alternativen Geschichtsschreibung, heute gewöhnlich als “Geschichtsrevisionismus” aufgefasst. Autor Reinecker, der (wie hier Hauptdarsteller Erik Ode, später der wie Reinecker vor 1945 der SS angehörende Hauptdarsteller Horst Tappert) seine stärkste frühe Prägung im Nationalsozialismus erfuhr, führte über 30 Jahre als Chefautor des ZDFs ein Projekt weiter, das sich inhaltlich am deutlichsten den Wallstreet- und Rothschild-Kritiken des NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg zuordnen lässt (so ein Ergebnis meiner unveröffentlichten Studie).
Der Darsteller René Deltgen lässt sich durch den Rollennamen Lansky einfacher als andere zuordnen – das phonetische Double Lasky funktioniert in realiter auch biometrisch über das Äußere. Die Abbildungen aus meinem Buch-Layout:
Wenn also die Kulturstaatsministerin Claudia Roth formuliert, es solle kein ‘Kulturkampf herbeigeschrien’ werden – so spricht dies bei mir solche genannten Irritationen, das Bewusstsein erheblicher Ungleichzeitigkeiten und völlig unerledigter Aufgaben von Medien-Geschichtsschreibung an.
Die Reinecker-Serien sind für den Zeitraum von 1970-2000 das wohl bedeutendste Beispiel für TV-Krimis (mit international über 1 Mrd. Zuschauern im Fall “Derrick”). Spreche ich aber Verantwortliche heute dazu an (25 Jahre nach der letzten “Derrick”-Folge), stelle ich fest: Auch die gesetztlich geltenden Bestimmungen für eine “Wissenschaft”, wie der Staat sie finanziert, gelten in der Realität nichts. Es gibt keine umfangreichen Publikationen über Inhalte und visuelle Strategien der Reinecker-Serien in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. (Im bisher gehaltvollsten Buch “Reineckerland” [2010] beschränken sich Bemerkungen über Handlungsverläufe der Serien auf ganz wenige Folgen und Sätze im Sekundärtext – und fast vergriffen ist es mittlerweile auch.)
Neben der Causa “Beutekunst” habe ich damit hier zwei Unschlüssigkeiten dokumentiert, die sich für mich aus Claudia Roths Äußerung ergeben: Sie spricht von einem “Kulturkampf”, als sei dieser zum Greifen nahe. Für mich ist dies ein Beispiel für die Mischung aus reiner Absichtserklärung und Formen einer gewissen Paranoia, die in der Gegenwart v. a. von denen vorgeführt wird, die andere mit Prädikaten wie “paranoider Verschwörungstheoretiker” überziehen (dies dann mit optimal ausgebauten massenmedialen Sprachrohren, während die Angesprochenen irgendwo im Internet vor ein paar Zuschauern und Lesern agieren). Wen meint Frau Roth eigentlich genau – und was ist daran die Bedrohung im Gegensatz zu allem möglichen anderen, was Kultur in Deutschland mittelfristig zum Verschwinden bringen könnte? (Dieser Ausblick würde hier doch zu weit führen. Es geht dabei u. a. um Demografie und die Frage, was eine zunehmend migrantisch geprägte Kultur sein wird – voraussichtlich nicht die Wiederaufführung mengenmäßig immer noch boomender deutschsprachiger Publikationen, die sich heute noch an eine langsam biologisch verschwindende Kohorte der hiesigen Bevölkerung richtet.)
Was ist eigentlich ein “Kulturkampf”, der heute zu erwarten wäre? Wie hier nur in einem von Tausenden möglicher Beispiele demonstriert, wurde der mächtigste Kulturkampf, der über 30 Jahre mit Gebührengeldern im ZDF inszeniert wurde, wohl nur von ganz wenigen überhaupt bemerkt, die sich dazu niemals öffentlich äußerten (was die Voraussetzung für einen wirklich stattfindenden Kulturkampf eigentlich wäre). In einer Gegenwart, in der Roth vom Kulturkampf spricht, der angeblich “herbeigeschrien” werde, ist dieser eigentliche Kulturkampf der Nachkriegszeit immer noch nicht Teil der historischen Debatte.
