Die Original Spaßbremse zur Fußball-WM 2014
Es sind vier Wochen medialer Ausnahmezustand. Fußball-Weltmeisterschaft bedeutet: Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen rollenden Ball und die, die ihn treten. Dieses Video zeigt an Schnipseln aus Pressekonferenzen und Interviews mit Joachim Löw, Philipp Lahm und Oliver Bierhoff, dass sich hinter der naiven Fassade des Fußball-Theaters noch eine ganz andere Inszenierung verbirgt.
Vor dem Hintergrund des extensiven Spiels mit Personen-Doubles im Profi-Fußball erlangen die hier extrahierten Aussagen eines Löw und Lahm eine zweite Bedeutung. Hier wird klar, was Innenansichten der Fußball-Industrie sind – und wie rigide die Schweigepflichten sind in diesem filzigen Spiel um sehr viel Geld.
Unangenehm fällt der autoritäre Ton auf, den ein Philipp Lahm (* 1983) anschlängt, wenn er merkt, dass Journalisten ihm und seinen Mittätern auf der Spur sind. „Das gibt’s im Fußball nicht!“ heißt es da. So sind diese Medien-Promis im Laufen und Sprechen trainiert. Widerspruch gegen die für einige wenige ertragreiche Unter-Haltungs-Maschine wird nicht geduldet. Dazu gibt sich ein Philipp Lahm dann noch – sicher nicht ohne Steuerersparnis – die Fassade des Wohlttäters, der im Verbund mit einer Krankenkasse eine Stiftung für Kinder und Jugendliche betreibt. Dort sollen „Werte“ vermittelt werden („Charity-Lunch im Königshof“).
Zu solchen „Werten“ fällt Lahm offensichtlich nur Bewegung und Ernährung ein. Dagegen spricht für sich genommen nichts. In meiner eigenen Kindheit brauchte man dafür allerdings nur vernünftige Eltern und keinen Philipp Lahm. Heute aasen McDonald’s, RTL & Co. mit ihren Profit-Interessen im Leben der lieben Kleinen herum, bis sie krank sind. Und dann kommt ein durchtrainierter Fußball-Millionär daher und gibt dem Ganzen noch einen menschlichen Anstrich. Sollte er seine Klappe einmal gegenüber Nahrungsmittel-Konzernen und Kinder-TV-Produzenten aufmachen, nehme ich diese Zeilen gerne zurück.
Man hat Lahm aber offensichtlich eingeredet, dass er weiß, was er tut. Ihm fällt scheinbar nicht auf, dass er einer der Motoren ist – in einer Luxusautos-Urlaub-Sex-Welt, die es für die allermeisten nur in der Fantasie gibt. Das ist es, was die wenigen Fußball-Promis in großer Mehrheit den Massen vorleben, Lahm-Stiftung hin oder her.
Noch angemerkt sei ein Phänomen, dass hier und da einmal angesprochen wird, aber meist doch unter den Teppich fällt. Wer als erwachsener Mensch den Interviews eines Löw, Lahm oder Bierhoff folgt, stellt mit Befremden fest, worin die Sorgen dieser Personen bestehen. Sie leben – abgesehen vom pseudo-sportlichen Raubbau an ihrem Körper – in einer recht sorglosen Welt, in der es neben ihrem geliebten Fußball-Kicken teure Konsumgüter, ebenso teure Wohnungen und jedwede Dienstleistung gibt, derer sie selbst bedürfen. So faselt ein Bierhoff vor Millionenpublikum von den Eigenheiten des Trainingslagers in Brasilien gegenüber Luxus-Hotels. Immer wieder wird – sicher vorbereitet von PR-Agenturen – etwas eingestreut, was ‚Normalmenschlichkeit‘ suggeriert (gemeinsamer Kühlschrank der Mannschafts-Wohngemeinschaften).
Auf jeden Unsinn, der sich anbietet, wird ausführlichst eingegangen. Welcher Mensch wird sonst, wie Jogi Löw, ausgiebig nach seinem Frühsport ausgefragt? Und wer um Himmels Willen hat in seinem Leben Platz für solche Unwesentlichkeiten einer ihm persönlich unbekannten anderen Person?
Das alles wäre gar nicht der Erwähnung wert, wenn es die breite Öffentlichkeit nicht so viel Zeit kosten würde. Deshalb in diesem Video die Konfrontation mit so immens wichtigen Themen wie der Eurokrise und des drohenden Staatsbankrotts in Deutschland. Wer aus der Sicht von Eliten auf ein Massenpublikum blickt, bemerkt, dass sich – belegt durch Einschaltquoten und sonstige Indikatoren – die meisten sehr viel mehr für den Tinnef aus der DFB-Quatschbude interessieren als für ihre eigenen Lebensgrundlagen. Historisch gesehen hat sich solch eine Verhaltensweise immer bitter gerächt.
Und die Eliten sehen darin auch eine höhere Gerechtigkeit. Sie haben Volkspädagogik und Sozialstaat schon längst aufgegeben. Sie geben diesem Volk das, wovon sie ihm eingeredet haben, dass es dies am liebsten haben wolle. Und im Übrigen läuft, relativ unbeobachtet und unkritisiert, das Spiel der letzten Jahrzehnte weiter: Umverteilung von Wohlstand von den vielen zu ganz wenigen, Abbau von Sozialstaat, rasender Wertverlust der Geldwährungen. Dass Lahm, Löw oder Bierhoff angesichts dieser Realitäten bei ihren langwierigen und irreführenden Trivialitäten zuweilen auch der Atem stockt, bemerkt man glücklicherweise noch in einigen wenigen Momenten.
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