#Energiesicherheit im Schnell-Check (aus aktuellem Anlass)
Der Energie-Notstand in Folge des Ukraine-Kriegs scheint zu einem Stresstest für grüne Politik zu werden. Ob “grün” dabei wirklich gleichbedeutend mit “ökologisch sinnvoll” ist, steht immer wieder in Frage. So überzeugend die Idee Erneuerbarer Energien auf den ersten Blick sein muss – das Sprichwort vom Teufel im Detail gilt auch hier. Prekär für das linksgrüne Milieu ist, dass man dazu komplexe Rechnungen, anschließend komplizierte Technik mit eigenem Rohstoff- und Nachschub-Bedarf benötigt, die auch nicht frei von weiteren Umweltbedingungen bzw. Fragen der sozialen Verträglichkeit sind. (Nach meiner Lebenserfahrung votieren Naturwissenschaftler, Ingenieure und Betriebswirtschaftler eher in andere politische Richtungen. Der amtierende grüne Wirtschaftsminister, Robert Habeck, ist ein studierter Literaturwissenschaftler.) Es müssen realistische betriebswirtschaftliche Einschätzungen vorgenommen werden, in denen alle Kosten in Verrechnung mit Subventionen berücksichtigt sind. Und es müssen realistische Energiebilanzen her, in denen der Energieverbrauch für alle Komponenten komplett einfließt.
Die aktuelle Lage fasst Georg Ismar im Tagesspiegel (16.10.2022) ausgehend von dem SPD-Wirtschaftsexperten Nils Heisterhagen zusammen:
Es brauche rasch Ideen, wie die Gaslücke gefüllt und die Preise gedämpft werden sollen, allerdings kollidieren die Ideen dann schnell mit den Klimazielen – nur nicht bei der Atomkraft.
Ein Weg wäre mehr Flüssiggas, aber die Grünen stemmen sich gegen den Bau von allzu vielen Terminals an den Küsten. Gas-Fracking ist in Deutschland bisher nicht durchsetzbar, die Reserven in der Nordsee sehr gering. So stoßen viele Ansätze an ihre Grenzen.
https://www.tagesspiegel.de/politik/akw-streit-nur-ein-mosaikstein-die-energiekrise-und-die-sorge-vor-einer-deindustrialisierung-8758879.html
Zum Thema sendete ich einen Tweet …
… und nehme ihn zum Anlass, das noch einmal mit Zahlen zu unterlegen. Meine vorläufigen – über Jahre korrigierten – Ansichten dazu basieren nicht nur auf Argumenten, die etwa Fritz Vahrenholt vehement vertritt, der bekanntermaßen auch Lobby-Funktionen für die Industrie ausführt. Sachkompetenz wird man ihm dennoch nicht abstreiten können. Zu meinen Erfahrungen gehört, dass ich etwa einen Professor, der Windenergie beforscht, per Mail-Dialog nicht zu konkreten Antworten auf Aussagen Vahrenholts in der folgenden Talk-Runde bewegen konnte:
Solche Erfahrungen tragen dann zu einer Skepsis bei, die sich außerdem in vorläufiger Betrachtung mancher Modellrechnungen und Machbarkeitsstudien ergeben. (Das ist allerdings bei mir kein Themenschwerpunkt, seit ich vor einem Jahrzehnt zwei Jahre etwas Marketing in der Solar-Branche machte.)
Ich mache gerade nochmal einen neuen Ansatz, um aktuelle Informationen einzusehen. Erstmal zum Gesamt-Strombedarf in Deutschland:
Der Nettostromverbrauch in Deutschland betrug im Jahr 2021 rund 508 Terawattstunden.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164149/umfrage/netto-stromverbrauch-in-deutschland-seit-1999/
2012 stellte die Fraunhofer Gesellschaft einen positiven Ausblick. Zum Flaschenhals der Speicher-Technologien hier zwei Kernaussagen:
Hier haben wir Pumpspeicher-Kraftwerke und Batterien als Stromspeicher modelliert sowie Wärmespeicher in unterschiedlichen Größen auf Basis von Wasser als Speichermedium.