Und das, was heute der hauptsächliche Kulturkampf ist – worauf sich Reinecker, wie beschrieben, schon bezieht -, ist nach wie vor die Überwindung älterer europäischer Traditionen durch ein US-amerikanisches, oft stark kommerzialisiertes Kulturmodell. Auch dazu sehe ich wenig bis gar keine öffentliche Debatte – obwohl es für Betroffene um Existenzielles geht. Es ist nicht erst eine sog. “Corona-Pandemie”, die Kulturschaffende in Deutschland an den Rand ihrer Existenz brachte. Die Konkurrenz mit der englischsprachigen Welt ist für Deutschsprachiges nicht zu gewinnen. In Deutschland wurden zudem unter der Besatzung alle Kanäle einseitig aufgebohrt, um die Produkte der US-Kulturindustrie als Exportware zu vermarkten. Umgekehrt ist dies fast ausgeschlossen: US-Amerikaner sehen sich synchronisierte Filme nicht an. Dasselbe in der Belletristik (und ich finde außer den beiden folgenden Fundstellen per Suche nicht viel mehr, darunter einen Artikel der “Zeit” hinter der Bezahlschranke, was nunmal die öffentliche Wahrnehmung nicht gerade fördert).
Englisch ist unangefochten die wichtigste Sprache bei den Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt. Bücher aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stellten im Jahr 2016 64,6 Prozent aller Übersetzungen (Erstauflagen).
https://uepo.de/2017/12/01/statistik-literaturuebersetzungen-2016-englisch-franzoesisch-japanisch-belletristik-kinderbuecher-comics/
Unter dem Strich sind 6.380 neue Titel vom Englischen ins Deutsche übertragen worden, knapp 350 mehr als im Jahr zuvor (plus 5,8 Prozent), davon gehen 2.587 auf das Konto der Belletristik (plus 7,2 Prozent).
Setzt man diese ins Verhältnis zu den 3.682 belletristischen Übersetzungen, die 2016 insgesamt (inkl. Neuauflagen) publiziert worden sind, dann kommt Englisch hier auf einen Anteil von 70,3 Prozent. Mehr als zwei Drittel aller belletristischen Übersetzungen stammen also aus dem Englischen.
Umgekehrt herrscht erwartbarerweise nicht dieselbe Dynamik:
Wird da kräftig in die große, weite englischsprachige Welt verkauft? Mitnichten. Was das Lizenzgeschäft für Übersetzungen betrifft, tauchen die englischsprachigen Länder noch nicht einmal in den Top Ten auf! China behauptet seit Jahren den Spitzenplatz. 2017 erstmals auf Platz 2 ist die Türkei. Es folgen Spanien, die Tschechische Republik, Frankreich, Italien, Russland und die Niederlande.
https://www.dw.com/de/zwischen-krise-und-hoffen-der-deutsche-buchmarkt/a-45807679
Um das ganze grössenmäßig einzuordnen: “Genau 7856 Werke ‘Made in Germany’ haben 2017 die deutschen Sprachgrenzen verlassen.”
In den USA und auch in Großbritannien interessiert man sich also nicht vorrangig für deutsche Bücher.
Ein Kulturkampf muss hier nicht herbeigeschrien werden – er findet laufend statt, und er wird stets von den USA gewonnen.
Man kann sich darüber streiten, wie die deutsche Kultur aussähe, wenn ihr die gesamte einheimische Kaufkraft zugute käme. Es verbliebe dabei natürlich im rein Hypothetischen. Fraglos sähe sie anders aus – und sie hätte zumindest im nicht-subventionierten Sektor erheblich mehr Geld an Kreative in Deutschland zu verteilen. Da umgekehrt kaum ein Autor, Musiker oder Filmemacher in den USA Geld verdient, ist die Rechnung eindeutig eine zu Ungunsten der Kultur in Deutschland (wer immer sie auch schafft).
Als nicht unbedingt kulturpatriotisch beglückend empfinde ich auch den pausierten Sex-Skandal um einen der wenigen kommerziell erfolgreichen Kultur-Exporte aus Deutschland – die Heavy-Metal-Band “Rammstein”. Ich hätte mir eine Presse gewünscht, deren ästhetische Urteile über die Lyrik des Frontmanns Till Lindemann wenigstens das Niveau meines Deutsch-Leistungskurses in Schulzeiten erreicht hätte – konnte derlei bisher aber nicht entdecken. Beim Blick in mein Reinecker-Buch begegnet mir dazu umgehend eine nächste Assoziation:
Für die Realgeschichte ist ein ganz offizieller Gewährsmann Churchills definitiv erwähnenswert: Frederick Lindemann, ein Physiker und Veteran des Ersten Weltkriegs, der die anti-deutsche Politik befeuerte und vehement Flächen-Bombardements forderte. – Lindemann ist es, an den [Friedrich] von Thun äußerlich erinnert. Sowohl der Rollenname wie auch die Physiognomie verweisen also auf britische Personalien, und zwar in einem Konnex von hoher Politik, Kriegstreiberei und Okkultismus, der bisher in erster Linie das Interesse sog. Verschwörungstheoretiker weckte.
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