Historisch gesehen haben Sie nicht die geringste Chance
Dieser zweifache Wortwechsel entstand vorhin auf YouTube zu meinem Video “Wollen wir unsere Zukunft retten?”, das ich hier noch einmal einfüge. Das macht auch Sinn vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es zu den schwächer nachgefragten Videos der letzten Zeit zählt. Die darin angesprochenen Fragen sind gleichwohl grundlegend – ein Beispiel dafür, was nach meiner Ansicht nun auf die Agenda gehört, wenn man es unter rein pragmatisch-inhaltlichen Gesichtspunkten betrachtet und nicht gänzlich einem Fatalismus Recht gibt, der in voller Härte von dem Kommentator ausgesprochen und begründet wird.
Dies ist damit auch ein Beispiel für eine weitere Haltung, die in Massenmedien, aber auch von Wissenschaften heute kaum je abgebildet wird. Während der Mainstream an Museumsinseln baut, Wirtschaftsbooms herbeiredet und Multikultur feiert, wo es noch geht, haben so manche – und nicht die Dümmsten – mit dem ganzen Zirkus 1) schon abgeschlossen und führen einen so wahrgenommenen allgemeinen Niedergang 2) auf langfristiges intentionales Handeln weitgehend unsichtbarer Akteure zurück.
(Die beiden Kommentare wurden zuerst geschrieben, ich antwortete anschließend auf beide.)
Ich bin alt. Sie haben (zu) hohes Niveau für diese und die Kommenden! Außerdem thematisieren Sie quasireligiöse Tabuthemen. Sie gehen da auf dünnem Eis. Historisch gesehen haben Sie keine, nicht die geringste Chance. Denn eine solche gibt es etwa seit 1900-1920 nicht mehr. Sie müssten das selbst wissen. Ja, Kultur, soweit unterhalb der oberen 10000 existent, wird gänzlich ausgelöscht. Doch, die Etablierten wissen was sie tun. Die Konsumenten der TV Produktionen und der Netzmedia Werke sind belanglos und gleich Null zu setzen. Und Gesichter Wissen „ist rassistisch“ in höchstem Grade. Das ist sinnlos. Herr R. steht für Unzählige. Dafür kann Katrin doch nichts, für ihren Namen!! Wie sehen denn aufrichtige Liberale aus? Aufklärung? Pardon, Illusion! Ja, Untergang, unausweichlich, unumkehrbar. Sind Sie oder wollen Sie sein ein alt(bio)römischer Senator, so um 300-350 v. u. Z. , der sich gegen das stemmt, was Spengler Schicksal nannte? Warum?, dazu sind Sie zu intelligent. Also lieber einen anderen Lebensunterhalt verschaffen. Ceterum censeo, an Satanisches zu tippen ist komplett beschleunigend auf der Piste nach unten. Wen wollen Sie damit erreichen, Gläubige, Christengemeinden? Absurd. Verdacht: Sie erproben Geschäftsmodell „sie sind unter uns“! Aber mit „Niveau“. Sehr dubios und sowieso sinnlos. Weil, wenn schon, S. und die Seinen sind „traumhaft stark“ (sagte..?) und nicht mehr aufzuhalten. Warum wissen Sie ganz genau.
Mit freundlichen Grüßen
Ich stimme Ihnen weitgehend zu, sehe alle möglichen Vergeblichkeiten und Gefahren. Nur bietet sich für meine Generation auf mehreren Feldern kein wirklicher Ausweg, es sei denn in Neuanfängen. Was soll man tun? Weiter dem Ruin kultureller Errungenschaften zuschauen? Schlüsselübergabe an die, die sich biologisch stärker vermehren? Was spricht dafür, dass das für einen lebendigen und denkenden Menschen in dieser Situation eine Option sein kann?
Wenn aber GesichterWissen “rassistisch” ist, sind es natürlich Bildvergleiche, wie sonst in Satiren angestellt, oder die Algorithmen der Bilderkennung auch. Das ist ein interessantes Teilproblem. Ich kann niemand vorschreiben, ob er die aufgezeigten Zusammenhänge für irgendwie relevant hält. Sollte jemand meinen, ohne dies ein herrschendes System beschreiben zu können, so muss ich von meiner Seite aus sagen, nimmt er sich selbst eines der wenigen Argumente, die noch übrig bleiben, wenn man keine Investigativjournalisten in Machtbereiche schickte – wo sie dann vermutlich auch nicht mehr lebend herauskämen.