[…]Die Leistung und die speicherbare Energiemenge der implementierten Pumpspeicherkraftwerke wurden mit 10 GW bzw. 60 GWh als konstant angenommen und für die Verwendung von Biomasse im Strom- und Wärmesektor wurde ein fixer Wert von 50 TWh (gasförmige Bio-Brennstoffe) festgelegt.
https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/studie-100-erneuerbare-energien-fuer-strom-und-waerme-in-deutschland.pdf
Es geht also bei der Speicherung Stand 2012 um eine solche Größenordnung: 50 TWh in Form von Biogas. Die für mobile Anwendungen notwendigen Akkus, vornehmlich aus dem Rohstoff Lithium, scheinen quantitativ für Großspeicher keine Rolle zu spielen (1 TW = 1.000 GW):
So erwartet das vom US-Energieministerium finanzierte National Renewable Energy Laboratory (Nationales Labor für erneuerbare Energien), dass die Kosten für Lithium-Ionen-Batterien bis 2030 um weitere 45 Prozent fallen.
Experten gehen davon aus, dass die installierte Leistung schnell zulegen wird, wenn die Preise weiter fallen – eine ähnliche Entwicklung wie schon bei Photovoltaikzellen. So sieht die Deutsche Energie-Agentur in einer Studie voraus, dass die installierte Leistung bei Großbatteriespeichern von aktuell weniger als einem Gigawatt bis 2037 auf mehr als 20 Gigawatt stark wachsen wird.
https://www.enercity.de/magazin/unsere-welt/batteriespeicher-sichern-netzstabilitaet
Die Agora Energiewende stellt eine umfangreiche Studie, “Stromspeicher in der Energiewende” (2014), zur Verfügung, die für Laien jedoch nach wenigen Seiten viel zu komplex und in ihrer Sprachform kryptisch sein dürfte.
Ich suche darin nach Anschlusspunkten für das Thema Stromspeicher, gelenkt durch die 2012er Fraunhofer-Prognose zu Biogas:
Aufgrund der derzeit noch hohen Wirkungsgradverluste von Power-to-Gas als Stromspeicher in Höhe von 60 bis 70 Prozent kann Power-to-Gas den Energietransport über Stromnetze und den damit verbundenen notwendigen Stromnetzausbau nicht wirtschaftlich ersetzen, sondern maximal ergänzen. Power-to-Gas wird zunächst eine Rolle in anderen Sektoren wie dem Verkehr spielen und analog zur Elektromobilität einen zusätzlichen Stromverbraucher für das Stromsystem darstellen (Sterner, et al., 2014).
[…]Aufgrund von wirtschaftlichen Aspekten wird Power-to-Gas erst mit einer hohen Anlagenauslastung im Szenariojahr 2050 konkurrenzfähig.
[…]Es zeigt sich, dass Stromkraftstoffe heute selbst im besten Fall noch nicht wirtschaftlich sind, da der Strom selbst bei kostenlosem Bezug zu teuer ist.
https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2013/speicher-in-der-energiewende/Agora_Speicherstudie_Web.pdf
Das klingt erst einmal nach Zukunftsmusik – jeder Diskutant spricht von Prognosen, die für die Zukunft immer schwierig seien, hier klingt es streckenweise wie ein Selbstläufer, wird aber abschließend auch eingeschränkt. Was mir meistens fehlt (ich spreche unter Vorbehalt, weil ich gerade nur durch die Dokumente skippen kann), sind auch nur am Rande Anmerkungen zu allen notwendigen Rohstoffen.
Bleiben wir zunächst noch bei Biogas. Dazu kann jeder selbst googlen – merke ich hier an, weil ich das gerade nicht irgendwie komplett ‘abbilden’ kann. Festzuhalten gilt es in kritischer Sicht, dass es systemische Folgen gibt, die in die Kalkulation einbezogen werden wollen:
Biogasanlagen haben aber ein Problem: Ihr Gewinn ist abhängig von den weltweiten Preisen für Agrarprodukte. Wenn immer neue Biogasanlagen entstehen, verschärft sich die Konkurrenz um Biomasse vom Acker. Das treibt die Preise für die Pacht in die Höhe, die manchmal nur noch Großinvestoren bezahlen können. Sie pflanzen dann auf riesigen Ackerflächen Mais und andere Feldfrüchte, die in Biogasanlagen landen.
Biogas mit Imageschaden
Biogas gilt als flexibler Energieträger, denn es ist im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie speicherbar. Das war ein zunächst wichtiger Grund, die Anlagen zu fördern. Doch die Verteuerung des Ackerlandes, der Einstieg von Großinvestoren und immer mehr Monokulturen wie Mais haben das zunächst gute Image der Biogasanlagen beschädigt.
https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/nachhaltigkeit/erneuerbare-energien-biogas-nachwachsende-rohstoffe-biomasse-100.html
Dementsprechend wurde zuletzt die staatliche Förderung für Biogas eingeschränkt.
