Reziproke Filterblasen und Hyper-Krisenmodus
Die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation macht mich persönlich kraft- und mutlos – gerade im Hinblick darauf, dazu in diesem Blog Beiträge zu schreiben. Sehr vieles wurde von mir bereits gesagt. Meine Betonung des Begriffs im Buch “Krisen-Abriss” (2012) hat erst seit wenigen Jahren im Wording des Mainstreams noch mehr Gewicht erhalten, nachdem ich dies für mehrere Themenbereiche als Reaktion auf die “Finanzkrise” 2008 ff. veröffentlichte. Zu den entmutigenden Faktoren zählt ganz wesentlich, dass der erwähnte Mainstream (nennen wir ihn der Einfachheit halber so) mit der “Corona”-Phase eine noch komplexer verstärkte und gegen Kritik immunisierte sowie auch durch den Medienwandel chaotisierte, fragmentierte, noch mehr hysterisierte Konstruktion geworden ist.
Ich greife mir hier zunächst zwei Stellen aus der Presse von heute heraus, die bei mir unmittelbar Gedankenreihen auslösen, aus denen man auch ganze Bücher machen kann – wie es in den “Kulturfragen” des Deutschlandfunks vorhin um den Sozialwissenschaftler Jan Skudlarek und seine Veröffentlichung “Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht. Streitschrift für ein neues Wir” (2023) geht. Mein Kernargument dazu: Skudlarek ist im Interview ein heute nicht seltenes Beispiel dafür, wie eine für sich genommen verständliche, relevante und plausible Argumentation, die an vielerlei gute Standards einer Nachkriegsgesellschaft anschließt, sang- und klanglos aber Differenzierungen, Selbstbeschränkungen und große Bereiche überprüfbarer Tatsachen ausblendet (und in der allgemeinen Diskussion meines Wissens darauf seltenst hingewiesen wird). Eine Hauptursache liegt für mich darin: Zweiter Weltkrieg, Holocaust, Schuld-Diskurse und zunehmender Multikulturalismus – auch wieder teils nachvollziehbar, teils aber intransparent aus den in diesen Themen selbst enthaltenen Gründen – haben dem Sagbaren in Realismus und Kritik immer engere Grenzen gesetzt, weil eine Seite der Beteiligten entweder stark erhöhten Ansprüchen historischer und politischer (angeblicher) “Korrektheit” ausgesetzt war, oder weil die daraus entstehenden Praktiken, sozialen System und Diskurse immer mächtiger geworden sind und de facto alles andere verdrängen, rein quantitativ, zeitlich.
Was als Megastruktur derzeit übrig geblieben ist, rechtfertigt sich als einstweilen halbwegs funktionierendes kybernetisches Gebilde. In ihm macht die Position eines Jan Skudlarek sicherlich ihren Sinn. Doch schon in einer oberflächlichen Abwägung des Gehörten komme ich zu Argumenten, die ich im genannten Interview und anderswo nie höre: Es ist einleuchtend, dass der Diskurs in den Sozialen Medien ständig stärker eskaliert. Die sich darin Äußernden sind ungeübt und bieten Experten wie Skudlarek permanent offene Flanken – in der Wortwahl, in der Sache. Daraus jedoch wird ein Pauschalurteil abgeleitet: Diese Arten der Veröffentlichung seien an sich das Problem. Ich höre da kaum je auch nur eine respektvolle Einräumung, dass das Internet für versierte Nutzer einen enormen Zuwachs an Informationen und Funktionen enthält. Zu jedem Thema, dessen Diskutanten Skudlarek eine zu unkontrollierte “Wut” zuschreibt, kann man ganze Bibliotheken lesen. Und eine längst nicht beendete Dynamik des Internets betrifft eine dadurch notwendige immer weitere Ausdiffenzierung von Wissen.
Jede akademische Diskurstheorie würde dazu als unbedingten Standard einfordern: Erkenntnisse jedes Einzelnen haben als vorläufig zu gelten. Sachdiskussionen müssen ergebnisoffen, chancengleich und so lange wie eben notwendig und aushandelbar sowie praktisch umsetzbar geführt werden (Diskursethik).
