Diskussion zu #Soziobiologie, #Genetik, #Altruismus, Natur- und #Geisteswissenschaft
In einem der letzten Beiträge hat sich eine interessante Diskussion v. a. mit Ingo Bading ergeben, die um die in der Überschrift genannten Begriffe kreist. Weil viele die Kommentare von filmdenken nicht abonniert haben, bringe ich sie hier nochmal als eigenen Beitrag. Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
Die Wiedergabe beginnt hier bei der thematischen Einheit zu Natur- und Geisteswissenschaften. Zwischendurch gibt es nochmal einen Rückbezug auf eine Diskussion über Erhard Landmanns “Weltbilderschütterung”, die man im Kommentarbereich des Originalbeitrag bei Bedarf nachlesen kann.
Ingo Bading
11. Dezember 2017 um 19:02 Uhr
Die Qualitätskontrolle ist schlicht: Sich mit dem modernen Wissen über die Entwicklung des Weltalls, des Lebens und menschlicher Gesellschaften auf dieser Erde BREIT, so BREIT wie möglich und auf so AKTUELLEM Wissensstand wie möglich BESCHÄFTIGEN. Diese Beschäftigung selbst schon ist die Qualitätskontrolle. Weil jeder, der das tut, erst die FÜLLE der Aufgaben sieht, die hier zu leisten sind von den genialsten Köpfen und Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Techniken unserer Zeit. Und wenn ich diese FÜLLE von Aufgaben sehe, dann fällt als das allerkleinste Abfallprodukt ab die allzu billige und simple Erkenntnis, daß bestimmter Quatsch sich von selbst erledigt, weil er die simpelsten Qualitätskontrollen nicht besteht.
Die simpelste Qualitätskontrolle ist zunächst einmal VERTRAUEN gewinnen zu dem immensen Wissen, daß in den letzten Jahrzehnten in der Naturwissenschaft erarbeitet worden ist. Ohne dieses Vertrauen ist alles andere vergebens. Wer dieses Vertrauen nicht besitzt, sondern mit dem allerscheelsten Blick des Mißtrauens an die „etablierte“ Wissenschaft heran geht, der ist schon lange in den Fallstricken der Gegner fortgeschrittener Gesellschaften verfangen. Sie wollen nichts anderes von Dir erreichen als dieses tiefste Mißtrauen gegenüber „etablierter“ Wissenschaft.
Und während eine solche Vielzahl von Menschen mit scheelem, verbitterten Blick abseits sitzt – dieser HÖHENFLUG der Wissenschaft Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Mit diesen Worten ist der wesentlichste Grundzug unserer Zeit gekennzeichnet.
Die Wissenschaft selbst ist die Qualitätskontrolle. Indem ich mich ihr hinwende und mich mit ihr beschäftige, betreibe ich jede Minute Qualitätskontrolle. Weil Wissenschaft ja nie etwas anderes war als das: Qualitätskontrolle. Um so BREITER ich mich mit dem modernen Wissen beschäftige, einen um so klareren Blick gewinne ich für Seriöses und für das, was im krassesten Gegensatz dazu steht, nämlich der Blödsinn.
Daniel Hermsdorf
12. Dezember 2017 um 23:24 Uhr
Du erkennst, glaube ich, ein Stückweit nicht (dann eben nicht genug), wie strittig und fluide Definitionen „modernen Wissens“ überhaupt sind. Wir kommen damit immer wieder zu einigen Argumenten, wie wir sie hier ausgetauscht haben. Du neigst zu Essenzialismen, die in der Philosophie seit Jahrzehnte rabiat bekämpft werden – auch nach meiner Ansicht nicht ohne Grund. Wer naiven Religiösen die Unzulänglichkeit und teilweise Albernheit ihrer Gottesbegriffe erklären will, kommt um eine solche Begriffsbildung auch nicht herum. Er kann dann nicht einfach neue Götter errichten. Ist klar, was ich damit meine?
„Naturwissenschaft“ ist eben auch nicht alles. Das ist doch schon im einfachen Leben ersichtlich. Keine rein kulturelle Schöpfung, kaum eine Alltagskommunikation über das „Guten Tag“ hinaus geht vollkommen in deren Begriffen auf. Geschweige denn anspruchsvolle Kunst, raffiniert konstruierte (auch kommerzielle) Filmproduktionen mit ihren ganz eigenen Systembildungen, geschweige denn Okkultsymbolik mit ihrem noch länger andauernden Stau in der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Wir kommen in unseren Dialogen auch dazu immer wieder: Du sagst nicht immer zu Unrecht, über ‚Okkultverblödetes‘ etc. nicht endlos diskutieren zu wollen. Ich meine aber, dass ein strukturiertes Verständnis hier vielfach erst geschaffen werden muss, um bestimmte Urteile dann auch wirklich überprüfbar fällen zu können.
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 07:31 Uhr
Kein seriöser Wissenschaftler, zumindest nicht Naturwissenschaftler, will „naiven Religiösen noch die Unzulänglichkeit und Albernheit ihrer Gottesbegriffe erklären“. Das ist doch ein völlig veraltetes Thema, das ist von I. Kant bis Konrad Lorenz gut strukturiert durchgearbeitet worden, auch von Richard Dawkins noch mal zusammen gefaßt worden (und anderen). Das ist keine grundlegende Frage der Gegenwart mehr.
Grundlegende Frage der Gegenwart ist viel mehr: Warum war „naive Religiosität“ bislang evolutionär so häufig ein Vorteil? Das wird ja von der Evolutionären Religionswissenschaft derzeit gut – wenn auch längst noch nicht abschließend – bearbeitet. Mir ist gerade erst wieder klar geworden, daß der Gott als „dritter Bestrafer“ gerade beim Übergang des Menschen zur arbeitsintensiven seßhaften Lebensweise eine unglaublich wichtige Rolle gespielt hat. Dieser Gott verklavt und macht unfrei. Das Prinzip Freiheitlichkeit hat womöglich erst mit den Indogermanen größere Entfaltungskraft in der Weltgeschichte erhalten. Aber die Indogermanen konnten auf den entbehrungsreichen Leistungen der Vorgängergesellschaften aufbauen, von ihnen profitieren, sie brauchten selbst diese Entbehrungen nicht mehr in dem Maße durchleiden oder haben es hier bei uns in Nordeuropa womöglich erst ab dem Frühmittelalter getan, als erneut ein starker Gott als „dritter Bestrafer“ eingeführt worden war.
Die Naturwissenschaft ist kein neuer „Gott“. Sie stellt einfach die Kategorien zur Verfügung, innerhalb deren wir heute denken und leben. Indem ich hier in die Tasten haue und auf einen Bildschirm schaue und diesen Beitrag gleich weltweit lesbar mache, profitiere ich von hunderttausend einzelnen, kleinen Taten der Naturwissenschaft. Es gibt zu wenig Respekt vor diesem Umstand. Und diese vielen hunderttausend einzelnen kleinen Taten der Naturwissenschaft haben auch alle „naiven Gottvorstellungen“ hinweggeschwemmt. Weil der Mensch einfach keine Lust und Zeit mehr hatte, in den immer kleiner werdenden „Lücken“ unseres naturwissenschaftlichen Wissens noch „Gott“ als handelnde Person zu finden.
Was Du dann sagst, sind die typischen Rückzugsgefechte von Geisteswissenschaftlern, die sich schwer damit tun anzuerkennen, daß unglaublich viel in naturwissenschaftlichen Denkkategorien durchaus zu bearbeiten ist, auch der größte Teil dessen, was Dich selbst beschäftigt. Heutige Psychologie ist längst naturwissenschaftliche Psychologie geworden, sie ist keine Geisteswissenschaft mehr. Nur wird nicht so viel darüber öffentlich geredet. Und das ist schon wieder „Regie“.
Ja, und noch einmal: Wissenschaft, Auseinandersetzung mit der Breite des gewonnenen menschlichen Wissens ist Qualitätskontrolle schlechthin, das war hier der Ausgangspunkt. Du willst Dummheit noch „strukturierter verstehen“ und ihr „strukturierter“ sagen, daß sie Dummheit ist? Was wenn Dir dieser letzte Stohhalm geisteswissenschaftlichen Anspruchs auch noch weg genommen wird? Verlierst Du dann den Boden unter den Füßen?
Daniel Hermsdorf
13. Dezember 2017 um 10:06 Uhr
Kann man alles so sehen, finde ich. Ich habe nur wiederholt den Eindruck, dass Du Deine eigene Weltsicht als wesentlich maßgeblich voraussetzt – und nicht auf andere Themenfelder schaust, die durchaus für gegenläufige Trends zur Vernaturwissenschaftlichung sprechen.
Ich wies Dich schonmal darauf hin, dass ich nicht glaube, dass Du bei – schätze ich dazu mal ergänzend – 90-95 % der heutigen Kulturwissenschaftler irgendeine Bereitschaft finden würdest, in diese Richtung zu denken. Und Du unterschätzt vielleicht, was das bedeutet – immer wieder dieser Gegensatz von einer (möglicherweise) richtigen Idee und ihrer quantitativen Bedeutung, d. h. ihrer organisierten Verbreitung.
Diese 90-95 % der Kulturwissenschaftler werden die Absolventen noch der nächsten 15-20 Jahre ausbilden. Diese werden die Gestalter und Meinungsführer noch in 30-40 Jahren sein. Was es dann für Rahmenbedingungen gibt, können wir nur bedingt absehen, klar.
> Das ist keine grundlegende Frage der Gegenwart mehr.
Ich neige eher zu einer Einschätzung wie in diesem „Welt“-Artikel:
„Wenn man aber Islamisierung als einen Prozess begreift, bei dem essenzielle Werte und Normen der Mehrheitsgesellschaft – manchmal kaum merklich – aufgeweicht oder verändert werden, dann lässt sich nicht bestreiten, dass es erste Anzeichen dafür gibt.“
(https://www.welt.de/debatte/kommentare/article165588459/Wir-islamisieren-uns-schleichend.html)
Die Zahlen der Moslems in Deutschland werden heute auf 5 %, für 2050 auf 10 % geschätzt. Es kommt natürlich auf Zuwanderung an, die dies noch deutlich verschnellern kann. Gegenwehr dazu: bisher nicht umgesetzt.
Erst recht natürlich nicht eine noch mögliche Verjüngung der eigenen Bevölkerung, soweit Geburten dann in einer Übergangszeit volkswirtschaftlichen Sinn machen (ganz viele Alte und ganz viele Junge auch schwierig zu finanzieren).
Diese Prozentzahlen müssen so auch nicht wirklich stimmen; es gibt ja wenig zuverlässige Daten, soweit ich weiß, weil Religionszugehörigkeit nicht so gut erfasst wird.
Ich denke, dass ein Teil des innergesellschaftlichen Dialogs der nächsten Jahrzehnten (nicht nur) in Deutschland in der mühseligen Neuauflage religionskritischer Diskurse für Neubürger bestehen wird, sofern diese denn ansprechbar sind.
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 18:09
Uhr
„90-95 % der heutigen Kulturwissenschaftler“. GENAU das konnte man vor 20 Jahren auch noch über die Psychologen sagen. Traust Du Dich das heute noch über die Psychologen zu sagen?
Es kommt nicht auf „Mehrheiten“ an. Es kommt auf die Sinnhaftigkeit und Verallgemeinerbarkeit des wissenschaftlichen Ansatzes an. Für Naturwissenschaftler war noch nicht die „Verbreitung“ ihrer Ideen wichtig, da ihnen klar ist: Wenn wir richtig liegen, muß das früher oder später anerkannt werden.
