Was jetzt in die Leitartikel über #Integration gehört (zu #Dlf Agenda) | #Flüchtlinge
Heute vormittag lief im Deutschlandfunk eine Gesprächssendung mit Publikumsbeteilung, “Agenda”, zu dem Thema: “Aus dem Blick geraten – wie steht es um die Integration von Flüchtlingen?” (Audio-Datei) Die 90 Min. waren, wie anfangs und abschließend ausdrücklich bemerkt, einmal wieder viel zu kurz für ein solches Thema. Die Ökonomie der Programmplanung mit allerlei religiösen Spirenzchen und nicht selten redundanten angeblichen ‘Vergangenheitsbewältigungen’ noch und nöcher ist in diesem letzten großen bildungs- und sprachorientierten Radioprogramm ein eigenes Thema. An dieser Stelle möchte ich nur zwei Äußerungen hervorheben, von denen ausgehend hier und anderswo Programmplanung und auch politische Diskussion durchaus ganz anders auszusehen hätte als über viele nun vergangene Jahre hinweg.
Eine wesentliche Äußerung kam von einer Anruferin aus Dresden, Gloria Ziller:
Ich bin an den deutschen Sozialarbeitern und Behörden mit meiner Integrationsarbeit gescheitert. Wie ich Ihnen in meiner Mail geschrieben habe: ganz am Anfang ein großes Flüchtlingsheim, ungefähr 100 Flüchtlinge … Da kamen nur sieben von zum Unterricht. Dann wurde mir von deutscher Seite gesagt – als ich sagte, wir fangen morgens um 9 an -: “Nein, Frau Ziller, das geht nicht, da schlafen die noch.” Dann: Ramadan. “Nein, das geht nicht, da können Sie keinen Unterricht machen. Die haben Ramadan. Also: von deutscher Seite gescheitert. [Die weitere Schilderung betrifft eine Iranerin, der sich die Anruferin stattdessen über sechs Jahre persönlich widmete, um festzustellen, wie mühsam und dysfunktional auch bei besten Absichten, Leistungsbereitschaft und -fähigkeit sowie in kompetenter Begleitung die Abläufe der deutschen Verwaltung sind.]
(Frage und Antwort ab 39:14 Min.)
Nun – nichts anderes war zu erwarten. Nichts anderes ist wesentlicher Tenor von Gesprächen, die ich seit der sog. “Flüchtlingskrise” 2015 ff. im privaten und halböffentlichen Rahmen immer wieder geführt habe, um auch im Blog langwierig auf Problemstellungen und Diskurshemmnisse hinzuweisen, die ich beobachte. Schon ein aus meiner Sicht eher moderater kritischer Zugang hat soziale Sanktionen in einer heute im Mainstream “linksgrün” geprägten deutschen Gesellschaft, zumal der angeblich ‘höher Gebildeten’, zur Folge. Auch das ein eigenes Thema, aber außer fast ausnahmsloser blasierter Ignoranz kontinuierlich geförderter Professioneller in Akademien und Redaktionen bis zu offenen oder subtilen Exklusions- und Diffamierungshandlungen im Privaten lässt sich aktuell keine weitere Folge feststellen. (Wo ich einmal zitiert wurde, weiß ich nicht – wenn jemand z. B. auf academia.edu nachsehen und mir Fundstellen nennen mag, nur zu. Meine spärlichsten eigenen Finanzmittel sind dafür nicht vorgesehen.)
Die von der Betroffenen aus Dresden beschriebenen Zustände schimmerten durch manche Meldungen hindurch – es waren in meiner Kenntnis der bundesweiten Presse vereinzelte Meldungen, wie es um den Besuch von Sprachkursen steht. Da, wo ein Zwischenfazit eher schonungslos der Äußerung Gloria Zillers entspricht, dürfte es in den meisten größeren Redaktionen nicht veröffentlicht und schon gar nicht zum Leitthema gemacht worden sein. Und man muss sich fortgesetzt fragen: Warum? Die heute in Institutionen Privilegierten wehren eine Reihe von recht offensichtlichen plausiblen Erklärungsansätzen in einer propagandistischen Sprachpampe als “Verschwörungstheorie” ab und radikalisieren damit wohl eher frühere eigene Desinformationswellen.