Einen anderen Weg der Energieerzeugung gehen “Power-to-X-Technologien”, zu denen “Power-to-Gas” zählt. Hierbei wird also Energie in einer Weise in Substanzen gespeichert, wie dies prinzipiell bei fossilen Brennstoffen oder Biogas auch der Fall ist, bei hierzu verwendetem Ökostrom aber – dem Prinzip und dessen Absicht nach jedenfalls – umweltverträglicher.
Dieses Beispiel hat hier dann eine Grenze in einer schon stundenlangen Recherche:
Eine 2017er Studie von Regensburger und Hamburger Forschern, “Notwendigkeit und Chancen für Power-to-X-Technologien” hat zwar einen Abschnitt “Bedarf und Notwendigkeit von PtX in den einzelnen Sektoren”, aber während ihr Titelbild eine Anlage aus metallischen hochkomplexen Elementen zeigt, geht es an allen Fundstellen für den Begriff “Rohstoff” immer nur um jene Rohstoffe, die durch mit Elektrizität behandelte andere Stoffe als erneuerbare Energieträger substituiert werden sollen; nicht aber um die Frage, wie aufwändig diese Verfahren sind und welche anderen Rohstoffe hierbei vonnöten sind. Fritz Vahrenholt rechnet zu den von ihm abgelehnten Konzepten der Versorgungssicherheit laufend zu hohe Kosten und andere Grenzen der Machbarkeit vor. Ich suche bisher vergeblich nach Informationen der Gegenseite, die dies entkräften können.
Auch in der 2017er Studie lautet das Fazit für den Ist-Zustand:
Da die Notwendigkeit für PtX in Zukunft besteht, sollten diese Technologiepfade bereits heute in den entsprechenden Planungen der großen Abgabenreform und den Netzentwicklungsplänen für Strom und Gas aufgenommen werden. Nur so kann ein wirtschaftlicher Betrieb von PtX-Anlagen in Deutschland gewährleistet werden, der heute selbst bei einem Anlagenwirkungsgrad von 100 % und null Investitionskosten aufgrund der Abgabenlast nicht möglich ist.
https://www.dvgw.de/medien/dvgw/verein/energiewende/ptx-allianz-energiewirtschschaftl-kurzgutachten.pdf
Die Agora Energiewende hat 2014 ja ebenso für die unmittelbare Gegenwart eindeutig eine Nicht-Machbarkeit konstatiert, stellt aber in ihren Szenarien eine komplette Machbarkeit über die nächsten Jahrzehnte hinweg in Aussicht:
Analog zu Batteriespeichern entwickeln sich auch in der chemischen Energiespeicherung die Märkte zunächst außerhalb des Stromsektors. Power-to-X ist eine vielfältige Technologie zur Energiespeicherung und weit mehr als ein Stromspeicher. Durch diese Flexibilität ist es möglich, auch im Verkehrs- und Chemiesektor eine Dekarbonisierung zu gestalten.
In diesen beiden Bereichen ist die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen besonders ausgeprägt und sind die erneuerbaren, CO2-neutralen Alternativen spärlich. Strom kann zwar direkt in der Elektromobilität und verschiedenen verfahrenstechnischen Prozessen eingesetzt werden und dort direkt fossile Energie substituieren. Im Kern sind beide Sektoren jedoch auf Energieträger mit hoher Ener- giedichte angewiesen, wie sie nur chemische Energieträger wie Kohlenwasserstoffe aufweisen.
So ist eine Elektrifizierung von weiten Bereichen im Verkehr wie dem Luft- und Schiffsverkehr sowie dem Güter- und Langstreckenverkehr über Batterien nicht möglich und auf Stromkraftstoffe angewiesen, da die andere alternative Biomasse seitens nachhaltigem Potenzial und gesellschaftlicher Akzeptanz eingeschränkt ist.