Hätte Nikolaus Kopernikus so argumentieren sollen wie Du? Dann gäbe es überhaupt keinen wissenschaftlichen Fortschritt. Der entscheidende wissenschaftliche Fortschritt wird immer von jenen erbracht, die NICHT danach fragen, wohin die Masse läuft.
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 18:16 Uhr
Die ganzen Islamisierungs-Ängste sind ebenfalls ein Ablenkungsmanöver. Ich hoffe doch, Du durchschaust das. Sie sind sachlich völlig berechtigt. Aber wenn wir wie die Maus auf die Schlange starren, ANSTATT nach den Innovationskräften moderner Gesellschaften zu fragen (und die liegen nicht darin, sich alle möglichen Bedrohungsszenarien ständig vor Augen zu halten), dann sind jene, die Gesellschaften kaputt machen wollen, zufrieden.
Reinhold Messner sagt auch: VOR einem lebensbedrohenden Abenteuer hat er viele Ängste, viele. Und diese Ängste sind WICHTIG. Aber WENN er im Tun drin ist, wenn er das Abenteuer angegangen hat, hat er gar keine Zeit mehr, an irgendwelche Ängste zu denken, dann ist einfach nur viel Wachheit da, Überlebensinstinkt.
Die AfD zum Beispiel und ihre Anhänger sind (im Messner’schen Sinne) noch im Stadium der Vorbereitung des Abenteuers. Und man hat nirgendwo den Eindruck, daß sie es wirklich angehen wollen. Und wenn, dann nur mit ganz plumpen, primitiven Mitteln, jedenfalls nicht mit Kopf und Wissenschaft.
Man weckt Überlebensinstinkte nicht, indem man ständig nur auf die Bedrohungen starrt. Sondern: man analysiert sie gründlich. Und muß DANN ins Tun kommen, die Dinge ANGEHEN. NICHT unten bleiben im Tal. Ich muß zum Einzelgänger werden. Ich muß in ein Stadium kommen, in dem natürlich die Bedrohung niemals vergessen werden kann, in dem sie aber auch nicht – als Angst – mein Denken und Handeln bestimmt. Sondern der Überlebensinstinkt.
Daniel Hermsdorf
13. Dezember 2017 um 19:14 Uhr
Um im Bild zu bleiben: Die deutsche Wahrheitsbewegung ist bei der Planung ihres „Abenteuers“ auf dem Berg immer wieder eingeschlafen. Wichtige Instrumente und Nahrungsmittel wurden erst gar nicht ins Basis-Camp gebracht. Nun berät man, ob man mit einer sehr kleinen Mannschaft den Aufstieg wagen will. Durch ein Fernglas bemerkt man gerade, dass die Konkurrenz auf diesem Berg schon ein großes Hotel mit Shuttle-Service aufgemacht hat – laut der Jahreszahl am Giebel vor 150 Jahren.
Ob in dieser Art von Wettbewerb der „Überlebensinstinkt“ ausreicht?
Ich schreibe das nicht, um Defätismus zu sähen. Wenn da an manchen Stellen noch was zu retten sein soll, wird man aber Realitäten vielleicht einfach erstmal sehen müssen.
Daniel Hermsdorf
11. Dezember 2017 um 10:24 Uhr
Das Problem, was ich dabei sehe, ist, dass wir nach meiner Auffassung andere historische Aufarbeitungen benötigen, um den laufenden Entwicklungen auch nur irgendetwas entgegenzusetzen. Diese Aufarbeitungen werden nicht nur vom System verhindert, sondern auch von den sog. ‚Aufgewachten‘ vielfach ignoriert. Stattdessen bringt man sie dazu, über UFOs, Außerirdische u. v. m. zu reden. Als Ablenkungsstrategie optimal.
Es geht eigentlich um Kriegsfinanzierung und -schuld, um Religionsgeschichte, um verdeckte Machtstrategien etc.
Wie gesagt – wenn grundlegende Bedingungen von Landmanns Herleitung eindeutig falsch sind, kann der Rest nicht richtig sein. Ohne Wanderungsbewegungen Althochdeutsch Sprechender nach Südamerika ist diese These doch gar nicht durchführbar. Bei Unvereinbarkeit mit unbestrittenen Begebenheiten der Sprachgeschichte und/oder der Humangenetik wäre Landmanns These gar nicht weiter durchführbar. Der Rückzug auf irgendwelche Außerirdischen-Thesen ist für jede ernsthafte Wissenschaft bisher ein methodischer Super-GAU.
Die Implementierung einer „babylonischen Sprachverwirrung“ sehe ich ja auch. Die besondere Beziehung des Judentums zu Deutschland ebenso. Aber wenn jemand – nach entsprechender Widerlegung ggf. eben ohne Wirklichkeitsbezug – Zusammenhänge zwischen südamerikanischen Indianer-Kulturen und einer mittelalterlichen Variante deutscher Kulturformen konstruiert und damit letztlich eine überlegene Position deutscher Kultur benennt, die sich anschließend als Humbug herausstellt, ist damit doch gar nichts gewonnen.
Wer mein Buch „Saturn Hitler“ liest, könnte auch herausfinden, was dieses Indianer-Gewese im Umgang mit der breiteren Öffentlichkeit für einen Sinn haben könnte, ob bei von Däniken oder Landmann (ggf. auch bei jenen, die solche Autoren prägen/manipulieren). Bisher erweisen sich gerade Teile nationalistischer Kreise in ihrem Umgang mit Esoterik, Prä-Astronautik u. A. als nicht fähig, sachbezogene Beschreibungen von Metaphern und organisierten Ablenkungsmanövern zu unterscheiden.
Ich sehe doch auch an der hier stattfindenden Diskussion, dass 1) wesentliche Sachfragen im Dialog umgangen werden. Anschließend wird immer wieder über Nebensächliches geredet, statt erstmal Grundlagen zu klären – und eine Theorie vielleicht schon daraufhin ad acta zu legen. 2) Es wecken Theorien, die sensationelle Aspekte in Richtung von Hollywood-Fiktionen (Außerirdische, ‚Parallelwelten‘ etc.) enthalten, bei erstaunlich vielen Aufmerksamkeit. Wenn es um Daten der Wirtschaftsgeschichte, komplexe Abläufe und theoretische Begriffe, komplexes kulturhistorisches Wissen geht, bleiben die Zugriffszahlen sehr gering.
Ich muss das hier nochmal deutlich ansprechen, denn es könnte sein, dass neben einem verblendeten Mainstream sich auch die sog. Truther-Szene gründlich lächerlich macht – dann durchaus in dem Sinne, wie der Mainstream sie bekämpft, als unwissenschaftliche Spinner etc.
Ingo Bading
11. Dezember 2017 um 18:39 Uhr
Lieber Daniel, wir beide haben uns in gründlicher, ach, viel ZU gründlicher Analyse versucht der okkulten Hintergründe des Dritten Reiches. JETZT forderst Du die gründliche Analyse der okkulten Hintergründe der Truther-Szene. Deine Sätze sind ja ganz richtig.
(„Das Problem, was ich dabei sehe, ist, dass wir nach meiner Auffassung andere historische Aufarbeitungen benötigen, um den laufenden Entwicklungen auch nur irgendetwas entgegenzusetzen. Diese Aufarbeitungen werden nicht nur vom System verhindert, sondern auch von den sog. ‚Aufgewachten‘ vielfach ignoriert. Stattdessen bringt man sie dazu, über UFOs, Außerirdische u. v. m. zu reden. Als Ablenkungsstrategie optimal.“)
GANZ GENAU: Als Ablenkungsstrategie optimal, als Verdummungsstrategie optimal. Die Hintergrundmächte benutzen nur die vorgefundene Dummheit und blähen sie auf, geben ihr Öffentlichkeit, wo immer es ihnen tunlich erscheint. Oft gibt es Überschneidungen zwischen öffentlicher Dummheit und der okkulten Dummheit und Verblödung, die in Okkultlogen betrieben wird. Das war etwa sichtbar an dem lieben, guten, nein, dem aller- aller liebsten Axel Stoll. Der bewegte sich einerseits im Umfeld von rechtskonservativen Okkultlogen und brabbelte in aller Öffentlichkeit das unmöglichste Zeug.
Auch der Erich von Däniken hat EXAKT eine solche Agenda. Genau DARUM wird er – aus dem Hintergrund heraus – so gefördert. Dasselbe liegt beim Kopp-Verlag vor: Seriöse Arbeit wird eingebettet in das lächerlichste geistige Umfeld. Darauf weise ich seit Jahren hin.
Aber was willst Du jetzt großartig mit dem Landmann diskutieren oder ÜBER den Landmann? Wolltest Du jetzt auch noch mit allen diskutieren, die sich in den Fußstapfen von Hitlers Astrologen bewegen und sich gerne darüber austauschen, daß an ihrem Humbug etwas dran ist? Mann! Wenn man sich mit einem solchen bergeweisen Unfug beschäftigt, kommt man doch NIE zu etwas Sinnvollem!
GRADE ist öffentlich ein wunderschönes Video über die Entdeckung von Big Foot in Südafrika bekannt geworden, 3,7 Millionen Jahre alt, unser ältester bekannter Vorfahre nach dem Schimpansen. (Ein super, super video dazu: https://www.derstandard.de/story/2000069826608/little-foot-nahezu-komplettesaustralopithecus-skelett.) Und auf die gründliche Beschäftigung mit solch WERTVOLLEM, unserer Wissensgesellschaft angemessenem, würdigen, in die Zukunft weisenden Wissen willst Du verzichten, um einen derartigen BLÖDSINN ALS Blödsinn nachzuweisen? Und als eine gruppenevolutionäre Strategie, um Völker zu verblöden und sie an die Wand zu fahren?
ICH vielmehr BEREUE die Jahre zwischen 2012 und 2015, in denen ich fast nur mit Hintergrundpolitik-Kritik und Elitärem Satanismus beschäftigt war. Das war zu lang!!! Und das hätte ich ANDERE machen lassen müssen. Es ist das kein wirklich WERTVOLLER Beitrag gewesen zur Stabilisierung unserer fortgeschrittenen Gesellschaft. (Nein, es war nicht völlig sinnlos. Aber wie gesagt: Solche simplen Sachen kann man auch andere aufarbeiten lassen bei der FÜLLE der Aufgaben, die man sehen KÖNNTE, und unter denen diese Aufarbeitung bei weitem nicht die anspruchsvollste Aufgabe ist, bei WEITEM nicht.)
Der WAHRE Altruist fragt: Gibt mir SCHWERERE Aufgaben. (Laß mich NICHT Don Quichotte sein, der alte Feinde bekämpft, die in dem Augenblick überwunden sind, wenn das Neue – fast von selbst – sich Bahn gebrochen haben wird. Freilich: Zum NEUEN, zur Beschäftigung damit kann ich auffordern und diese Beschäftigung selbst leisten.
Daniel Hermsdorf
12. Dezember 2017 um 23:15 Uhr
Ich stimme Dir weitgehend zu, lieber Ingo. Sehe es nur nicht so, dass solche Beschäftigungen irgendwie unnötig seien – und schon gar nicht abgeschlossen. Ist Dir schonmal aufgefallen, wie viele Uni-Dozenten es gibt, die mit irgendeinem 08/15- und aufgewärmten Thema Jahrzehnte ihres Berufslebens bestreiten? Die nach Besetzung einer dauerhaften Stelle ihre Publikationstätigkeit nahezu einstellen?