Als Signalwörter des Jargons sieht Adorno die von ihm so bezeichneten „Edelsubstantive“; hierzu zählt er „Auftrag“, „Anruf“, „Begegnung“, „echtes Gespräch“, „Anliegen“ und „Bindung“ (JdE 9/417). Er kritisiert, dass diese durch ihren metaphysischen Gestus einen emphatischen Wahrheitsanspruch erheben, der sich so nicht einlösen lässt. Sie sind Kernbegriffe einer „jüngeren deutschen Ideologie“. […] Eigentlichkeit beleuchte „den Äther, in dem der Jargon gedeiht, und die Gesinnung, die latent ihn speist“ (JdE 9/417). Zum festen Bestandteil des Jargons gehört auch die „Liturgie von Innerlichkeit“, die die „wachsende Ohnmacht des Subjekts“ und seinen „Verlust an Welt und Gegenständlichkeit“ ideologisch verbräme (JdE 61f./460f.). https://de.wikipedia.org/wiki/Jargon_der_Eigentlichkeit#Erster_und_zweiter_Teil
Dies wären alles keine guten Prädikate für eine sozialwissenschaftliche Perspektive. Eindeutig sagen lässt sich, dass eine Wendung wie “erkennen, was echt und wirklich ist”, den Boden von Wissenschaftlichkeit verlassen hat. Es entspricht vielmehr dem Modus von Bauernfängerei und schlechter Esoterik. Dass dies in einem Verlag wie Reclam heute möglich ist, halte ich für ein Verfallssymptom und kenne den historischen Vergleich mit aus meiner Sicht besseren Zeiten in dieser Hinsicht.
Mein zweites Beispiel hier ist die “Spiegel”-Kolumne von Christian Stöcker zu den laufenden Bauernprotesten: “Wenn Hubert Aiwanger sich »im Internet« verläuft” (14.01.2024).
Ein ähnlicher Jargon der Eigentlichkeit auch bei Stöcker im Anreißer: “Manche Deutschen haben, sozialen Medien sei Dank, den Bezug zur Realität verloren.”
Auch hier die Oberfläche trügerisch: Sicherlich kennt jeder Beispiele für Menschen, die medieninduziert zu bizarren, unbegründbaren Ansichten und mehr und mehr in Konflikte mit ihrer Umwelt geraten. In jedem dieser Fälle wäre aber gründlichst zu fragen, worum es in der Sache geht, wer dazu welches Urteilsvermögen hat und vor allem: auf welche Wissensinhalte die Beteiligten sich dabei überhaupt beziehen.
Etwa eine deutsche Geschichtswissenschaft, der bestimmte (und nicht wenige) englischsprachige Bücher weder in Übersetzung noch in größerer Zahl von Bibliotheksexemplaren vorliegt, wird nur eingeschränkt urteilsfähig über Sachverhalte sein, die sie schlicht quantitativ gar nicht oder nur am Rande sowie äußerst verspätet zur Kenntnis nimmt. Sollte sie in Wirklichkeit über solche Sachkenntnisse verfügen, diese aber nicht in ihre eigene Argumentation integrieren, mag sie alles mögliche sein – aber keine Wissenschaft, die in Deutschland auch grundgesetzlich definiert und geschützt ist.