Die Folge ist ein deutlich höherer Strombedarf, der jedoch über verschiedene Wege der Stromkraftstoffproduktion gedeckt werden kann. Falls sich diese Märkte auch nur zu einem geringen Anteil der prognostizierten Marktanteile entwickeln, kann die Power-to-X-Technologie wie Power-to-Gas mit seinen Kernkomponenten der Elektrolyse und verschiedenen Synthesen in die Kostendegression gehen, sodass auch dem Stromsektor über kurz oder lang Power-to-Gas als günstige Flexibilitätsoption im Lastmanage- ment zur Verfügung steht. Langfristig kann Power-to-Gas auch im Stromsektor einen kosteneffizienten Beitrag leisten, um sehr hohe Erneuerbare-Energien-Anteile über längere Zeiträume zu speichern. In einer rein erneuerbaren Stromversorgung, die zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien basiert, stellt aus heutiger Sicht Power-to-Gas in Verbindung mit der Gasinfrastruktur hierzu in Deutschland die einzige Technologie zur Langzeitspeicherung dar.
Die Technologie Power-to-Gas ist eine Kernkomponente zu der Dekarbonisierung von Verkehrs- und Chemiesektor und bietet zusätzlich dem Stromsektor bei entsprechen- der Entwicklung langfristig einen Mehrwert. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, eine Technologie- und Marktentwicklung anzustreben, um die sektorenübergreifende Rolle dieser Technologie unterstützend zur Entfaltung zu bringen.
https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2013/speicher-in-der-energiewende/Agora_Speicherstudie_Web.pdf
Die Prognosen zeichnen – wohl nicht selten – eine Welt, die innerhalb der letzten Monate radikal in Frage gestellt wurde. Alles, was mit High-Tech zu tun hat, hat eigenen Rohstoffbedarf. Im Fall von digitalen Infrastrukturen gehören dazu Seltene Erden, deren größte Vorkommen sich in China befinden. Wer beim Thema Digitalisierung (auch im Energiesektor) nicht gleichzeitig Geopolitik betr. China im Monitor behält, darf sich also nicht der größten argumentativen Lauterkeit rühmen, oder?
In der Agora-Energiewende-Studie finde ich den Suchbegriff “Lithium” in einzelnen Diagrammen und Tabellen sowie zur Lebensdauer von Batterien. Außerdem im Text solche Statements:
Bei Lithiumbatterien kann die Kostenentwicklung und Kostensenkung als relativ sicher angenommen werden, da diese voraussichtlich durch die Elektromobilität getrieben wird und relativ unabhängig von der Marktgröße für stationäre Batteriespeichersysteme ist. Eine separate Entwicklung für stationäre Anwendungen ist grundsätzlich möglich und wird von mehreren Unternehmen verfolgt, da die Anforderungen für Batterien in Mobilitätsanwendungen in einigen Bereichen höher sind als für stationäre Anwendungen: Energie- und Leistungsdichte, Betriebstemperaturbereich und mechanische Belastungen. Allerdings ist der Elektromobilitätsmarkt potenziell so groß, dass hier durch Economy-of-Scale-Effekte trotz höherer Anforderungen wahrscheinlich günstigere Preise erzielt werden können, als dies für spezielle Produktlinien für den stationären Bereich möglich ist.
[…]Insbesondere Lithium-Ionen-Batterien zeigen bereits aktuell eine dramatische Preisreduzierung, die vor allem durch Märkte für Elektromobilität und eine aggressive Preispolitik der asiatischen Batteriehersteller getrieben wird.
Keinem, der zu diesem Thema ein wenig mitliest, muss ich das eigentlich erklären:
Der Lithiumabbau im Salar de Atacama hat also bereits unabsehbare Schäden hinterlassen. Welche das sind, werden wir erst wissen, wenn es zu spät ist. Ähnliches wird für alle Rohstoffe gelten, die in großer Menge in empfindlichen Ökosystemen gefördert werden: Manche Auswirkungen sind nicht unmittelbar sichtbar, aber anhaltend. Daher arbeiten Firmen an Alternativen. So könnte Lithium in größerem Maßstab recycelt werden. Andernfalls wäre der Preis der Energiewende ein zerstörtes Ökosystem am anderen Ende der Welt. (Dorian Schiffer, 13.7.2022)
https://www.derstandard.de/story/2000137382763/lithiumabbau-unabsehbare-schaeden-fuer-die-umwelt
An solchen Stellen hat ja leider eine vulgärgrüne Methodologie des Baum-Umarmens ihre Grenzen. Und man muss doch leider sagen, dass der Jargon der Agora Energiewende vor diesem Hintergrund durchaus so nassforsch wirkt wie früher ein enthemmter Atom-Lobbyismus (ohne dass ich die enorme Langzeit-Dimension von Folgen der Atomtechnik übersähe, die nur durch Techniksprünge entschärft werden könnte, die eben … schwierig zu prognostizieren sind).