Währenddessen pulvern wir hier in Blogs heraus ohne Ende. Unsere Reichweite ist vergleichweise immer gering. Selbst, wenn es zufällig zu größeren Resonanzen käme, sind Sabotage, juristische Verfolgung etc. zu erwarten. (Damit meine ich nicht die Fake-Aufregung von Publizisten, die nicht selbst merken, wo sie berechtigte juristische und formale Grenzen überschreiten und sich über Sanktionen wundern, um abermals nach Aufmerksamkeit zu heischen und sich als Opfer zumindest teilweise nur stilisieren).
Will sagen: Wer sich mit Hintergrund-Politik etc. beschäftigt, muss sich derzeit selbst überfordern, da es für jede inhaltsarme Neuauflage Lehrstühle gibt, für komplexeste neue Fragestellungen aber höchstens sozialen Ausschluss, Unverständnis, Neid und schließlich juristische Verfolgung, für die man auch inkompetente Strafverfolger einsetzen kann, damit alles richtig schön nutzlos und zermürbend wird. So ist unser System aufgesetzt.
Wir sollten nicht an der Berechtigung unserer Fragen zweifeln, sondern an Systemen, die permanent über sich selbst jammern (Korruption, aufgedeckter Missbrauch etc.), aber dazu tätige Kritiker nicht würdigt, nicht bezahlt, totschweigt etc.
Widersprechen muss ich Dir eben auch in einer Ausweichbewegung auf ganz andere Fachgebiete. Das darf jeder persönlich tun, wenn er möchte. Aber es ist damit noch keine annähernd vollständige Bearbeitung auf Gebieten wie Machtpolitik und Verschwörungstheorie geleistet. Da stecken Geschichts- und Kulturwissenschaft noch in den Kinderschuhen, auch wenn der Schnuller vergoldet ist. Wenn Du es dabei belassen willst … Ich nicht.
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 07:14 Uhr
Ich hatte den Kommentar, auf den Du hier antwortest als zweiten geschrieben. Ausgangspunkt war Qualitätskontrolle. Du bezeichnest die BREITE Auseinandersetzung mit Wissenschaft hier, wenn ich es recht verstehe, gerade als „Ausweichbewegung“. Dabei ist sie das genaue GEGENTEIL: SIE ist die Qualitätskontrolle selbst. Hintergrundpolitikkritik ist nur ein banaleres Abfallprodukt derselben. Wenn man da die grundlegenderen Mechanismen einmal erkannt hat so wie wir das getan haben, ist das weitere EBENFALLS nur ständige Wiederholung des gleichen, nur anhand anderer Täter oder Tätergruppen. So werden die Hintergrundpolitikkritiker von der Hintergrundpolitik und der Regie der damit verbundenen „Transparenz“ „beschäftigt“, ohne etwas substanziell Neues zu erarbeiten.
DAS eben ist der fundamentale Unterschied: Als Hintergrundpolitik-Kritiker oder auch als einer der wenigen guten Zeithistoriker decke ich Lügen auf, von denen agierende Gruppen selbst schon lange wissen, DASS es Lügen sind. Von einem bestimmten Standpunkt aus ist das hochgradig trivial. Der Wissenschaftler, der bisher verborgene Geheimnisse der Natur aufdeckt, deckt Dinge auf, die noch NIEMAND vorher wußte. Es ist das eine weitaus würdigere menschliche Beschäftigung. Die Natur hat uns würdigere Rätselfragen aufgegeben als das blöde, dumme ständige Versteckspiel und „Huhu, ich seh dich aber“ zwischen den Hintergrund-Verbrechern und deren „Kritikern“.
Mir war das schon im Zusammenhang mit meiner Magisterarbeit aufgegegangen wie philosophisch ärmlich das ist, was ich in ihr getan hatte: Ich hatte Dinge aufgedeckt, die andere Menschen schon längst wußten, und zwar keineswegs Menschen, vor denen ich besonders viel Hochachtung habe. Der Begründer der Geschichtswissenschaft, Leopold von Ranke, hat etwas ganz anderes, Würdigeres getan. Freilich, er hatte zu wenig nach Hintergrundmächten gefragt, ohne Frage. Aber er hatte vieles getan, wozu ein klassischer Hintergrundpolitikkritiker nie kommt. Und zu dieser Würde müssen wir – als Kulturvolk und als Angehörige seiner Bildungsschicht – wieder zurück kehren.
Es ist genau umgekehrt: Ständig nur Hintergrundpolitikkritik zu betreiben, anstatt den Blick ins Große und Weite zu richten auf die Größe der menschlichen Möglichkeiten JENSEITS aller Verbrechen, ist – ganz klar – Ausweichbewegung. Weil es einfacher ist, die Dummheiten anderer Leute zu verstehen als zu verstehen, was das eigentlich überhaupt ist, was wir sind, was unser Weltall ist und so weiter. Das Böse ist nur ein Teilaspekt unserer Wirklichkeit. Und wahrlich weder der erbaulichste, noch der wichtigste. Der Menschheit ist wenig geholfen, wenn sie sich ständig nur mit dem Bösen in allen Varianten beschäftigt, was viel zu viele unserer Mitmenschen inzwischen tun und wozu wir durch unsere Blogarbeit selbst ständig auffordern. Das sind die falschen Signale. (Wie gesagt: Zumindest WENN man mal einige grundlegendere Zusammenhänge verstanden hat.)
Daniel Hermsdorf
13. Dezember 2017 um 10:18 Uhr
Naja, ich weiß nicht, ob dies wirklich die Kriterien sein können.
Was wäre Kulturwissenschaft dann überhaupt? – Für mich ist sie auf dieser Ebene Erforschung individueller Sinngebungen und Kommunikationen, quantitativ basierte Abstrahierung menschlicher Lebensäußerungen.
Unter dem zweiten Punkt sind solche Entdeckungen gänzlich neuer Zusammenhänge durchaus möglich – u. a. im Anschluss an teils empirische Arbeiten unter dem ersten.
Ich würde auch nicht aus persönlicher Ermüdung dann zu solchen Schlüssen kommen, eine entsprechende Aufklärungsarbeit sei nun beseite zu lassen. Was soll denn daraus folgen? Und glaubst Du alle bestehenden politischen Probleme damit lösen zu können, dass etwa Details der Humanbiologie von vor 5000 Jahren enthüllt werden? Während ganze Gesellschaften innerhalb weniger Jahrzehnte ethnisch vollkommen neu modelliert werden?
Von Designer-Babies habe ich allerdings bei Dir auch noch nicht gelesen, oder? – Aber das ist dann schon wieder eine andere Diskussion und würde fundamentale Parameter ändern. Ich weiß nicht, ob es dann in die von Dir anvisierten Richtungen gehen wird – und ob Gesellschaften, die nicht durch weitere politisch-historische Selbstaufklärungen gegangen sind, dafür überhaupt gerüstet wären, d. h. für eine selbstbestimmte und nicht erneut und noch stärker von Eliten allein bestimmte Gangart.
Ob diese Eliten größere Katastrophen noch herbeiführen werden, ist für den Einzelnen im Übrigen auch nicht ganz irrelevant. Dass bestimmte menschliche Wesen andere attackieren, verdrängen, unterdrücken, ist auch eine kulturelle Frage. Auf der biologischen Ebene kann in letzter Konsequenz sogar einfach ein Schulterzucken im Sinne von „eben nicht lebensfähig“, survival of the fittest, gezogen werden. Wer die Realitäten sieht und sich auch noch für irgendwas außerhalb des eigenen engsten Lebensbereiches verantwortlich fühlt oder fühlen muss, muss da nicht ein- und zustimmen.
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 18:27 Uhr
Ich habe nicht gesagt, daß Aufklärungsarbeit beiseite gelassen werden darf. Ich habe nur gesagt, daß sie allein nicht REICHT. Und daß sie sich auf weitaus MEHR Gebiete erstrecken muß, als das bislang geleistet wird. Nämlich auf das gesamte menschliche Wissen und auf die Gesamtheit der menschlichen Erfahrung.
Details der Humanbiologie vor 5000 Jahren? Nein, es wird gerade geklärt, wie Völker entstehen, überleben und untergehen. Und zwar weitgehend definitiv. Vor der gegenwärtigen Klärung können alle bisherigen Bücher über „Kollaps“ von Gesellschaften in die Tonne gekloppt werden, weil alles neu zu durchdenken ist. Und zwar zu durchdenken auch auf völlig neuen Ebenen der Erkenntnismöglichkeiten.
Vor jedem Mißbrauch von Wissenschaft (darauf zielt Deine Erwähnung von Designer-Baby?) kann ich mich am besten schützen, indem ich gute KENNTNISSE von dem habe, um was es da geht. Das Hauptthema der Evolution war und sind nicht Designer-Babies, sondern Babies. Und das ist kein anderes Thema. Denn ALLE Evolution dreht sich um dieses einzige Thema.
Schon dieser letztgenannte Umstand wie alles übrige Angesprochen wird von der Kulturwissenschaft für sich genommen und per se ausgeblendet. Wodurch sie eine Schlagseite bekommt, die ganz unmöglich ist, und die sogar Dich – ein wenig schwammig und unentschieden, wie ich finde – läßt auf Blödsinn hoch 28.
Wie gesagt, es ist von meiner Seite aus nie gesagt worden, daß WENIGER Hintergrundpolitik-Kritik betrieben werden soll, sondern nur, daß MEHR ANDERE Themen bearbeitet werden sollen. Und da ich sehe, daß sich für Hintergrundpolitik-Kritik inzwischen weitaus mehr Menschen interessieren als für andere Themen, wird es dringend erforderlich auf alle wesentlichen Themen hinzuweisen, die darüber hinaus weisen.
Daniel Hermsdorf
13. Dezember 2017 um 19:28 Uhr
> Mißbrauch von Wissenschaft (darauf zielt Deine Erwähnung von Designer-Baby?)
Ist das nicht eine der realistischen Varianten dessen, was uns bevorstehen kann und vermutlich sogar wird? Wir hörten doch selbst von Johannes Krause im Vortrag im Ansatz eine solche Vorstellung (‚Wenn man erst Krankheiten genetisch vermieden hat, wird man auch gleich Merkmale wie Augenfarbe steuern‘).
Ich sehe bei Dir hier u. a. dann nicht klar, wo Du das Ziel eines naturwissenschaftlichen Fortschritts siehst – z. B. im Hinblick auf Ethnizität und Multikultur in Deutschland.
Es spricht derzeit doch nichts ernsthaft dagegen, dass innerhalb gewandelter staatlicher Administrationen neben einer fortschreitenden Vermischung teilweise isolierter Volksgruppen irgendwann Gen-Manipulationen einsetzen, bei denen recht frei menschliches Erbgut remixt werden kann wie heute erst Texte, Töne und Bilder.
Das Letztgenannte ist doch schon in gegenwärtig erkennbaren Denkschulen als eigentliche Konsequenz naturwissenschaftlichen Denkens angelegt. Und da kommst Du daher und willst mit irgendeinem außer-naturwissenschaftlichen, künstlich errichteten „Ethik“-Begriff die Selbstvervollkommnung der Natur durch die menschliche Intelligenz verhindern?
Da ist vermutlich die Avantgarde der Forscher eher nahe bei den NWO-Eliten, die ihnen schon den Weg bereiten. Welche Forscher, welche Avantgarde unter ihnen gibt es noch, die hierzu auf solchen Gebieten irgendwelche Alternativen bieten? Wie wahrscheinlich ist der Erfolg etwelcher Widerstände gegen das, worauf es derzeit hinausläuft?