In sachlicher Hinsicht ist Wissenschaft im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 GG nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts jede Tätigkeit, die „nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“.[7] Da Wissenschaft ein komplexes Feld ist und viele unterschiedliche Formen annehmen kann, ist die Definition der Forschung weit auszulegen.[1] Unerheblich sind die Methoden, mit denen die Forschung durchgeführt wird, oder ihre Resultate.[1][8] Es genügt das ernsthafte Bemühen um das Erzielen wissenschaftlicher Erkenntnisse.[9] Vom Schutzbereich ausgeschlossen sind nur Praktiken, die lediglich den Anschein einer wissenschaftlichen Vorgehensweise besitzen und wissenschaftliche Standards deutlich verfehlen.[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsfreiheit
Was eine “Realität” wäre, zu der ein anderer “den Bezug verloren” habe, ist erkennbar ein sehr weites Feld. Es kann im Journalismus so verknappt werden, zumal in einem Meinungsbeitrag. Aber darauf bleiben diese Haltung und dieser Sprachgebrauch derzeit in keinster Weise beschränkt. Was dies konkret umfasst, könnte nur eine publizistische Wissenschaft ermitteln, die es in Deutschland derzeit in öffentlicher Hand nicht gibt. (Nur als Randbemerkung: Ein ZDF-Intendant wie Thomas Bellut schloss noch mit einer wissenschaftlichen Arbeit einer solchen Inhaltsanalyse sein Studium ab. Solche wissenschaftlichen Prägungen erkenne ich in allerlei Programmen aber immer weniger wieder. Und der Jargon, wie ein Skudlarek ihn heute in renommierten Verlagen und den reichweitenstärksten Medien mit seinem Publikum einübt, tut sein Übriges dazu.)
In dem Stöcker/Spiegel-Beispiel ginge es inhaltlich freilich nicht um Geschichtswissenschaft, sondern zunächst um Agrar- und Finanzpolitik. Diese wiederum basieren auf den entsprechenden Wissenschaften. Bei den Diskussionen über die Lage der Bauern geht es um komplexe Themen wie Volkswirtschaft auf europäischer und globaler Ebene, massenhafte gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln (Logistik), Geologie, chemische Evaluierung von Böden, Streit um ökologische Kriterien des Wirtschaftens.
Ein Irrwitz, der den aktuellen Mainstream kennzeichnet, ist das gleichzeitige Eingeständnis sehr vieler Anlässe für Protest und radikale Diskurse. Die ökologischen Systeme sind (ich pauschalisiere hier selbst mal:) drastisch geschwächt von Übernutzung und Schadstoffen. Die ökonomischen Systeme werden immer nur vorläufig stabilisiert und sind seit langen Jahren immer bedrohlicher fragil durch Ungleichgewichte, an erster Stelle allgemeiner Verschuldung, wachsender Inflation usw. usf. In diesen beiden existenziell grundlegenden Großbereichen geht es überdies um Interessen konkreter menschlicher Akteure, sichtbarer und eher unsichtbarer Gruppierungen und Formationen. Hierzu eine ‘endgültige’ Bewertung abzugeben, ist absolut unmöglich. Aber genau dies tun Autoren wie Skudlarek und Stöcker auf ihre je eigene Weise. Für sie scheint es nur eine “Wahrheit” und eine “Realität” zu geben, die sie kennten – was ihnen angeblich erlaube, davon (wovon genau, ist schon nach wenigen Fragen völlig intransparent oder evident nicht existent) ausgehend andere am Diskurs Beteiligte zu beurteilen, wenn nicht abzuurteilen, was in den zitierten Sätzen hier oben eindeutig vorliegt.
Positionen wie die von Skudlarek und Stöcker kommen so menschenfreundlich wie staatstragend daher. Zu fragen wäre meiner Ansicht aber, inwiefern neben zahllosen inhaltlichen Ausblendungen und Einseitigkeiten auch der hier skizzierte Jargon in seiner Suggestivität und teilweise selbstimmunisierenden Struktur (über angebliche “Wahrheit” ließe sich schwerlich diskutieren, wäre sie es) nicht wirklich friedensstiftend und konstruktiv ist.
Es bleibt eben äußerst schwierig, die zugrundeliegenden Divergenzen in Lebenserfahrung und Wissensinhalten in der Hitze der Debatten überhaupt nur zu benennen, geschweige denn konkret zu klären. Das vorliegende Blog kann nicht zuletzt als ein Langzeit-Versuch zu inhaltlichen wie methodischen Fragestellungen dieser Art angesehen werden.