Was den ehemals vom Verfassungsschutz als Linksradikaler beobachteten Frank-Walter Steinmeier in seiner heutigen Funktion als Bundespräsident dabei reitet, die Ramadan-Folgen schönzureden, hatte ich folgenlos schon 2017 gefragt und an Realitätsfragmenten erläutert. Verantwortliches Handeln auf Seiten von Politikern und Journalisten würde leider bedeuten, diese Fehleinschätzungen nicht, wie sonst immer, einfach der Vergessenheit anheimzugeben. Die Erinnerungsarbeit, von der Sonntagsreden gerne handeln, könnte zur Abwechslung ja einmal dazu stattfinden.
Eine in diese typologische Richtung weisende preisgekrönte Koriphäe des Wissenschaftsbereichs ist Claus Leggewie, der zeitweise mehrere Professuren bekleidete. An ihn schrieb ich, ebf. in Reaktion auf den Dlf, 2017 einen offenen Brief hier im Blog:
Eine Obergrenze für Flüchtlinge lehnen Sie ab (http://www.deutschlandfunk.de/einwanderung-politologe-mehr-fluechtlinge-in-europa.691.de.html?dram%3Aarticle_id=317646). Wenn Sie sich dort „etwas ausdenken für demographisch schrumpfende Regionen“, wird nicht als erstes Familien- und Strukturpolitik erwähnt, sondern es sind „Flüchtlinge“, die dort perspektivisch angesiedelt werden könnten. Über deren Sozialstruktur wäre als nächstes zu sprechen. Der Moderator zitiert Sie inhaltlich, „Bootsflüchtlinge aus Afrika[] könnten die entvölkerte[n] Dörfer und Äcker in Brandenburg beleben“. Auch wenn Ihnen dort noch allgemein „Willkommenskultur“ fehlt, weiß ich nicht, ob Sie hier in einem realistischen Modus sprechen.
Den von mir konstatierten Realitätsverlust des 68er-Professors Leggewie bestätigt nun auch ein weiterer Anrufer in der Agenda-Sendung, Prof. Herbert Brücker vom Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Er kritisiert gerade das, was Leggewie damals als eine mögliche ‘Lösung’ für die stark erhöhte Zuwanderung diverser Kriegs- und/oder Armuts-Flüchtlingsgruppen präsentieren wollte. Brücker über “Flüchtlinge” der letzten Jahre:
Die haben wir überdurchschnittlich auf Regionen verteilt, wo die Arbeitslosenquote überdurchschnittlich hoch ist.
Brücker bemerkt, dass in Wohlstandsregionen und Großtstädten, die Migranten von sich aus bevorzugt wählten, Integration oft erstaunlich gut verlaufe. Dazu sei hier noch einmal die Arbeitsthese vermerkt, dass hieraus auch der Realitätsverlust vieler Verantwortlicher und Meinungsmacher resultieren dürfte. Sie leben selbst so gut wie ausschließlich in diesen Wohlstandsbereichen. Und ihre Sicht des Migrationsgeschehens ist entsprechend verzerrt, was sich durch verschiedene Mechanismen soziokultureller Segregation noch verstärkt. Aus jahrelanger Beobachtung und Nachfrage resultiert bei mir persönlich das Ergebnis, das (nicht nur hier) heutzutage oft die letzten, die von manifesten Realitäten Kenntnis erlangen, die offiziell lizensierten angeblichen “Experten” sind. (Der nächste Schritt, der auch psychologisch fast unausweichlich ist, sind Abwehr und Verleugnung sowie Aggression gegenüber den Fragestellern.) Eine wesentliche Ursache – neben den weiter zu analysierenden Auswahl- und Anreizsystemen – dürfte eine Ideologisierung sein, die in der Post-68-Republik eine bis heute schrittweise verstärkte Wirkung des sprichwörtlichen Marsches durch die Institutionen ist, wie er mit Steinmeier im Amt des Bundespräsidenten gipfelte.