Die Handlungsalternativen werden wohl darin bestehen, noch mehr wissenschaftlichen Vorsprung anderen zu überlassen – oder ihn selbst zu organisieren.
Aber was schreibe ich – es ist fast alles schon Wirklichkeit oder als technisches Grundprinzip vorhanden.
https://www.welt.de/wissenschaft/article150528268/Ein-Designerbaby-nach-Bauplan-fuer-140-000-Dollar.html
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2017-08/crispr-mensch-gentechnik-designer-baby
Derartige Interventionen werden so machtvoll – vielleicht auch so vorteilhaft für die Allermeisten – sein, dass die Rede von Hintergrund-Politik sich gegenüber solchen Wohltätern dann auch fast erübrigt, oder? (Na gut, dieser letzte Satz ist hier die einzige bloße Provokation.)
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 19:49 Uhr
Ich sehe schon, Du kommst aus dem Denken in Bedrohungen nicht heraus.
„Und da kommst Du daher und willst mit irgendeinem außer-naturwissenschaftlichen, künstlich errichteten „Ethik“-Begriff die Selbstvervollkommnung der Natur durch die menschliche Intelligenz verhindern?“
Was ist an diesem Satz richtig? Der ist reichlich inhaltlich verdreht. Designer-Babies siehst Du als „Selbstvervollkommnung der Natur durch die menschliche Intelligenz“? Hast Du diesen Satz durchdacht? Zwischen der „menschlichen Intelligenz“ und ihrer angeblichen „Selbstvervollkommnung“ steht 1. die Entscheidung der Menschen, die das tun, sprich, es handelt hier nicht mehr „die Natur“, sondern der Mensch, 2. steht dazwischen die Frage, WAS der Mensch diesbezüglich kann.
Sicher ist eines: Eine Weiterentwicklung der menschlichen Intelligenz hat es in den letzten 200.000 Jahren gegeben, und zwar ohne Designer-Babies. Ich sollte diesen Prozeß erst einmal verstanden haben, bevor ich wild herum spekuliere, was in der Zukunft möglich sein könnte oder nicht und wie Vervollkommnung (besser: Weiterentwicklung) in der Evolution bislang möglich war.
Aber noch viel mehr: Wie kannst Du mir unterstellen einen „außer-wissenschaftlichen, künstlich errichteten Ethik-Begriff“? Bzw.: Du hast also einen inner-wissenschaftlichen Ethik-Begriff, oder was? Und keinen künstlichen, oder was? Alles verdreht. Vor allem: Was bietest Du denn an zur Lösung der von Dir hier entworfenen Bedrohungs-Szenarien? Außer Deinem ständigen: „Man muß die Realitäten sehen.“ Gewiß das. Sage ich auch ständig. Aber was verstehst Du denn ständig unter „die Realitäten“. Der Realitäten gibt es sehr, sehr viele. Darauf versuche ich ja die ganze Zeit hinzuweisen.
Naja, da sind grade mehrere völlig neue Themen aufgeworfen worden. – Ich glaube, es ist erst mal genug an dieser Stelle.
Daniel Hermsdorf
13. Dezember 2017 um 22:23 Uhr
Bitte, Ingo – bevor Du erneut in Vorwurfshaltung gehst, schau doch bitte auch Links an, wenn ich sie dazu setze. Statt einem anderen „Denken in Bedrohungen“ zu attestieren, solltest Du erstmal verstehen, wo einige Deiner Argumente an schon bestehenden Wirklichkeiten eigentlich vorbeigehen.
Was Du hier fragst, wirkt so, als würdest Du aktuelle Berichte dazu nicht gelesen haben? (Es sind dann eher nicht die Fachartikel, sondern die allgemeine gesellschaftliche Debatte betreffende.)
„Die Wissenschaft wartet nicht, bis sich alle geeinigt haben. Ein Genforscherteam aus Portland hat mit seinen Experimenten an erbkranken Embryonen die Grenze des technisch Machbaren soeben beachtlich ausgeweitet: ‚Aufregend‘, sagen die einen. ‚Unverantwortlich‘ die anderen.“ (http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2017-08/crispr-mensch-gentechnik-designer-baby/komplettansicht)
> Hast Du diesen Satz durchdacht? Zwischen der „menschlichen Intelligenz“ und ihrer angeblichen „Selbstvervollkommnung“ steht 1. die Entscheidung der Menschen, die das tun, sprich, es handelt hier nicht mehr „die Natur“, sondern der Mensch, 2. steht dazwischen die Frage, WAS der Mensch diesbezüglich kann.
Du hast hoffentlich den ironischen Modus bemerkt, mit dem ich eine evidente Haltung der forscherischen Avantgarde in der Humangenetik korrekt wiedergebe (wie auch das vorige Zitat aus der „Zeit“ dokumentiert). Dadurch sollte deutlich geworden sein, dass es natürlich eine angebliche Selbstvervollkommnung ist – jedenfalls nur einer der so möglichen Begriffe davon, wie auch Deine menschlichen Begriffe vorläufig sind und sich gegenüber anderen zu beweisen haben.
Wissenschaftlich wäre es, weder im ironischen Modus zu schreiben noch dieses Adjektiv „angeblich“ zu verwenden, weil es tendenziell schon wieder wertend ist. Stattdessen hättest Du erstmal festzustellen, dass diese Vervollkommnung einer der menschlichen Grundgedanken medizinisch-biologischer Praxis war und ist:
https://books.google.de/books?id=v4_RBgAAQBAJ&pg=PA158&lpg=PA158&dq=humangenetik+vervollkommnung
Als Punkt 1 formulierst Du sogleich eine weitere willkürliche Setzung Deinerseits, als sei dies der unumgängliche begriffliche Standard. Ein „Mensch“ sei als Handelnder „nicht mehr ‚die Natur’“. Das kann man sicherlich herleiten. Man kann es aber auch völlig anders herleiten. Philosophisch integer ist es nur, wenn man auch Alternativen zu seiner eigenen Aussage (weil ja bekannt) kenntlich macht und diese begründet zurückweist.
> Mit der Popularisierung der Ökosystemforschung gewinnen seit den 1980er Jahren mehr Menschen in den Industriestaaten die Einsicht, dass Natur nicht als Ganzes zu begreifen ist, sondern nur als ein offenes System, dessen Teil auch der Mensch mit seiner Kultur ist (integratives Verhältnis) (Oldemeyer 1983). (https://de.wikipedia.org/wiki/Natur#Integratives_Naturverst%C3%A4ndnis)
Zu 2: Es ist doch, wie schon dokumentiert, bis zu einem fortgeschrittenen Punkt gar nicht mehr „die Frage, WAS der Mensch diesbezüglich kann“. Er kann es (fast und absehbar bald noch besser).
> Wie kannst Du mir unterstellen einen „außer-wissenschaftlichen, künstlich errichteten Ethik-Begriff“?
Ich habe Dir – wie nochmal erklärt, in einer ironisch getönten (weil schon als Selbstverständlichkeit suggerierten) Aufnahme der bestehenden Geisteshaltung – damit nur wiedergegebenen, was wir von Krause schon gehört haben und der „Zeit“-Artikel ebf. wiedergibt:
„Das Klima innerhalb der Wissenschaft habe sich gewandelt, sagt der Ethiker weiter. ‚Gab es nach der ersten chinesischen Studie vor zwei Jahren noch einen nahezu einhelligen Konsens, wenigstens auf die Implantation genmanipulierter Embryonen verzichten zu wollen, scheint man heute nur noch um den Zeitraum zu streiten, wann es so weit sei.‘ Es reiche deshalb nicht mehr aus, mantraartig eine öffentliche Debatte zu fordern oder auf einen wissenschaftsinternen Verhaltenskodex zu setzen.“
Du gerätst, finde ich, auch in einen tendenziellen Selbstwiderspruch, über den wir, glaube ich, schonmal gestritten hatten: Du huldigst den Naturwissenschaften und ihrem primär materialistischen Erkenntnismodell. (Du verbindest dies immer wieder mit einer idealistischen Philosophie der Mathilde Ludendorff, die nicht nur durch ‚rechte‘ Ideologie in Deutschland effektiv diffamiert ist, sondern solche philosophischen Konzeptionen sind insgesamt sehr an den Rand gedrängt. Das sind Zustände, die man nicht ganz verdrängen und leugnen kann – man befindet sich in der Vertretung einer Position, die als antiquiert gilt. Ich glaube nicht, dass Du dafür bei Peter Sloterdijk Schützenhilfe erhalten würdest, auch wenn Du Übereinstimmungen siehst.)
Du präsentierst derzeit einen Naturwissenschafts-Begriff als Allheilmittel. Allen Deutungs- und Vermittlungsschwierigkeiten der (wissenschafts)politischen Praxis scheinst Du mir entkommen zu wollen mit dieser Zuflucht zur Naturwissenschaft. Und dann fragst Du mich zurück, was ich mit einem „außer-wissenschaftlichen, künstlich errichteten Ethik-Begriff“ meine – den man Dir zumindest teilweise vorwerfen würde, wenn ein solches Argument in eine größere Öffentlichkeit gelänge?
Eine Zustimmung gegenüber Designer-Babies lässt sich doch aus bestimmten Auffassungen dieser wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten herleiten, die sich schon von einem materialistischen Prinzip ableiten – einem materialistischen Prinzip, das Machbarkeit das Primat zuerkennt. Das ist eine der Hauptpositionen derzeit, wie sie in dem zitierten Bericht wiedergegeben sind – hier noch mit den humanistisch-ethischen Skrupeln kommentiert, begleitet aber von den durchgehend vorhandenen Andeutungen, dass – siehe unsere Erfahrungen in der Moderne, Dürrenmatts „Physiker“ etc. pp. – getan werden wird, was technisch möglich ist, und dass der, der es nicht tut, nicht verhindern wird, dass es getan wird.
Dazu kann man sich nun mehrere Menschenleben lang durch die Fachliteratur und verschiedensten menschlichen Ansichten dazu wälzen:
Google-Suche „Machbarkeit Technik Ethik“
Ingo Bading
14. Dezember 2017 um 06:48 Uhr
Wie gesagt, an dieser Stelle sind viel zu viel neue Themen angesprochen. Mein Diskussionbedarf ist erst mal an dieser Stelle erschöpft. Es treten immer mehr gegenseitige Mißverständnisse auf. Nur noch mal zur Frage, wer der Handelnde ist, der Mensch oder die Natur: Daniel, Du redest mit einem Soziobiologen. Ich kenne kein Fach, daß die Frage, ob der Mensch oder die Natur der Handelnde ist im menschlichen Handeln gründlicher durchdacht hat als dieses Fach. Genau deshalb ja mein Einspruch. So plump wie da Setzungen daher kommen, merkt man gleich, daß hier wenig Bewußtsein vorhanden ist dafür, wie differenziert diesbezüglich zu argumentieren wäre. Aber genau diese Debatte werde ich ausgerechnet an dieser Stelle und ausgerechnet von den Ausgangspunkten hier jetzt nicht mehr führen. Sie ist in der Tat eine wesentliche Debatte. Aber das wäre zunächst einmal einfach ein „Grundkurs Soziobiologie“. Dieses Fach ist noch heute vergleichsweise neu und stellt das Denken sehr stark um. (Ich rede nur von eigener Erfahrung.) Ich möchte aber hier einen solchen Kurs jetzt nicht geben. Und würde gerne dann weiter sprechen, wenn der absolviert worden wäre.