Am 09.05.2022 fragt Philip Bethge im Spiegel:
Wie schafft Deutschland 3500 Terawattstunden Strom pro Jahr?
Plötzlich muss der Umbau ganz schnell gehen, wegen Putin, wegen des Klimas sowieso: Die Energiewende ist mit Wind und Solar möglich – aber mindestens ein Problem treibt Forscher und Politiker noch mehr um.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/energiewende-so-schafft-deutschland-3500-terawattstunden-strom-pro-jahr-a-9cecd155-1641-4f8e-99a7-3717803e08e4
Dieses Suchergebnis, das ich für eines der relevanteren halte, ist dann hinter einer Paywall verriegelt.
Zu Brennstoffzellen finde ich erstmal diese über 20 Jahre universitäre Abschlussarbeit des Physikers Martin Pehnt, “Ganzheitliche Bilanzierung von Brennstoffzellen in der Energie- und Verkehrstechnik” (2001). Sie ist im Tenor betont optimistisch und für mich nicht abschließend zu bewerten:
Brennstoffzellen sind sowohl in der industriellen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wie in der ungekoppelten Stromversorgung den hier betrachteten Konkurrenzsystemen sowie dem zukünftigen Strommix in fast allen Umweltwirkungen überlegen (Ausnahme: NMHC-Emissionen). Der Verbrauch erschöpflicher Ressourcen und der Treibhauseffekt werden gegenüber den Konkurrenztechnologien um 9 bis 13 % vermindert. Dabei ist die KWK – auch die konventionelle, auf Gasturbinen beruhende – wegen der parallelen Wärmeerzeugung besser zu bewerten als die ungekoppelte Stromerzeugung. Im Vergleich zur ungekoppelten Stromerzeugung mit einem Kraftwerksmix weisen Brennstoffzellen Treibhausgas- und Ressourcenvorteile von ca. 34 % (zentral) bis zu 45 % (KWK) auf.
Bei den anderen Umweltwirkungen, deren Beiträge bei Brennstoffzellen vor allem aus der Energievorkette bzw. der Herstellung der Kraftwerke stammen, sind Reduktionen um bis zu 92 % erzielbar.
In der dezentralen KWK ist der Verbrauch erschöpflicher Ressourcen aufgrund des niedrigeren Gesamtwirkungsgrades höher, die Emission von Treibhausgasen annähernd gleich wie die des betrachteten Konkurrenzsystems (fortschrittlicher Ottomotor). Großer Wert ist bei zukünftigen Entwicklungen daher auf die Verbesserung des Gesamtwirkungsgrades zu legen. Besonders die Wärmeauskopplung kann durch Brennwertnutzung und Nutzung der Reformerabwärme verbessert werden. In einer konkreten Versorgungsaufgabe führt die erheblich höhere Stromkennzahl des Brennstoffzellen-BHKWs bei gegebener thermischer Auslegung durch die Verdrängung größerer Mengen konventionell erzeugten Stroms zu einer positiven Bilanz dieser beiden Wirkungskategorien.
Alle anderen Wirkungskategorien werden im Vergleich zum Motor-BHKW um 40 % (NMHC) bis 88 % (Eutrophierung) gesenkt. Das Brennstoffzellen-BHKW bietet somit die Möglichkeit, die Vorteile der KWK zu nutzen, ohne, wie dies bei Verbrennungsmotoren der Fall ist, zu einer Mehremission im Vergleich zum Kraftwerksmix zu führen.
Die Verwendung biogener Brennstoffe in Brennstoffzellen vereint die Vorteile der geringen Schadstoffemissionen mit geringerem Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen. Die Biogas-Nutzung verdeutlicht zudem die Vorteile der höheren Stromkennzahl von Brennstoffzellen bei mangelhafter Wärmenachfrage. Allerdings wird auch offenbar, dass der Brennstoff für die Wirkungskategorien Ressourcenverbrauch und Treibhauseffekt eine größere Rolle spielt als der Energiewandler. Der hohe Wirkungsgrad von Brennstoffzellen führt zu einer höheren Ausschöpfung der begrenzten Potenziale von biogenen Brennstoffen.
https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/dissertation_pehnt.pdf
Es bleiben für mich hierzu erstmal noch Fragen nach der Verfügbarkeit von Rohstoffen zu klären. Dies wird umso komplizierter, als hierbei wiederum mehrere Technik-Ansätze konkurrieren. Man kann in der Wikipedia ausgehen vom Eintrag über Brennstoffzellen, dann weiter zum Nickel-Eisen-Akkumulator, zur Festoxidbrennstoffzelle, zur Alkalischen Brennstoffzelle u. a.