Die soziologische Konstellation, um die es dabei geht, wurde nun über Jahre schon vielfach in Medien selbst angesprochen: Journalisten haben eher besserverdienende Elternhäuser, und eine zunehmende Kommerzialisierung sowie die Digitalisierung haben dies wohl eher verstärkt – denn die ökonomischen Grundlagen eines unabhängigen Journalismus sind wohl eindeutig zurückgegangen. Neue Finanzierungsmodelle haben alle ihre Tücken – und fehlen oft schlicht ganz, völlig unabhängig von der (zumal: Langzeit-)Relevanz jedweden Themas, das ein unabhängiger Journalismus bearbeiten wollte.
Die derzeit herrschende Klasse von Redakteuren, (immer mehr: freien) Autoren etc. agiert in der Tendenz aus Wohlstandsbereichen heraus. Wie von mir vielfach angesprochen, ist diese Konstellation jedoch nach sich länger abzeichnenden Entwicklungen keinesfalls so fortzuschreiben. 2022 gibt “Die Zeit” die Schüler mit “Zuwanderungsgeschichte” mit 40 % an. Die damit verbundenen Veränderungen des allgemeinen Wohlstandes etwa sind äußerst komplex. Man kann dazu einen Fachartikel der “Wirtschaftlichen Freiheit” vom 01.11.2016 lesen:
Egal wer in Arbeit zuwandert, das inländische Sozialprodukt steigt. Der Widerstand ist groß, wenn gering qualifizierte Arbeit einwandert. Mit dem größeren Angebot an Arbeit geraten die Löhne für einfache Arbeit unter Druck. Das Einkommen inländischer Geringqualifizierter sinkt, zumindest in der kurzen Frist. Dieses Ergebnis wird auch langfristig nicht voll kompensiert. Mit der Zuwanderung wird zwar von einfacher Arbeit zu Kapital und besser qualifizierter Arbeit umverteilt. Das erhöht auch die Anreize, mit inländischem oder ausländischem Kapital verstärkt in Realkapital und Humankapital zu investieren. Das hilft der Produktivität einfacher Arbeit allerdings nur bedingt. Qualifiziertere Arbeit und Realkapital substituieren oft einfache Arbeit. Das schwächt den positiven Effekt und nagt an der Nachfrage nach gering qualifizierter Arbeit. https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=19957
Für wen daraus welche “Realität”, welche “Wahrheit” im eigenen Erleben entsteht, lässt sich in keinster Weise exakt bestimmen. Die fortgesetzte Diskussion zu bestimmten Reizthemen der Gegenwart zeigt ganz aktuell, dass es eher der Jargon der Eigentlichkeit à la Skudlarek und Stöcker ist, der immer fragwürdiger wird.
Die vergangenen Jahre waren z. B. bestimmt von einer Entdramatisierungs-Rhetorik etwa der Bertelsmann Stiftung mit wirkungsreichen Studien über Migrationsfolgen. Der linksliberale Mainstream entwickelte ein Mantra der Vorurteilsbehaftetheit jedes Hinweises auf Integrationsprobleme und spezifische Gewalt-Tendenzen. Die Bewusstwerdung über eine solche im marxistischen Sinn klassengebundene Meinungs-Industrie steht in einer merkwürdigerweise sonst stark vom Freudo-Marxismus geprägten Mainstream aber noch am Anfang, wie hier ersichtlich in “Pro – Das christliche Medienmagazin” am 02.06.2021:
Bei Talkshows werde etwa deutlich, dass Grünen-Politiker in Relation zur Parteistärke im aktuellen Bundestag überproportional oft eingeladen würden. Andere Studien schauten sich die Sprache von Berichten an. Wenn es etwa um die Frage gehe, worüber mehr berichtet wird – über den Klimawandel oder über Migration – dann werde deutlich, dass es laut Studien einen Einschlag hin zu linken Themen gebe. Gründe dafür seien möglicherweise, dass Menschen mit einem bestimmten sozioökonomischen Hintergrund häufig auch bestimmte politische Haltungen aufweisen. Hoffmann: „Wenn man also eine Vielfalt der Perspektiven in einer Redaktion will, ist es nicht völlig falsch, auf soziodemografische Faktoren zu achten, wie etwa Bildung, Alter, Geschlecht.“ https://www.pro-medienmagazin.de/forscher-journalisten-mehrheitlich-links/
Dass massenhafte Zuwanderung von alleinstehenden jungen Männern aus Kulturen mit ausgeprägt gewalttätigen Männlichkeits-Stereotypen zu einem Anstieg innergesellschaftlicher Gewalt führen könnte, bemühten sich alle Sympathisanten und Funktionäre der linksgrünen Fraktionen über Jahrzehnte rigoros abzustreiten. (Die Folgen sind keine Makulatur, aus ihr resultierten durchaus massenhaft persönliche Spaltungen im Privaten, also neben Kinderlosigkeit auch noch eine zunehmende soziale Desintegration, die abermals beschwiegen und mit stigmatisierenden Begriffen überzogen wird.)