Mir fällt nämlich grade auch auf: Man kann ja gar nicht begreifen, was Edward O. Wilson in „Die Einheit des Wissens“ eigentlich will, wenn man zuvor den Grundkurs Soziobiologie gar nicht absolviert hat. Dann rauscht ja das ganze Buch an einem vorbei.
Daniel Hermsdorf
14. Dezember 2017 um 08:50 Uhr
Zu etwas, was wir Demokratie, Öffentlichkeit und Geisteskultur nennen können, fehlt uns hier nun noch mindestens ein Dritter, der seinen Eindruck von diesem Dialog beisteuert.
l2012ucas
14. Dezember 2017 um 14:33 Uhr
Ich habe die Diskussion mit Gewinn verfolgt und muss sagen, dass hier das Dilemma der so genannten Wahrheitsbewegung deutlich skizziert wurde. Es prallen nun mal naturwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche und grenz – bzw. alternativwissenschaftliche Änsatze aufeinander. Erstere genügen meistens den höheren wissenschaftlichen Ansprüchen, sind aber eingebettet in wirtschaftliche und staatliche Interessensverhältnisse, (als Beispiel. das Thema Gender-Studies, etliche finanzstarke private wie das Rockefeller Institute) wohingegen Thesen und Bücher wie die von Landmann und Däniken oft von einer Schar von unkritischen Glaubensjüngern rezipiert werden, die nach der Lektüre irgendeine Art von absoluter Wahrheit für sich gepachtet sehen wollen, ähnlich den radikalen Anhängern der Buchreligionen. Ich bin im Bereich Soziobiologie nicht geschult genug, um da eine endgültige Einschätzung abzuliefern, nur scheint dieses Feld auch durchaus biologistische Tendenzen zu haben und umstritten zu sein. Kein Wunder, denn die Erkenntnisse stehen bestimmten ideologischen Annahmen, Irrtümern und Zielen unserer Zeit diametral entgegen. (Multikulturalismus, Menschenrechtsideologie, Gleichheitt von Religionen und Ethnien usw.) Grundsätzlich ist eine interdisziplinäre bzw.multidisziplinäre Herangehensweise wünschenswert und dieses wird auch oft genug gefordert, nur wirklich praktisch umgesetzt wird sie selten. Durch die so genannte Wissensexplosion ist dieser Dialog auch immer schwieriger zu führen, und viele bleiben in ihren Wissensgebieten verhaftet.
Ich bin auch der Meinung, dass wir, bevor wir zu Lösungen schreiten, erstmal die Lage und die Optionen einschätzen müssten. Die technologische und finanzielle Überlegenheit mancher Akteure (NSA, Blackrock, Stuxnet usw.) ist nicht von der Hand zu weisen, und das sind nur die uns Bekannten. Jenen, die aus geopolitischen Machtkalkül über Leichen gehen, traue ich auch zu, das technisch Machbare bis zum Äußersten umzusetzen oder der Öffentlichkeit vorzuenthalten, und sei es nur im Geheimen. Auch die Forschung im Bereich „Ursprung des Menschen“ ist längst noch nicht abgeschlossen:
http://www.zeit.de/wissen/2017-05/evolution-vormenschen-europa-afrika-fossilfunde
https://www.welt.de/wissenschaft/article164823057/Lebten-die-Vorfahren-des-Menschen-doch-in-Europa.html
Gleichzeitig nehme ich persönlich mehr und mehr, nach jahrelangen quasi propagandistischen Aufbau eines einseitigen oberflächlichen Feindbildes (https://www.google.de/search?q=spiegel+Islam&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwia8eL-yYnYAhVHuRQKHbP9B7QQ_AUICigB&biw=1366&bih=637/http://www.spiegel.de/politik/deutschland/islam-feiertage-streit-um-vorschlag-von-thomas-de-maiziere-a-1172895.html ), eine Anbiederung der Medien und Politik an den Islam wahr, da jetzt wie selbstverständlich vom Beginn des Ramadans etc. berichtet wird und plötzlich erstaunliche Erkenntnisse im Bezug auf den Islam zu Tage treten.
http://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2017/10/begraebniskleidung-von-wikingern-mit-arabischen-schriftzeichen (Schweden hat auch stark mit seiner falschen Migrationspolitik zu kämpfen)
http://www.deutschlandfunk.de/entdecker-wer-vor-kolumbus-in-amerika-gewesen-sein-muss.1310.de.html?dram:article_id=395453
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/abendland-zum-glueck-gibt-s-den-islam-kolumne-a-1114693.html
http://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/a-765692.html
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/the-new-arrivals-das-ist-arabischer-muttertag-a-1139708.html
https://www.welt.de/politik/ausland/article169166760/Warum-Saudi-Arabien-sich-ploetzlich-so-eilig-modernisiert.html
Ingo Bading
15. Dezember 2017 um 14:56 Uhr
Die Soziobiologie war lange Zeit auch innerhalb der Naturwissenschaft (und darüber hinaus sowieso) das, was heute die alternative Öffentlichkeit innerhalb der etablierten Öffentlichkeit ist: eine „Alternative“, die näher an der Wahrheit war und ist als ältere geistige Strömungen, und die deshalb – zum Teil – massiv bekämpft wurde. Die Kämpfe haben sich – soweit ich das sehe – INNERHALB der Naturwissenschaft längst erledigt. Ich wüßte nicht von lautstarken Stimmen, die INNERHALB der Naturwissenschaft noch besonders hartnäckig gegen den Ansatz der Soziobiologie an sich anargumentieren würden (von einigen Außenseitern wie Joachim Bauer vielleicht abgesehen, von denen dann oft leicht gezeigt werden kann, daß sie gegen eine Karikatur der Soziobiologie ankämpfen aber nicht gegen die Sachaussagen selbst) (nämlich als wäre weiterhin auch in der Soziobiologie das Prinzip Egoismus das grundlegendste Prinzip, auf das alles zurück geführt wird, dabei wird alles nur auf Gen-Interessen zurück geführt und Gene kennen keine Gefühle, weder altruistische noch egoistische). Die Karikatur wurde „hipp“ durch Richard Dawkins Buchtitel „Das egoistische Gen“, ein Buch, das ansonsten vor allem von phänotpyischem ALTRUISMUS handelt. Es mußte sich aber, um im Zeitgeist wahrgenommen zu werden, den verschleiernden Umhang umhängen, es würde das Prinzip Egoismus zur Grundlage allen Seins erklären.
Natürlich ist schon der Begriff „Biologismus“ selbst auch weiterhin ein Kampfbegriff. Und zwar ein Kampfbegriff von Leuten, die sich noch wenig mit Naturwissenschaft im weiteren und mit Biologie im engeren Sinne beschäftigt haben, und – einigermaßen eitel – glauben, irgendein beliebiger kulturwissenschaftlicher Standpunkt wäre – für sich genommen – heute noch zugleich ein relevanterer Standpunkt, um von ihm aus einen solchen billigen Vorwurf erheben zu können. Für solches rein rhetorisches Bekämpfen hat ein echter Wissenschaftler meines Verständnisses nur Schulterzucken übrig. Mir ist IN der Wissenschaft und AUS der Wissenschaft heraus kein Biologismus bekannt, also das Vertreten eines Standpunktes, daß die Lernfähigkeit des Menschen über Gebühr unterbewerten würde gegenüber dem Einfluß der Gene auf das Verhalten des Menschen. Vielmehr liefert Soziobiologie den Wissens- und argumentativen Rahmen, um genauer zu bestimmen, was über Kultur beeinflußbar ist und was über Gene beeinflußbar ist.
Hier ist einfach ein kultureller Umbruch zu vollziehen. Mit Leuten, die heute auf dem Boden der Naturwissenschaft stehen, braucht man darüber in der Regel gar nicht mehr groß herum zu debattieren. Aber besonders schlimm ist es, mit Leuten zu debattieren, die sich selbst für zu gut halten, um sich auf den Standpunkt der Naturwissenschaft zu stellen.
Lukas, Sie sprechen selbst von „Erkenntnissen“. Erkenntnisse selbst können nicht biologistisch sein, sie könnten höchstens biologistisch interpretiert werden. Aber Biologismus ist nur ein Totschlag-Wort, hat – soweit ich sehe – für sich keinerlei Erkenntniswert, den es mit sich bringt.
WENN ich mich einmal auf den Boden der Naturwissenschaft stelle, werde ich sehr SCHNELL realisieren, daß auf diesem Boden vom Prinzip her „technologische und finanzielle Überlegenheit“ keine Rolle spielt. Die Wahrheit ist eine Macht für sich und bahnt sich ihren Weg – in der Regel unabhängig von äußeren Einflußnahmen. Und gerade deshalb wird seit Jahrzehnten und Jahrhunderten so viel Verschleierungstaktik gegenüber naturwissenschaftsnahen Weltbildern betrieben, die dazu führt, daß das naturwissenschaftliche Argument heute immer noch im großen Mainstream als ein Argument unter vielen gilt oder gar als ein Argument, das man gar nicht anführen dürfe. Dabei ist es – in letzter Instanz – das einzig zugkräftige Argument, das einzige Argument, das ALS Argument selbst Macht und Einfluß mit sich bringt, WENN man es anzuwenden weiß. Denn Naturwissenschaftsnähe hat immer die Zukunft vorweg genommen und ist ja noch heute mehr Zukunft als Gegenwart was unser Geistesleben betrifft.
Hoimar von Ditfurth oder Konrad Lorenz sind schon mehrere Jahrzehnte tot. Und dennoch sind die Inhalte ihrer Bücher und Fernsehsendungen nicht in dem Maße Allgemeingut unserer Gesellschaft, wie es in früheren Jahrzehnten etwa die Inhalte der Bücher von Sigmund Freud waren. Ich glaube, solche Umstände sollten zu denken geben.
Ingo Bading
15. Dezember 2017 um 15:06 Uhr
Außerdem halte ich es nicht für richtig, von einem „Dilemma“ der Wahrheitsbewegung zu sprechen.
Die Naturwissenschaft war und ist schon immer schlechthin Wahrheitsbewegung gewesen, spätestens seit dem profunden Meeresbiologen und Philosophen Aristoteles aufwärts. Wenn ein neuer Zweig dieser Wahrheitsbewegung nicht MERKT, daß er nur ein kleiner Zweig ist auf einem menschheitsgeschichtlich gewaltig großen Baum des Wissens, so ist das nur den Umstand zuzuschreiben, daß diese Wahrheitsbewegung eben noch nicht „Wahrheitsbewegung“ an sich ist, sondern als „politische Wahrheitsbewegung“ umschrieben werden kann. Daß sie sich nicht versteht als Bestandteil der großen Wahrheitsbewegung der Menschheit seit spätestens 2500 Jahren ist eine Folge allgemeiner Verdummung diesbezüglich, sie ist kein „Dilemma“. Der Begriff Dilemma ist viel zu große Beschönigung und Verharmlosung der Situation.
Angehörige der „Wahrheitsbewegung“, die von sich selbst glauben, sie würden sich im wesentlichen nicht mehr täuschen und belügen lassen, zeigen schon durch ihr dargestelltes einseitiges Selbstverständnis, wie ARG sie noch unter der Herrschaft von Täuschung und Lüge leben. Und diese Herrschaft legen sie auch nicht ab oder „bekämpfen“ sie, wenn sie wieder in ihren eigenen Garten gehen und Selbstversorger werden. GEISTIGE Selbstversorger, sprich SELBSTDENKER sind sie dadurch leider auch noch lange nicht.