Für Power-to-X sind als Hardware zunächst relevant Elektrolyseure. Unter “Saurer oder PEM-Elektrolyseur” werden als Bauteile sogleich Edelmetalle wie Platin, Iridium und Ruthenium erwähnt.
Ist uns irgendeine öffentlich zugängliche Information bekannt, wie sich Grüne hierfür Lieferverträge über einen längeren Zeitraum vorstellen bzw. was für Eckdaten dafür in Anspruch genommen werden (bekannte Vorkommen und Gesamtmenge)?
Die Suchanfrage “Robert Habeck Elektrolyse” ergibt an erster Stelle Berichte wie diese:
Ökowasserstoff für alle? Die Fallstricke des Habeck-Plans für die Industrie
[…]Die EU-Kommission hat in ihrem in dieser Woche vorgelegten Repower-Plan, mit dem Unabhängigkeit von russischen Energieimporten erreicht werden soll, das Ziel definiert, dass im Jahr 2030 schon 20 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff eingesetzt werden sollen.
Aktuell gibt es diesen nur in sehr geringen Mengen aus Pilotanlagen. Die 20 Millionen Tonnen entsprechen in etwa einem Sechstel des aktuell weltweit hergestellten konventionellen Wasserstoffs, der vorwiegend durch die Zerlegung von Erdgas gewonnen wird. Zehn Millionen Tonnen sollen importiert werden – Favoriten sind nordafrikanische Länder.
https://www.rnd.de/politik/oeko-wasserstoff-fuer-alle-die-fallstricke-des-habeck-plans-fuer-die-industrie-ANOFNRCTTBDKNLO2ECY3QAHHWM.html
Laut Habeck sollen über das Förderinstrument langfristige Wertschöpfungs- und Lieferketten aufgebaut werden. Es werden zunächst Wasserstoff oder Wasserstoffderivate außerhalb der EU mit Zehn-Jahres-Verträgen eingekauft. Abgewickelt werden die Verträge über einen Zwischenhändler. Dieser soll die Produkte per Auktion an europäische Firmen verkaufen, die wiederum ihre Dekarbonisierung damit vorantreiben können.
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gruener-wasserstoff-habeck-ministerium-foerdert-wasserstoffwirtschaft-mit-900-millionen-euro/27922124.html
Energie-Schnorrer Habeck stürzt Deutschland in neue Abhängigkeiten
[…]Der vermeintliche Wunderstoff ist aber nicht nur wunderbar. Seine Produktion verschlingt sehr viel Energie, um Wasser in Wasser- und Sauerstoff zu spalten. Klimafreundlich ist diese Elektrolyse nur, wenn dafür nachhaltig produzierte Energie verwendet wird, also Strom aus Sonne oder Wind zum Beispiel.
https://www.focus.de/finanzen/news/analyse-energie-schnorrer-habeck-und-seine-traumschloesser-aus-wasserstoff-echt-jetzt_id_137074168.html
Es soll rasch mehr Elektrolyse-Anlagen an Windkraftstandorten geben, um diese Anlagen zugleich besser auszulasten. Allein für Stahl wird ein Energiebedarf von 15 Megawattstunde durch Wasserstoff bis 2030 angenommen.
https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/robert-habeck-das-sind-die-klimaplaene-des-bundeswirtschaftsministers-a-bac3685c-2af2-4e19-9b13-b526ca94d798
Eine direkte Äußerung des Wirtschaftsministers Habeck zu einem Rohstoff wie Iridium finde ich nicht. Eine interessante Fundstelle beim Spiegel wartet abermals hinter der Paywall. Zur Elektrolyse berichtet die Welt (26.04.2022):
Die Effizienz von PEM-Systemen sei etwa fünf Prozent besser als die der Alkali-Technologie. Sie benötige teurere Katalysatoren aus Platin und Iridium. Den besten Wirkungsgrad hätten noch teurere SOEL-Anlagen, die aber bei hohen Temperaturen betrieben werden müssen. Dafür wird bislang Erdgas verbrannt, was langfristig nicht nachhaltig ist. „Die Alkali-Technologie ist meiner Überzeugung nach die einzige, die im großen Maßstab zur Produktion von Wasserstoff eingesetzt werden kann“, sagt Roldan.
https://www.welt.de/wirtschaft/article238302679/Wasserstoff-So-sinnvoll-ist-es-Wasserstoff-aus-Australien-nach-Deutschland-zu-transportieren.html
Mit anderen Worten: Wir wissen noch gar nicht, was konkret wir dazu beurteilen sollten – selbst dann, wenn wir könnten. Sicher ist aber der Bedarf an bestimmten Rohstoffen sowie spezifische Energiebedarfe im Prozessverlauf, die in der Regel weiter optimiert werden (dies aber mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet).