Was die CIA mit “Verschwörungstheorie” als Kampfbegriff lancierte, ist ein umfangreichstes Instrumentarium von Ideologemen und Begriffen, die einseitig Schuldzuweisungen macht und nicht zuletzt einem Gegenüber allein die Bildung von ‘Wir und ihr’-Positionen unterstellt, die sie in derzeit hegemonialer Stellung zunächst selbst vertritt. Das Letzte, was in der Mehrzahl von Redaktionen aber schon eingetreten ist, wäre eine nennenswerte “Integration” von Zuwanderern außereuropäischer Herkunft. Erfahrungen mit der Veränderung von Lebenswelten, dauerhafte Störungen öffentlicher Ordnung und innerer Sicherheit wurden bisher von sozial gehobenen Milieus deutlich weniger gemacht. Für wen aber die Ereignisse der vorvorigen Silvesternacht mit sinnlosester Gewalt noch gegen Nothelfer einschließlich rücksichtsloser Selbstgefährdung eine Überraschung waren, kann nicht über Jahre die Realitäten von Großstädten, zumal bestimmter Viertel, wahrgenommen haben.
Und so landet die “Verschwörungstheorie” denn auch bei Skudlarek im Buchtitel. Ich persönlich habe bei Menschen, die diesem Jargon folgen, dazu bisher kaum je eine Antwort mehr erhalten, wenn es um konkrete Inhalte oder auch sachlich relevante persönliche Erfahrungen ging. Allein diese psychopolitische Dynamik zu dokumentieren, fehlen hier Raum und Zeit. Die Hysterisierung bestimmter Fragestellungen und Diskurse durch diesen Begriff ist aber definitiv einer der Hauptschauplätze dieses laufenden Kulturkampfes.
Als eine letzte Beispielreihe möchte ich zum Thema ‘Migration und Kriminalität’ hier gewissermaßen einen Nachtrag machen zu nicht wenigen Blog-Artikeln, die ich zur sog. “Flüchtlingskrise” 2015 ff. veröffentlichte. (Dazu gab es vereinzelt auch einmal kritische Kommentare, die sonst gänzlich ausbleiben; auch hier aber als ein Strohfeuer.)