Daniel Hermsdorf
15. Dezember 2017 um 16:15 Uhr
Das sind alles wichtige und grundlegende Argumente, finde ich.
Einzelne notwendige oder mögliche Einwände, die ich schon erwähnt habe, will ich nicht wiederholen. Ich stimme Ingo zu, dass in der Zurückdrängung naturwissenschaftlich orientierter empirischer Methoden in der Kulturwissenschaft eine politische Agenda besteht. Die ‚andere Seite‘ in diesem Konflikt dürfte intern Wissensdisziplinen pflegen, von denen an Universitäten derzeit nur noch ein teilweises Zerrbild übrig bleibt. Wie man das bewertet, hängt davon ab, welche Folgen dessen man sieht und inwiefern sie einen selbst betreffen. Das wirklich geradezuziehen würde mehr als einen Sonderforschungsbereich erfordern. Und gibt es sie nicht, fehlen letztendlich immer belastbare Referenzen.
Ich kann das hier nicht ausführen, was alles daran hängt. Und da beginnen zuvor schon sichtbare Differenzen mit Ingo. Sie haben u. a. damit zu tun, dass wir es eben mit sehr starker Ausdifferenzierung zu tun haben – wir haben das intern schonmal diskutiert. Man kann sich, denke ich, genauso breitbeinig hinstellen und sagen: „Haben Sie denn die gesellschaftliche Ausdifferenzierung noch nicht zur Kenntnis genommen? Sie ist doch nicht mehr zurückzudrehen. Dazu gehört, dass der Kulturbereich eine immer stärkere Eigenlogik entwickelt hat. Auch sie ist nicht einfach zurückzunehmen – zu welchem Zweck und mit welchem Vorteil für wen auch?“ (Ich spare mir zum Letztgenannten hier zunächst weitere Erläuterungen.)
Dieser Zusammenhang lässt sich auf der Ebene der Begriffsbildung Natur/Kultur beleuchten. (Das überfordert unsere Diskussion hier sicherlich, dürfte aber erkenntnisleitend bleiben.) Ich habe schon zitiert, dass ein „integratives Naturverständnis“ eben kulturelle Aktivitäten des biologischen Wesens weitgehend eingemeindet. Dagegen ist irgendwann auch nicht mehr zu argumentieren.
Kaum bekannt ist mir jedoch ein Ansatz, der dies berücksichtigt, ohne die Komplexität kulturspezifischer Fragestellungen zu verkennen. Und hier landen wir notwendigerweise doch nochmal bei der Frage des Biologismus.
Es hängen philosophisch immense Fragestellungen daran – neben der nach Natur/Kultur oder Körper/Geist/Seele auch noch jene der Teleologie natürlicher Fortentwicklung oder spezifischer Begriffe von Geist, Weltgeist, Kulturgemeinschaft u. a.
Und auch im Bemühen, mich nicht zu wiederholen, nur nochmal die Erinnerung daran, dass nicht nur ein Begriff wie „Wahrheit“ philosophisch durchaus zu Recht prekär ist (und die Durchsetzung einer halbwegs einheitlichen Sprachverwendung beim derzeitigen Wuchern der Diskurse ein vorerst wohl nahezu hoffnungsloses Unterfangen, was schwerwiegende Konsequenzen hat).
Nur als Andeutung: Zunächst frage ich mich, woher Du diese Gewissheit nimmst: „Die Wahrheit ist eine Macht für sich und bahnt sich ihren Weg – in der Regel unabhängig von äußeren Einflußnahmen.“
Ich denke das mal – verkürzt beschrieben – weiter: Wenn sich innerhalb dieser Welt mit ihren biologischen Wesen und Kommunikationen mit diskursiv-praktischen Mitteln eine Lüge dauerhaft durchsetzen lässt und diese ihre Wirkungen entfaltet, ist dies ein objektives Faktum. Zu strategischen Zwecken verbreitete Fehlinformationen schaffen neue Realitäten. Was demgegenüber „Wahrheit“ wäre, ließe sich im Nachhinein erschließen, hätte aber auf den Lauf der Dinge selbst im Nachhinein eben keinen Einfluss mehr. Man könnte zu einer philosophisch-wissenschaftlichen Einsicht kommen, die im Sprichwort lautet: „Die Welt will belogen werden.“ Sorry, dass ich dann zu einem so lapidaren Zitat komme.
Das lässt sich, glaube ich, auch nicht mit einer Formulierung abbügeln wie, es sei ein irriger Glaube, „irgendein beliebiger kulturwissenschaftlicher Standpunkt wäre – für sich genommen – heute noch zugleich ein relevanterer Standpunkt, um von ihm aus einen solchen billigen Vorwurf erheben zu können.“ Es kommt eben auch darauf an, wie mächtig ein solcher „kulturwissenschaftlicher Standpunkt“ ist bzw. gemacht wird. Ob und wer ihn mächtig macht, ist im Nachweis wieder eine eigene anspruchsvolle Aufgabe, wie wir wissen.
Wenn z. B. George Soros mit einmal vorhandenen Spekulationsgewinnen den Mainstream der Forschung dazu bringt, bestimmte Lieder zu singen, beeinflusst das die gesellschaftliche Auffassung von „Wahrheit“ (die von blinden Praktikern ggf. ganz anders definiert wird). In der Realität sieht es z. B. so aus, dass eine der gründlichsten Beschreibungen von Soros‘ Netzwerk-Strategie von Friederike Beck stammt, die, schon schwerkrank, von einem Boxerhund ums Leben gebracht wurde (https://alexandrabader.wordpress.com/2017/06/17/wolfgang-effenberger-zum-tod-von-friederike-beck/). Welcher Geist, welcher Wille, welches Programm hat sich dort bahngebrochen? Waren das bloß inhärente Abläufe einer ‚Natur‘? Statt einer Antwort wird dann zunächst gleich das nächste Problem sichtbar: Solange wir das nicht sicher wissen, können wir auch hier abermals gar keinen gesicherten Begriff davon bilden.
Ingo Bading
15. Dezember 2017 um 21:03 Uhr
Die Welt will belogen werden. Na klar, 1500 Jahre Mittelalter und Christentum sind ausreichend Beweis dafür. Dennoch ging es danach und dadurch weiter. – Diese merkwürdige Sucht, vor allem negative Seiten moderner Wissensakkumulation wahrzunehmen und zu bewerten. Man versuche doch mal gleichwertig die positiven Seiten derselben wahrzunehmen und zu bewerten. – Die „Wahrheit“ der Wahrheitsbewegung ist eine vergleichsweise primitive, dessen war ich mir bewusst und es war schon erwartbar, dass das Bedürfnis geäußert würde, das zu zerbröseln. Warum gerade jetzt, als ich diesen primitiven, simplen Wahrheitsbegriff – nämlich dass man sich selbst und andere nicht belügen will – erweitere auf ein ähnliches, seit 2500 Jahren vorhandenes Bedürfnis. Typische mentale Reaktionen der „Kultur der Kritik“. Nichts für sich selbst stehen lassen zu wollen, alles zerbröseln zu wollen. Dieses Bedürfnis kenne ich als ein derartig hartnäckiges aus der Naturwissenschaft auch nicht. „Kaum bekannt ist“ ein Ansatz … Ja so redet der Talbewohner, der Bergsteiger, der ins Tun gekommen ist, versucht solche Ansätze einfach zu formulieren. Denn nichts anderes bringt uns weiter und hinauf.
Vorübergehende Fortführung auf Facebook
Ingo Bading
13. Dezember 2017 um 17:55 Uhr
Ich hatte ja oben unter 3. und 4. schon gesagt, daß die Wissenschaft relativ ratlos vor der von Dir gestellten Frage steht. Der Soziobiologe Ernst Fehr (https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Fehr) hat ja sogar Banker vor dem Hintergrund der Altruismus-Fragen auf ultimater Ebene befragt und analysiert und ihre Antworten ausgewertet. Und sein Ergebnis war, daß hier krasse Egoismen als Berufsethos vorliegen. – – – Aber ich will mal einen leisen Hinweis geben, in welche Richtung die Antwort gehen könnte auf Deine Frage. In der Wissenschaft wird unterschieden zwischen dem “schwachen” Titfortat-Altruismus und dem “starken” Verwandten-Altruismus. Weil ersterer sehr stark täuschungsanfällig ist, letzterer viel weniger. Sie geht aber davon aus, daß Verwandten-Altruismus nur auf der Ebene von Jäger-Sammler-Gesellschaften noch gruppenweit wirksam ist, da der durchschnittliche genetische Verwandtschafts-Grad innerhalb seßhafter komplexer Gesellschaften zu groß ist oder wäre, um noch (über die engere familiäre Verwandtschaft hinaus) wirksam zu sein. Stattdessen wäre unser Altruismus allein vom Tit for tat-Prinzip beherrscht, das aber im Tierreich vergleichsweise selten anzutreffen ist. Niemand hat allerdings bisher gefragt, ob nicht das Prinzip Arbeitsteilung nach Adam Smith den Verwandten-Altruismus in modernen Gesellschaften dennoch wirksam sein läßt, weil ich durch ihn mit vergleichsweise geringem Aufwand vergleichsweise vielen Menschen gleichzeitig helfen könnte, was den gesunkenen durchschnittlichen genetischen Verwandtschaftsgrad kompensieren könnte. Wie gesagt: Das ist theoretisch noch in keiner Weise durchgearbeitet. Viel eher starren die Forscher auf den Egoismus wie die Maus auf die Schlange. Gegenwärtig setzt sich demgegenüber das Theorem von der Gruppenselektion durch, das genetische Verwandtschaft und Arbeitsteilung nicht oder nur wenig in Betracht zieht (Superorganismus-Theorie). Es ist – sozusagen – die Populismus-Theorie für Altruismus. Denn: Natürlich: Wenn es Eliten gibt, die populistisch an bestimmte Instinkte appellieren, kann – theoretisch – natürlich auch ein größerer Altruismus innerhalb der Gesellschaft durchgesetzt werden. Zumeist kommen dabei totalitäre oder semi-totalitäre Regime heraus. Die eben auch nicht funktionieren, bzw. – wiederum – täuschungsanfällig sind. Ich bin der Meinung: Allein aus dem Prinzip Arbeitsteilung heraus ist ein “starker” Verwandten-Altruismus zu erklären, der freiheitliche Gesellschaften möglich macht, die fähig sind zu jener “Mindestproduktion innovativen Wandels”, der nach Joseph A. Tainter notwendig ist, damit es nicht zum “Kollaps von komplexen Gesellschaften” kommt. Aber das muß eben auf theoretischer Ebene zunächst gut durchgearbeitet sein, damit es in der Wissenschaft Anerkennung findet. Wenn es in der Wissenschaft Anerkennung gefunden hat, wird es – da es sich um naturwissenschaftliche Forschung handelt – früher oder später in das Weltbild von Gesellschaften integriert werden müssen. Zumindest solange kein neues Mittelalter eintritt.
Hier auf Google Scholar: Ist schon knapp 200 mal zitiert worden: https://scholar.google.de/scholar?hl=de&as_sdt=0%2C5&q=Business%20culture%20and%20dishonesty%20in%20the%20banking%20industry&btnG
Daniel Hermsdorf
16. Dezember 2017 um 10:43 Uhr
Habe gerade noch Deine ausführliche Antwort auf Facebook zum Thema gelesen.