Der eingangs zitierte Georg Ismar fasst im Tagesspiegel – in Anbetracht der weitreichenden Bedeutung schon wieder lapidar – die aktuelle Zwangslage bedrohlich zusammen. Weil es in jedem Punkt hierbei um die existenzielle Dimension geht, zitiere ich das in diesem Umfang (und empfehle, den ganzen Artikel zu lesen):
Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird beschleunigt. Doch dieser Strom kann bisher kaum gespeichert werden, Batteriespeicher sind teuer und Pumpspeicherkraftwerke lassen sich in der norddeutschen Tiefebene, wo es viel Windstrom gibt, kaum bauen. In der Industrie lautet das Zauberwort „grüner Wasserstoff“, aber bisher gibt es hier fast nur Pilotprojekte.
Was sagt die Industrie?
Wie viel auf dem Spiel steht, zeigt eine Zahl: Der Anteil der Industrie am Bruttosozialprodukt in Deutschland ist mit rund 20 Prozent doppelt so hoch wie in Frankreich. „Wenn wir in etwa zehn Jahren zurückblicken werden, könnten wir diese Zeit als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Deindustrialisierung in Deutschland betrachten“, schreiben Ökonomen der Deutschen Bank. Fahrzeug- und Maschinenbau, Stahl-, Chemie- und Elektroindustrie sind das Rückgrat der Wirtschaft.
Und die rasant steigenden Kosten dämpfen auch Investitionsmöglichkeiten für den Umbau: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat mit Blick auf das Ziel einer Klimaneutralität bis 2045 allein bis 2030 einen Bedarf von 860 Milliarden Euro an Mehrinvestitionen ermittelt. „Angesichts von Inflation und gestiegenen Energiekosten dürfte diese Summe inzwischen noch höher liegen“, betont der BDI.
Und man beschreibt das große Grunddilemma so: „Für die Klimaziele 2030 sind die erforderlichen klimafreundlichen Technologien überwiegend bekannt, jedoch für Unternehmen und Verbraucher noch nicht wirtschaftlich und/oder noch nicht im industriellen Maßstab verfügbar.“
Hinzu kommt, dass es mehr Fachkräfte und in diesem neuen Bereich kundige Ingenieure braucht. Und zum Beispiel im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt wird die Sorge geäußert, dass der Stahl, der mit Hilfe von Wasserstoff und strombetriebenen Hochöfen produziert wird, nicht mehr die gleiche Qualität hat, wie der heutige klassische Industriestahl. Das ist noch so ein Zielkonflikt.
[…]Für die Wasserstoffproduktion braucht es gigantische Strommengen, nach Ansicht von Experten kann Deutschland wegen des bisher hohen Industrieanteils und des nahenden Atomausstiegs nur so seine Klimaziele schaffen. Scholz setzt daher verstärkt auf den Import. Er warb in Kanada wie in den Golf-Staaten zuletzt um Kooperationen.
Experten schätzen laut Reuters, dass Deutschland 40 bis 60 Prozent des Wasserstoff-Bedarfs importieren muss. In Saudi-Arabien setzt man auf große Solarfelder in der Wüste. Dort ließe sich vielleicht auch sehr günstig Wasserstoff produzieren.
Aber der muss dann auch noch transportiert und über Terminals und Pipelines zu den Fabriken in Deutschland kommen. Und weil man nicht nochmal so abhängig wie von Russland werden will, braucht es auch möglichst viele Lieferländer.
https://www.tagesspiegel.de/politik/akw-streit-nur-ein-mosaikstein-die-energiekrise-und-die-sorge-vor-einer-deindustrialisierung-8758879.html
Wie in so vielen nicht selten lebenswichtigen Fragen unserer Zeit zeigen sich aus meiner derzeitigen Sicht an diesem Beispiel Verschleppungen und Reformstaus. Selbst, wenn ein Wähler der Grünen vor der letzten Bundestagswahl versucht hätte, über das Internet zu einer wohlbegründeten Wahlentscheidung für die Abschaffung von AKWs und die massive Durchsetzung Erneuerbarer Energien zu stimmen, wäre er nur in das hier einmal beispielhaft dokumentierte Info-Wirrwarr geraten. Umfangreichere, gut findbare Studien sind – wie hier zitiert – in mehreren Fällen etliche Jahre alt, was ihre Einschätzung für die laufende Diskussion zusätzlich erschwert.