In diesen Tagen wird in bestimmten Aspekten das, was seit Jahren auch unter einem Begriff wie “Verschwörungstheorie” verhandelt wird, als bloße Realität deutlich. Konstatiert man zum europäischen Nachbarn Schweden schon länger Zustände wie am 10.10.2023 die FAZ: “Die Täter sind oft Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund” – so gibt erst die neueste Studie des Bundeskriminalamts eine eindeutigere Aussage her:
Die BKA-Experten nannten als mögliche Erklärung auch die aktuell hohen Zuwanderungsraten, wodurch sowohl die Bevölkerungszahl insgesamt ansteige als auch der Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung. Es sei davon auszugehen, dass viele Schutzsuchende mehrere Risikofaktoren aufweisen, die Gewaltkriminalität wahrscheinlicher machen: “Dazu gehören die Lebenssituation in den Erstaufnahmeeinrichtungen sowie wirtschaftliche Unsicherheiten und Gewalterfahrungen.” Bei den Gewalttaten sei im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar ein stärkerer Anstieg bei Ausländern als bei Deutschen zu verzeichnen, teilte das BKA weiter mit. Im Verhältnis zur deutlich gestiegenen Anzahl nichtdeutscher Menschen an der Gesamtbevölkerung falle der relative Anstieg deutscher und nichtdeutscher Tatverdächtiger jedoch ähnlich aus. https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/anstieg-gewaltkriminalitaet-100.html
Die Aussagen der beiden zitierten Absätze passen nicht in letzter Konsequenz zusammen: Wenn “viele Schutzsuchende mehrere Risikofaktoren aufweisen, die Gewaltkriminalität wahrscheinlicher machen”, müsste dies ja zu einer überproportionalen Kriminalität führen. Der letzte zitierte Satz ist für ein Alltagsverständnis schon recht kompliziert und verschachtelt formuliert und besagt eben, dass “der relative Anstieg deutscher und nichtdeutscher Tatverdächtiger jedoch ähnlich” ausfalle – dann würden aber zumindest ja “Risikofaktoren […], die Gewaltkriminalität wahrscheinlicher machen”, wirkungslos sein.
Der Höhepunkt von Gewaltorgien am Silvester 2022 führte den Nachrichten-Zuschauern ein bestimmtes Täterbild vor – und etwa den in dieser Intensität neuen Anblick, wie sie Feuerwerk aufeinander und Einsatzkräfte abschießen. Wer sich vorstellt, was solche Menschen in ihrer wachsenden Anzahl, gerade in Großstädten, unter echten Stressbedingungen zu tun in der Lage ist, hat mit “Verschwörungstheorie” wohl endgültig nichts zu tun. Das Stadtbild der dafür bekannten Stadtbezirke Berlins agitiert die i. w. S. deutsch- und europäischstämmigen mit dem Anblick muskelbepackter Männer am Steuer von Autos, deren Erwerb sich mit Hauptschulabschlüssen schwer erklären lässt. Aber ab diesem Punkt spukt nach Ansichten von “Sozialwissenschaftlern” angeblich nur noch “Verschwörungstheorie”. Wann erfolgen wissenschaftliche Aufarbeitungen eines solche Alltagswissens, über das mit vielen im Privaten Angesprochenen schnell Konsens herrscht?
Im Tagesspiegel bemüht man sich am 11.04.2023 im Gespräch mit dem Kriminologe Christian Walburg von der Uni Münster aber noch eindeutig um Beschwichtigung mit den üblichen Relativierungen:
Kriminologe Christian Walburg von der Uni Münster nennt den Anstieg „erwartungsgemäß“ angesichts der Tatsache, dass 2022 deutlich mehr Menschen als in den Vorjahren nach Deutschland geflohen sind. Bei schweren Delikten aber gebe es gegenüber 2021 absolut gesehen kaum Unterschiede, bei Straftaten gegen das Leben sogar einen Rückgang. […] „Das alles erklärt die Auffälligkeit aber noch nicht vollständig“, sagt der Forscher. „Eine Rolle spielen auch die unsichere Lebenssituation und die Sozialisations- und Gewalterfahrungen, die die Menschen zum Teil mitbringen.