Daraus kann ich den letzten Satz herausgreifen, um auch hier direkt anzuschließen: „Zumindest solange kein neues Mittelalter eintritt.“ – Ja, genau. Ich sehe heute nur ein wesentliches Argument: dass Wohlstandskinder denken, die Welt sei eine W-LAN-Party, während neben laufenden Kriegen schon der nächste vorbereitet wird. So ungefähr lautet die Zusammenfassung von Marktforschern für die „Generation Y“.
Ich will Dich nun hier nicht verpflichten, noch mehr zu referieren – das sind alles wertvolle Inhalte, die zumindest nicht nur auf Facebook erscheinen sollten. – Fragen wollen würde ich nochmal genauer, als wir es bisher besprachen, wo es denn jemals solche altruistischen Gesellschaften gegeben hat – außer eben Stammesgesellschaften. Zu Letzteren ist bestimmt auch noch Einiges Abträgliche zu sagen. Außerdem frage ich mich dann, ob die Abkehr vom Altruismus außerhalb der Familie nicht immer etwas mit Ausdifferenzierung zu tun hat. Man ist den anderen Mitmenschen dann nicht mehr so nahe und quasi-familiär verpflichtet. Wirtschaftstheoretisch könnte man sich auch noch fragen, ob Egoismus als Voraussetzung für Konkurrenz nicht unterm Strich doch mehr Wohlstand für mehr Menschen erbringt als ein systemischer Altruismus, wie immer er sich auch konkret gestaltete.
Von Deinem Rechtsanwalt vor Gericht würdest Du Dir vermutlich auch keinen sonderlichen Altruismus erhoffen. Die Frage ist dementsprechend, was z. B. ein Banker überhaupt ist bzw. sein sollte (dies noch zu Deinem Beispiel auf Facebook).
Insgesamt teile ich Deinen Optimismus eben nicht so ganz. Das Neo-Hippietum der Generation Y dürfte enden, wenn ihnen das Bezahlen des nächsten iPhone irgendwie schwer fallen sollte, nehme ich an. Die Frage ist, was danach kommt.
Ich zitiere nicht nochmal wörtlich Daniel Cohn-Bendit über die schnellere und härtere Multikulti-Gesellschaft, die zu erwarten sei. Sie wird definitiv aus immer mehr immer kleineren Gruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und weltanschaulicher Orientierung bestehen. Solange die Versorgung gesichert ist, dürfte man Ruhe bewahren. Falls mal nicht mehr, dauert es nur Tage bis zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Neben Islamisten denken in der deutschen Bevölkerung wohl nur politisch Radikale auf der rechten Seite an diese Option und bereiten sich auf solche Kämpfe vor, daneben und mit Schnittmengen ein Teil der Prepper. Der deutsche Normalo einschließlich des Bildungsbürgers ist eher linksliberal und sieht in der Durchsetzung von Mindestlohn und stabilem Rentenalter das kurz bevorstehende Ende der Geschichte.
Die Wahrheitsbewegten, wie gesagt, sind (was Ökonomie betrifft, neben den klassischen Linken und einem Teil der Rechten) noch am stärksten an Themen wie Gerechtigkeit oder, damit zusammenhängend, Geldsystem, interessiert. Allerdings bedienen sie sich bestenfalls der ca. 70 Jahre alten libertären Theoreme. Schlimmstenfalls haben sie nur ein paar grobe Feindbilder und verlieren sich, wie schon besprochen, in sinnlosesten Pseudo-Themen, die sie aber für das mittlerweile einzig Relevante halten. Solange evtl. Geheimdienste diesen Irrsinn aussähen helfen und ggf. noch Algorithmen auf Internet-Plattformen manipulieren, damit keine sorgfältig erstellte Information durchkommt, wird sich nichts ändern. Ist das Ganze gar nicht manipuliert, sind die Betroffenen offensichtlich nicht einmal fähig, sich selbst zu helfen – geschweige denn, jemand anderem.
Ich frage mich auch, woher Dein Optimismus herrührt, wenn Du dazu etwa an irgendwelche Projektarbeiten denkst. Schau Dir das Internet an – überall Einzelkämpfer. Zusammenarbeit funktioniert derzeit einzig und allein unter der Anleitung der bestehenden durchfinanzierten Strukturen und Eliten. Wo George Soros seine Dollars verteilen lässt, können Ausführende sich gemeinsam störungsfrei als menschenfreundliche Idealisten fühlen – oder sie halten sich nur äußerlich an die inhaltlichen Vorgaben, weil sie das Geld dringend brauchen. Dies scheint das einzige Setting zu sein, in dem dauerhaft kooperiert wird (außer noch ein paar Neurechte, die sich die sichere Rettung von der nächsten Oswald-Spengler-Ausgabe erwarten und bei komplexen Argumenten die Stirn runzeln; das Personal dürfte aber auch hier schon gesiebt und auf teils abwegige Trips gebracht sein).
Auch unter ‚Aufgewachten‘ gibt es leider wohl zuviele, die „im Mittelalter“ leben – in voraufgeklärten und illusorischen Denkweisen. Das macht sie nicht geeigneter, in einer stark heterogenen Gesellschaft zu retten, was noch zu retten ist. Sie klammern sich an ihre eigenen Filterblasen und Wunschträume eines längst vergangenen Deutschlands. Ich sage das nicht mit Häme, es gibt einfach Faktoren, die Vergangenes auf immer Vergangenes sein lassen.
Ich glaube also, es ist noch schlimmer, als dass ‚der Mensch‘ an sich egoistisch sei. Es gibt viele Anzeichen, dass man über Jahrzehnte unsere Gesellschaft so sehr auseinandergetrieben hat, dass sie ohne eigene Einheit recht hilflos anderen gegenübersteht, deren Kinder die Zukunft sind. Diese werden voraussichtlich immer mehr mitbestimmen dürfen. Bisher zeigen sie in der Tendenz, dass die Rede von einem Gott ihnen als Rechtfertigung, nicht an eigenen Defiziten zu arbeiten, ausreicht.
Eine Vielzahl von Spaltungen und Unbelehrbarkeiten einschließlich der Nicht-Vermittlung von effektiven neuen Kommunikationsformen (mit ggf. wachsenden Integrations- und Finanzierungsproblemen umso mehr) wird es nach meiner Einschätzung eher noch schwieriger machen, Altruismus als neue Leitidee zu etablieren. Und wenn es eine organisierte Arbeit gegen solchen Altruismus und die Erschaffung der dafür notwendigen Bedingungen gibt, müsste eine Durchsetzung des Altruismus sich ja auch mit diesen widrigen Umständen und ihren willentlichen Verursachern erstmal auseinandersetzen. Ich spare mir vorerst, nochmal wiederzugeben, was bei diesem Projekt bisher herausgekommen ist.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 12:38 Uhr
„Wo es denn jemals solche altruistischen Gesellschaften gegeben hat – außer eben Stammesgesellschaften.“
Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist eine Frage, die im Grundkurs Soziobiologie beantwortet wird, bzw. die man für sich auch schon geklärt haben könnte, BEVOR man überhaupt anfängt, sich mit Altruismus-Forschung zu beschäftigen.
Unsere modernen Gesellschaften sind VOLL von Altruismus, der über die engere Verwandtschaft hinaus geht. Es geht nicht darum aufzuzeigen, DASS sie es sind. Es geht darum zu erklären, WARUM sie es sind und inwieweit vorhandener gelebter Altruismus oder Egoismus evolutionsstabil ist oder nicht und jeweils warum.
Noch einmal wiederholt, was schon gesagt wurde: Die Forschung geht davon aus, daß unser gelebter Altruismus in modernen Großgesellschaften in ihrer Sprache „schwacher“ Altruismus ist. Das heißt, man ist in der Regel nur dann altruistisch, wenn man dafür etwas zurück bekommt.
Aber bitte, ich sagte schon, daß ich mich nicht zuständig fühle für den Grundkurs. Auch mir selbst hat den keiner gegeben. Das sollte unter erwachsenen Menschen, zumal Akademikern selbstständig zu erarbeiten sein. Übrigens ist von Eckart Voland zu Lebzeiten von Frank Schirrmacher in der FAZ eine lange Reihe Grundkurs Soziobiologie erschienen. Hat natürlich auch wieder keiner gelesen, außer Frank Schirrmacher.
Im übrigen gehst Du in Deiner Antwort mit keinem Wort auf Ernst Fehr ein, obwohl ich doch nun hätte denken können, daß DESSEN Themen (Verhalten von Bankern) näher Deinem eigenen Forschen und Fragen liegt als alles andere bisher erörterte.
Ach so, doch, Du schreibst “Von Deinem Rechtsanwalt vor Gericht würdest Du Dir vermutlich auch keinen sonderlichen Altruismus erhoffen. Die Frage ist dementsprechend, was z. B. ein Banker überhaupt ist bzw. sein sollte (dies noch zu Deinem Beispiel auf Facebook).” Ja, gut, das macht mich ohnmächtig, solche Sätze. Mir vergeht jede Lust zum Weiterdiskutieren. Die Sätze zeigen, wie WEIT Du innerlich entfernt bist, Dich ernsthaft auf die Forschungen bloß nur von Fehr einzulassen. Ich kennzeichne das nicht weiter.
Nichtlügen ist noch nicht Altruismus, es ist einfach Nichtlügen. Für Lügen oder Schädigung anderer gibt es unter anderem den Begriff Bosheit (“spite”) in der Altruismus-Forschung. Der ist schon spätestens um 1970 herum von George Price in die Altruismus-Forschung eingebracht worden zusammen mit William D. Hamilton. Aber das ist hier ein solches unakademisches Herumstochern im Nebel mit Dir. Das macht keine Freude, einem, der nicht gehen kann, das Gehen beibringen zu wollen, von dem man weiß, daß ihm Gehen nicht schwer fällt.
Daniel Hermsdorf
16. Dezember 2017 um 14:10 Uhr
Na, Ingo, im Noten-Verteilen bist Du gut. Im Eingehen auf konkrete Punkte nicht immer. Es geht Dir auch immer darum, die von Dir bearbeiteten Themenfelder als die einzig relevanten darzustellen. Ich denke, das ist zumal in der umfangreicheren Diskussion auf filmdenken.de deutlich geworden bzw. kann von jedem überprüft werden.
Alles andere ist Dir egal. Ein Mega-Begriff wie „Ausdifferenzierung“ ist Dir keinen Moment wert, über Dein eigenes Konzept nachzudenken. Er beschreibt Tatsachen, unter die fällt, dass sich für Soziobiologie keineswegs alle Menschen, vielleicht auch nur wenige, interessieren und interessieren müssen.
Möchtest Du, dass es mehr werden, musst Du sie überzeugen. Möchtest Du sie überzeugen, brauchst Du dafür Mittel. (Du siehst hoffentlich hier, wie Du mit Leuten umgehst, die sogar Interesse signalisieren.) Möchtest Du nicht, dass es mehr werden, wird von Dir kein irgendwie wirksamer Beitrag geleistet, dass sich Ideen wirklich durchsetzen, die Du für wichtig hältst. Du kannst Dich privat mit ihnen beschäftigen und alles andere egal sein lassen. Sobald Du merkst, dass es hier in der Diskussion längst nicht reicht, fängst Du an, den anderen zu bewerten. Würdest Du noch andere wichtige Theorien kennen außer die, die Du schon für wichtig hältst, würdest Du, glaube ich, anders verfahren.