Tut mir leid – sobald in diesen Leitmedien authentische Äußerungen zu diesem Thema auftauchen, zerbröselt die Agenda heutiger deutscher Universitäten und der großen Redaktionen. Das ist der kontinuierliche Eindruck. Bis Verantwortliche mit dem, was sie zu verantworten haben, konfrontiert werden, vergehen, wenn es dazu kommt, viele Jahre. (Gloria Ziller erwähnte in ihrem Anruf noch die 2020er Buchveröffentlichung “Politische Männlichkeit” von Susanne Kaiser. Deren Schwerpunkt scheint jedoch laut Waschzettel leider auch auf “Rechtspopulismus” statt “Bushido” zu liegen. Schade. Früher gab es mal Begriffe von Ausgewogenheit oder Angemessenheit. Wer wohl ein Interesse daran hat, dass sie hier keine Anwendung finden, und dieses Interesse auch noch durchsetzen kann?) Die so geschaffenen Realitäten haben andere zu ertragen, denen man mit Kampfbegriffen des “Rechtspopulismus” oder gar “Nazitums” schon seit Jahrzehnten brutalst das Wort abschneidet. Das ist der Grund, warum dieser neue Mainstream unangenehmste Eigenschaften aufweist, warum das Rot dieser Stiefel heute so bräunlich wirkt. In Teilen der Internet-Gegenöffentlichkeit ist das eine Binse. An den herrschenden Strukturen und ihrem wirtschaftlich-organisatorischen Fundament ändert dies einstweilen gar nichts, und jede tiefergehende Analyse dazu führt bisher in die schon erwähnten Abwehrgewechte, Diffamierungsspiralen und fruchtlosen Sprachspiele, wo nicht schon der von hegemoial-linker Seite heute bevorzugte Kommunikationsabbruch stattgefunden hat.
Unsere Geduld, von Aydan Özoğuz (SPD) daran erinnert zu werden, Deutsche hätten vermutlich auch Probleme, in 3-4 Jahren Fachtexte aus Afghanistan zu verstehen, sollte nicht ewig währen. (In einer Sendung, die nicht in heute eher unnötiger Zeitbegrenzung stattfände, könnte man nachfragen, welche Fachtexte sie eigentlich meint. Und in unserer “Informationsgesellschaft” finde ich gerade in mehreren Suchmaschinen gar nichts zu “Paschtu Wortschatz gesamt”, obwohl ich meine, dazu schon eine Angabe gelesen zu haben.) Ich will hier überhaupt nicht hetzen. Ich habe selbst gar keine Berührung etwa zu Angehörigen des Islam – heute bei näherer Betrachtung nicht einmal mehr mit irgendeinem von aktuellerem Migrationsgeschehen betroffenen direkten Umfeld. Aber alle Geschichten, die ich aus im weitesten Sinn ‘einheimischer’ Perspektive etwa aus Berlin-Neukölln oder Kreuzberg aktuell höre, sind deprimierend, wenn nicht besorgniserregend. Der letzte Afghane, von dem ich hörte, kam in den vergangenen Jahren mit Familie nach Deutschland und erhielt über eine Stiftung eine Wohnung in einem Umfeld, das die meisten Deutschen aus mehreren Gründen kaum je erreichen werden. Als Gegenleistung sollte er Hausmeister-Dienste verrichten. Als es ihm wiederholt nicht gelang, wöchentlich Mülltonnen termingerecht herauszustellen, erfolgte schließlich die Entlassung und sein Wegzug. Am Sprachenlernen war man nicht besonders interessiert, aber an Hilfestellung. “Frau zu Hause”, hieß es.
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