Einige Zusammenfassungen der anderen Autoren habe ich zitiert. Sie lauten doch eindeutig so, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts anähernd erreicht ist von dem, was eine komplette Umstellung auf Erneuerbare in einem kurzen Zeitraum erlauben würde. Die Pläne reichen meist 10, 20 oder 30 Jahre weit in die Zukunft. Und sie hängen dann erstens ab von den dann bestehenden Zugängen zu verschiedenen Rohstoffen (je nach technischem Konzept) und den diesbetreffenden wirtschaftlichen, rechtlichen und geopolitischen Lagen. Falls weitere Schlüsselindustrien in andere Länder abwandern, wird sich die Frage für Deutschland dann nicht mehr stellen – das aber, wie die Skeptiker heute in Aussicht stellen, dann kaum jenes Industrieland mit gehobenem Wohlstand mehr sein würde, als dass es sich heute noch bezeichnen darf.
Die Sachlage ist nochmals stark vereinfacht gesagt: Sichere Energieversorgung bieten fossile Brennstoffe (deren Lieferketten derzeit im drastischen Umbau sind, während dabei die Preise steigen) und AKWs (mit bekannten, zuletzt deutlich sichereren technischen Standards, einem spezifischen Rohstoff-Bedarf nach Uran und dem Stand heute übermenschlich langwierigen Müll-Problem). Erneuerbare Energien stellen bereits eine nennenswerte Ergänzung dar, mussten bisher jedoch in unterschiedlicher Größenordnung subventioniert werden. Nicht nur eine quantitativ schon sehr bedeutende Alternative wie Biogas hat ökologische Nachteile (angeblich “grüne” Politik, nach der der Stoff klingt, bewirkt dabei je nach rechtlicher Lage Monokulturen und Druck auf die Lebensmittelpreise, was in ärmeren Ländern zu Hunger führen kann). Für welches Power-to-X-Konzept sich Industrieländer letztlich entscheiden, ist unklar, deshalb ebenso der Kostenrahmen und die damit verbundenen Rohstoff-Fragen.
Und nun erwartet eine deutsche Bundesregierung, die rhetorisch alles gegen Atomkraft auffährt und dabei ebenso in betonter Windeseile fossilen Brennstoffen den Rücken kehren will, die Akzeptanz von Betroffenen – obwohl die Zukunftssicherheit der grünen Pläne wohl kaum annähernd bewertet werden kann, allerlei und teilweise nicht einmal theoretisch auszuräumende Limitationen dabei heute kaum seriös kalkulierbare Kosten, Konflikte und existenzielle Unsicherheiten bedeuten?
Wer es besser weiß, darf es gerne kommentieren oder als Gastbeitrag einreichen. Im Gegensatz zu derzeitigen Bezahlmedien und Etablierten ist hier jede sachdienliche externe Verlinkung nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.
Man kann hierzu einen aktuellen Artikel auf Telepolis von Hans-Josef Fell gegenlesen:
https://www.telepolis.de/features/Neue-Batterietechnik-Energiewende-hat-kein-Speicherproblem-7473456.html?seite=all
“Zum Anderen ignorieren die ‘Studien’ oft ganz bewusst, dass es eine Vielzahl von Innovationen gibt, die gänzlich andere Techniken und Materialien beinhalten als die heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Diese Alternativen sind aber steil am Wachsen und werden schnelle Ergänzungen zu den im Markt befindlichen Batterien sein, wodurch die beschriebenen Probleme in den kommenden Jahren hinfällig werden.”
Man sollte hier aber auch die kritischen Kommentare beachten, wie z. B.:
https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Neue-Batterietechnik-Energiewende-hat-kein-Speicherproblem/Die-entscheidenden-Kenndaten-fehlen-wie-ueblich-bei-Artikeln-dieses-Autors/posting-42208805/show/
https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Neue-Batterietechnik-Energiewende-hat-kein-Speicherproblem/Sehr-schoen-Bringt-nur-nix/posting-42210002/show/