“„In der Summe hatte die Ankunft Geflüchteter 2015 und 2016 einen Einfluss auf die Kriminalitätslage in Deutschland, aber keinen dramatischen“, sagt Kriminologe Walburg. Besonderes Augenmerk verdient seiner Einschätzung nach aber die Gruppe der Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die jedoch weiterhin im Land sind und kaum Integrationsmöglichkeiten haben. […] „Das ist eine besonders belastende Lebenssituation. Manche kommen damit besser klar, andere weniger gut, kriminologisch kann das mit Risiken verbunden sein. Nicht jeder wird deshalb zum Gewalttäter, aber für diese spezielle Gruppe braucht es bessere Lösungen“, sagt Walburg. https://www.tagesspiegel.de/politik/gefluchtete-und-kriminalitat-was-hinter-den-zahlen-steckt-9602333.html
Wer mit Menschen spricht, die sich in eher nicht privilegierten Arealen einer Großstadt wie Berlin aufhalten, hört seit Jahren verstärkte Hinweise auf ein ansteigendes aggressives und gewalttätiges Klima. Der Ruf bessergestellter Akademiker nach “besseren Lösungen” wird im Alltag wohl oft zum Euphemismus. Dass marode öffentliche Haushalte etwas verbessern können, während dessen Verschlechterung gerade berichtet wird, sollte auf einen logischen Verstand doch wohl gewagt wirken:
Der geplante Haushaltsplan zwingt das Bezirksamt Neukölln zu Einsparungen in Millionenhöhe. Die Kürzungen sollen vor allem Heranwachsende, Obdachlose und Suchtkranke treffen. https://www.spiegel.de/panorama/berlin-neukoelln-bezirk-muss-zahlreiche-soziale-angebote-reduzieren-oder-streichen-a-13aa23b8-4f3b-41f8-9cb6-d323997604e7
Wer solche statistischen, finanziellen und soziologischen Eckdaten in seiner Argumentation nicht vermittelt, sollte sich nicht “Wissenschaftler” nennen wollen. Wer als Journalist Wissenschaftler befragt, sollte darauf achten, ob er nicht in eine evident selbstwidersprüchliche Haltung hineingezogen wird, wenn er solche Positionen unkritisch übernimmt und unhinterfragt lässt. All dies ist seit vielen Jahren massenhaft, um nicht zu sagen: fast ausschließlich in Mainstream-Medien geschehen. Wo es Ausnahmen gab, waren sie nie nachhaltig. Oberstes Interesse gilt nach Durchsicht aller großen Nachrichten-Seiten der Bekämpfung einer Partei, die als einzige zugespitzt zu Verlusten von Lebensqualität, Sicherheit und kultureller Identität durch unkontrollierte Massen-Migration argumentiert (ohne hier deren gewiss vorhandenen Perspektivismus und Fragwürdigkeiten weiter zu reflektieren – dies allein geschieht, wie gesagt, ja als Einziges in ebenjenem Mainstream). Den vorangehenden Beitrag habe ich eingeleitet mit einer Bemerkung von Erschöpfung und Resignation (die sich einzig auf solche Auseinandersetzungen im wissenschaftlichen und politischen Rahmen, bezieht, die ich ausgehend und hinführend zu meinen Buch-Publikationen als weitgehend ergebnis- und zumal für mich persönlich fruchtlos ansehen muss; weder gab es jemals umfangreichere Resonanz, noch nennenswerte finanzielle Einnahmen oder anderweitige Unterstützung – stattdessen seit nunmehr 20 Jahren zunehmende Kosten, viel unbezahlte Arbeit und persönliche Zerwürfnisse meist einseitiger Art). Man könnte solche Beiträge täglich in nahezu beliebigem Umfang mit neuen Beispielen ausstatten (dies wäre Aufgabe einer empirischen Medienforschung, die aber in ihrer Durchführung entweder schwerreiche Mäzene oder den Staat als Dienstherr voraussetzen würde). Abschließend erwähne ich, dass es Bücher mit diesen Aufmerksamkeiten naheliegenderweise nur in als “neurechts” eingeordneten Verlagen gibt – die wiederum fast gänzlich von Besprechungen in einem Mainstream ausgeschlossen sind, der sich auf Begriffe wie “Demokratie”, “Debatte” und “Pluralismus” beruft. Manfred Kleine-Hartlage hat zwei Bände zum “BRD-Sprech” (2019/23) im Antaios Verlag veröffentlicht. Aus dem Manuscriptum Verlag ist Michael Esders mit “Sprachregime” (2020) zu nennen.
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