“Lebensunterhalt” wird von mir auf verschiedene Weise verschafft, gerade nochmal anders als zuvor. Bevor man bewertet, ob das jemand in meiner Lage und meinem Alter heute zuvor hätten tun können/sollen, was er stattdessen hat machen können, ob Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft noch eine Zukunft hat, nachdem geistige Arbeit rasend entwertet wird und die Generation Praktikum über Jahrzehnte nichts verdient? Das sind so Fragen, die sicher schon Millionen von Menschen um die 40 manche private Stunde zur Hölle machen, während es System-Journalisten mit Tiefgaragen-Stellplatz noch gar nicht mitkriegen und ihren ahnungslosen Kunden einreden, das müsste man auch nicht wissen. War derlei auch Grundlage Ihrer Äußerung? Sind Joe Kaeser und all die anderen Top-Manager verpeilt nach Ihrer Ansicht, wenn sie das Ende der heutigen Arbeitsgesellschaft schon sehen? Wenn nicht, läuft Ihre Empfehlung an dieser Stelle ins Leere. (Nicht böse gemeint, aber die Klärung müsste eigentlich schneller vorangehen. Ich tippe sie dann mal bei YouTube ein, ist woanders ja nicht erwünscht.)
Im Übrigen: sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen hat gar nichts zu tun mit schnellem Geld und Einschaltquoten. Non sequitur. Als Kunsthistoriker hat man es manchmal (man hätte eine Stelle als Museumsdirektor anstreben und straight durchziehen müssen, that’s it, oder im Feuilleton der FAZ?!) nicht leicht, ja. Da muss wohl vor der eigenen Haustür gefegt werden. Tja, und der Markt für Aufklärer, die meinen, es sei Zeit, den bildungsfernen Schichten „die Infamie der Geldschöpfung“ und den Reichtum der Reichen in geschliffenem Deutsch zu verkaufen, ist eng, verdammt eng. Tja, Umschulung auf BWL? Statt Utopien oder mindestens unrealistische Szenarien zu entwerfen. Oder?
Sind Sie sich so gewiss, dass das, was heute eine Museumsdirektoren-Stelle ist, das ist, was Sie hier damit meinen? Auch dies wieder nicht böse gemeint, im Gegenteil, wir kommen hier an Punkte, die selbst im vertraulichen Gespräch selten sind und in der Öffentlichkeit fast inexistent. Wenn Sie hinter die Fassaden betreffender Institutionen schauen, könnten erst einmal andere Fragen aufgeworfen werden als die, ob jemand, der vor 30 oder 40 Jahren Museumsdirektor werden sollte, es heute an erster Stelle überhaupt anstreben sollte. Vielleicht ist das, was damals Voraussetzung solcher Tätigkeiten war, heute der Anlass, kulturelle Lebendigkeit nicht in Spielen zu sehen, die dort noch mühsam und ins absolut Absurd-Morbide kippend zelebriert werden. Ich kann Ihnen gern Beispiele geben und wäre gespannt, welche hermeneutischen Schlüsse eine Tracey Emin oder gewisse Andere Ihnen erlauben – außer zu sagen, dass es eigentlich so nicht weitergeht.
Dabei habe ich nichts gegen verkorkste Typen. Mir hat nur eine jahrzehntelange Erfahrung gezeigt, dass in diesen Bereichen oft Kunst oder Film nicht die Kunst oder der Film sind, die ich meine, mit denen ich arbeite, von denen geistiges Leben in meinem Sinne ausgeht. Das betrifft natürlich auch die Frage, ob man im Kulturbereich sinnvoll Lebensläufe planen kann, wenn das Publikum auf die lange Sicht vielleicht sogar ganz droht, wegzubleiben. Wie wenig Kulturorte Bedürfnissen der Reflexion und des wirklich lebendigen Austausches entsprechen, ist vielleicht nur an Indikatoren zu erkennen, die damit wenig in Zusammenhang gebracht werden. Ich habe auf derlei vielfach hingewiesen, am stärksten in dieser Hinsicht in “Glotze fatal”. Für kulturelle Phänomene gebe ich im “Krisen-Abriss” Beispiele für das, was ich hier meine. U.a. sind einige ästhetische Entwicklungen schon an vorläufigen Endpunkten angekommen, während die Kompetenz eines von schierer Masse überforderten Publikums vielleicht noch eher sinkt.
Ein Politikum ist es dann, diesem Publikum sogar in abnehmendem Maße Hilfestellungen zu geben. Wer mit der Gegenwart konfrontiert ist und die Tradition nicht kennt, kann einem nur leid tun. Deshalb ist Institutionalisierung von Reflexionsmangel und Geschichtsblindheit verschärfter institutionalisierter Wahnsinn. Ich meine dessen Auswirkungen schon deutlich zu sehen, während ein organisierter Um-, wenn nicht Abbau eigener Traditionen von Ihnen selbst im vorigen Kommentar ja angesprochen wird. In solchen Zusammenhängen noch den Weg des geringsten Widerstands gehen und dabei wissen, dass damit alles, was einem lieb und teuer ist, noch mehr vor die Hunde geht? Ich habe mich vor mittlerweile knapp 20 Jahren eines anderen besonnen. Ich erinnere nichts, was mich in dieser Haltung nachhaltig verunsichert hätte. Im Gegenteil. Fast alles, was ich mir auf dieser Grundlage für diese Zeitphasen im Öffentlichen wie Privaten ausgemalt habe, ist eingetroffen. Ich hoffe sehr, dass ich mit weitergehenden Prognosen krachend scheitere.
Witziger Kommentar. Wer ist denn dieser Thomas Huth? Etwa der Professor, auf den mal als erstes unter diesem Namen im Internet stößt? Oder wer? Außerdem kommentierte der Autor Andre Raguse. Schon Kontakt mit ihm aufgenommen?
Fangen Sie mit dem DENKEN an:
ISBN 978-3-00-024765-1
An den eloquenten Mr. X noch die besten Neujahrswünsche und an Dich den herzlichen Dank für die Veröffentlichung der Unterhaltung!
Da stecken spannende Aspekte darin, an die ich zwei, drei Gedanken fügen möchte:
1. Kein “Status quo” ist so gut, dass man mit seiner Erhaltung besser fährt, als mit einer Veränderung.
Goethe schreibt »Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!«
Und dazu noch Arthur C. Clarke (Profile der Zukunft): » Auf lange Sicht gibt es für den Menschen nur zwei lohnende Beschäftigungen: Die Suche nach Wissen und die Schaffung von Schönheit. Das steht außer Diskussion – streiten kann man sich höchstens darüber, was von beidem wichtiger ist.«
So sieht man, dass Schönheit als auch Wissen keine Grenzen haben und von daher auch die umtriebige Suche des Menschen an einer Erfüllung darin keine Grenzen kennt. Das Glück liegt also im Wandel, im Streben, nicht im Beharren.
2. Kultur lässt sich nicht abschaffen, aber es gibt Zeiten, in denen eine “Leitkultur” dekonstruiert wird und die Frage aufkommt, “was wollen wir behalten?”
Dazu sind Seiten wie diese, die Analysen liefern und Kritik anbringen, sehr wertvoll.
Religion widerspricht Zivilisation (wieder ein Zitat v. Clarke), daher ist die Dekonstruktion der Religionen die bei weitem wesentlichste Änderung, die uns bevorsteht, eine, die Kultur und Zivilisation retten wird.
3. Unsere Kulturentwicklung hängt eng mit dem Geldsystem zusammen. Daher ist eine neue Richtung der Entwicklung nur absehbar, wenn man sich mit den Optionen eines alternativen Geldsystems beschäftigt. Stefan Wehmeier wäre da ein Tipp, aber “letztlich wird die Zukunft weit erstaunlicher sein, als wir uns dies vorstellen können” (ich glaube, die ist nochmals ein Zitat von Clarke, zu finden auf den Blogseiten von Wehmeier…)
Fazit: Erfolgreich zum Fluss der Kulturentwicklung beizutragen, gelingt, wenn wir alles von zwei Seiten betrachten lernen, einschließlich des Inneren.
Herzlichen Gruß und gutes Gelingen allen Lesern von Filmdenken!