Eine Einschätzung unserer Gesellschaft als „schwacher“ Altruismus verlockt mich jetzt nicht gerade, dort weiterzulesen. Das ist die Art von Theorie, die selbst wieder allerlei ausblendet, um zu reduktionistischen Begriffen zu kommen.
Da deutet sich mir an, dass Aspekte wie Sozialgeschichte der Macht oder Geldtheorie kaum Berücksichtigung finden – obwohl sie es strenggenommen sogar müssten. Was dem Altruismus entgegensteht, liegt ja u.a. (neben vielem, vielem anderen eben) in historischer Entwicklung einer Gesellschaft und einem System wie unseren Währungen begründet. Aber was Dich nicht unmittelbar selbst interessiert, hältst Du ja offensichtlich ungeprüft für unwichtig. Und stellst dann erst fest, dass ein Satz von mir Dich „ohnmächtig“ mache, um übergangslos nicht erstmal Dich selbst zu befragen, sondern durch erklärten Kommunikationsabbruch Dir selbst vielleicht das Gefühl zu geben, Du hättest nicht mehr zu tun als dem anderen zu erklären, dass Du die Standards setzt, worüber zu reden sei. Du gehörst zu einer – leider wohl wachsenden – Zahl von Menschen, die wichtige Botschaften der modernen Psychologie nicht beherzigen, dabei ihrer Sache und der anderer schaden, wenn Du mich dazu dann noch hören willst. Du übst gewalttätige Kommunikation z.B. aus, indem Du folgenden Kriterien entsprichst:
„Beobachtung und Bewertung werden vermischt. […]
Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalisierungen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltfreie_Kommunikation#Grundmodell_in_einem_Beispiel
Alleine in den beiden genannten Themenfeldern ist teilweise nicht einmal genug empirische Arbeit geleistet, auf deren Grundlage man Bezugsgrößen für altruistisches Verhalten nennen könnte. D.h., bevor Du eine von Dir hier annoncierte Soziobiologie sachbezogen wirklich betreiben könntest, müsstest Du dann noch andere Arbeiten leisten. Denn es geht z.B. ja um Bewertungen, was überhaupt einem anderen „nützt“ – oder wovon er nur den Eindruck hat, dass es nützt? Und wovon der andere weiß, dass es in Wirklichkeit nichts nützt? Was ist dabei nun genau oder als Beispiel eine „Schädigung“?
In vielen Bereichen wissen wir das gar nicht – oder noch nicht. Nicht zuletzt das politische Leben dreht sich ganz wesentlich um vollkommen widersprüchliche Deutungen, was „gut“ ist oder was „schadet“. Und erst hinterher ist man bekanntlich schlauer.
Was ich sagen will: Soziobiologie ist, wie alle Deine anderen Ansätze, kein Allheilmittel. Es ist eine Disziplin, vielleicht eine unterschätzte. Es gibt viele andere und viele andere, die heute weitaus wirksamer sind. Und das betrifft Deine Anliegen durchaus, natürlich je nach persönlichem Anspruch.
Ich habe Dir schon gezeigt, dass Du andauernd über Deine Genetik und die Abstammung von Völkerschaften schreibst. Schon in diesem Fachbereich habe ich von Dir nichts gelesen – und überprüfe es gerade nochmal per Google-Suchen – über „Designerbabies“, „Klonen“ … Zu „Genmanipulation“ und Deinem Namen findest Du wieder nur einen Blog-Beitrag von mir auf filmdenken.de. Zu einem zentralen Instrument der Anwendung genetischer Erkenntnisse – hast Du Dich bisher nicht einmal geäußert?
https://www.google.de/search?q=ingo+bading+crispr+cas
Wer anderen „unakademisches Herumstochern im Nebel“ attestiert, steht damit nicht so gut da. Auch in einem – was man jedenfalls erkennen muss: für sich genommen schon riesigen – Bereich wie Genetik hast Du Dich mit ein paar Teilaspekten beschäftigt. Eine wesentliche Zukunftsfrage wird sein, wie die Gen-Manipulation von Menschen geregelt werden wird. Hast Du Dich schon einmal gefragt, ob alle Erkenntnisbildung über humanbiologische Entwicklung dann nicht nurmehr zum Anwendungswissen wird für den „Neuen Menschen“? Was hast Du dazu zu sagen, dass etwas wie ethnische Differenzen dann der Vergangenheit angehören? Du schreibst in diesen Jahren immer noch begeistert über Begriffe des Völkischen bei den Ludendorffs und bringst den Wunsch zum Ausdruck, deren gewachsene Identitäten zu bewahren.
Auch auf der rein sozialen Ebene ist in unserem Land hier festzustellen, dass es nicht mehr um eine Entscheidung gegen Multikultur geht – sondern darum, wie diese zu gestalten ist. Alles andere halte ich für nicht realitätsbezogen. Schon in wenigen Jahren wird die Rede vom „Migrationshintergrund“ verschwinden, weil er so allgegenwärtig geworden ist (hörte ich kürzlich noch irgendwo).
Das sind schon wieder eigene große Themen. Sie ließen sich auch beziehen auf soziobiologische Fragestellungen. Ich habe nun schon angedeutet – und kann hier nicht mehr -, dass dies sicher anspruchsvolle theoretische Aufgaben hervorbringt.
Du zwingst einen schon, solche Exkurse nochmal zu machen – auch, um sich selbst zu vergewissern, was Du einem da so sagst. Wäre, wie auch schon gesagt, gut, wenn dazu nochmal jemand seinen Leseeindruck einbringt.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 20:41 Uhr
Ja, das ist durchaus eine Schwierigkeit in der Vermittlung von Naturwissenschaft und im interdisziplinären Gespräch, daß man bestimmte Dinge nicht halb oder obenhin machen kann. Es wird sicher Themen geben, bei denen Du das ähnlich siehst. Dass ich heute auf den Abschluss eines naturwissenschaftlichen und eines geisteswissenschafltichen Faches zurück blicken kann, was mir sicherlich erlaubt, einige Standards einzufordern, war mir auch nicht in die Wiege gelegt worden und hat auch vieler Überzeugungsarbeit von anderer Seite bedurft. Entweder man hat Interesse oder nicht. Mit halbem Interesse ist meist wenig anzufangen, wovon wir uns womöglich beide überzeugen konnten.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 20:57 Uhr
Vielleicht noch etwas: Im Bereich der Naturwissenschaft kommt es womöglich zunächst nicht auf die Breite der Themen an, die man beackert, sondern dass man eine andere, ganz neue Denkposition annimmt und übernimmt und als berechtigt anerkennt. Als ich aus Seminaren über den Versailler Vertrag hinüber in den Fachbereich Biologie kam und einen Pflanzenbestimmungskurs machen sollte, fehlte mir am Anfang meines Studiums auch ein Gefühl dafür, dass beide Themen gleichwertig sein könnten, ja dass der Pflanzenbestimmungskurs sogar bedeutender sein könnte. Im Versailler Vertrag ging esdoch vordergründig um so viel mehr. Der Schritt hinüber zur Naturwissenschaft ist jedes mal aufs neue mit solchen Irritationen verbunden, durch die man sich hindurch kämpfen muss. Der Erklärungsbereich der Naturwissenschaft mutet einem, wenn man aus einer Geisteswissenschaft her kommt, oft verzweifelt eng und banal an. Dieser Eindruck täuscht aber in der Regel. Die Naturwissenschaft erklart vielleicht anfangs und oft nur Weniges und oft auch nur banal Anmutenden. Aber das wenigstens – im Vergleich zur Geisteswissenschaft – dann mit Hilfe eines gänzlich anderen Methodenrepertoirs und mit -wenn sie zu grundlegenderen Ergebnissen kommt – mit einem ganz anderen Gültigkeitsanspruch. Irgendwann fällt der Groschen und man merkt, dass es ohne gleichwertige Behandlung der Naturwissenschaft nicht wirklich sinnvoll geht. Bei dem einen früher, bei dem anderen später. Ich erhebe nicht den Anspruch, solche Groschenbewegungen über Eröterungen wie diese hier grossartig voran bringen zu können.Wann bei jemandem die innerseelische Bereitschaft vorhanden ist, sich darauf einzulassen, ist ganz unterschiedlich. Und was auf der Ebene von Individuen gilt, trifft auch auf die Ebene von Gesellschaften zu.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 21:34 Uhr
Auf immerhin einen Artikel aus meiner Feder zur Frage, ob die biologische Evolution weiter geht, gehen kann oder einigermaßen an ihr Ende gekommen ist auf makroevolutionärer Ebene darf ich verweisen: http://studgendeutsch.blogspot.de/2016/07/ist-die-biologische-evolution-zu-ende_10.html
Daniel Hermsdorf
16. Dezember 2017 um 22:04 Uhr
Du solltest nicht – wie hier wiederholt – den Fehler machen, statt eigener Erklärungen dann in irgendwelche allgemeinen Belehrungen zu verfallen – als müsstest Du Deinem Gegenüber erklären, was Naturwissenschaften sind.
Was Wilhelm Dilthey damals in seiner Begriffsbildung begonnen hat, ist ein notwendigerweise unabgeschlossenes Projekt. Was Du in unseren Dialogen nicht ein einziges Mal konkret beantwortest, ist u. a. der Hinweis, dass in unserer Gesellschaft Kulturproduktion eine starke Eigenlogik entwickelt hat. Wenn die Soziobiologie in einem methodischen Übergangsbereich soziale Phänomene i. w. S. auf physische Lebensfunktionen zurückführen kann, ist dies besser beschreib- und belegbar als die genannten ‚weichen‘ Faktoren.
Da wir dazu immer wieder hin- und herreden, sollte ich es doch nochmal so direkt formulieren: In Deinen Eingaben sehe ich nirgendwo die Komplexität von Kulturgeschichte, von Interpretationen, verschiedensten Kultur- und Kunsttheorien, schließlich noch der Kulturwirtschaft abgebildet. Wir hatten hier nun das Thema „Altruismus“, wobei es in der sozialen Praxis dann eher um beziehungsorientierte und ökonomische Kategorien geht.
Auch hierzu konnte und kann ich Dich nur darauf hinweisen, dass die Interessantheit eines soziobiologischen Begriffs davon nach meinem Verständnis notwendigerweise Grenzen haben muss. Beispiele habe ich schon angerissen. Die Psychologie von Bankern – als das von Dir Angesprochene – ist mir persönlich, ehrlich gesagt, kein so großes Rätsel, dass ich unbedingt nach Erklärungen suche. Du führtest das an als Beispiel, wie in einer Einzelstudie gesellschaftliche Zustände des Geldverkehrs an einem bestimmten Akteur-Typus beleuchtet werden kann. Dagegen habe ich nichts, eine solche Untersuchung macht natürlich absoluten Sinn. (Ich würde jederzeit darauf zurückgreifen, wenn es meinem Argument dient.)
Es gibt nur eine Vielzahl anderer Perspektiven auf einen solchen sozialen Akteur wie einen Banker. Wesentlich ist, dass
- seine Institution historisch gewachsen ist;
- es spezifische, auch verdeckte Einzelinteressen gibt, die über Banken abgewickelt werden;
- diese Interessen in noch größere Konzeptionen der Macht- und Geopolitik, sogar der Religion eingebettet sein können.
Das Genannte betrifft vielfach Aspekte des Handelns eines Bankers, die ihm selbst vollkommen unbekannt bleiben können, während er ein Leben lang seine Arbeit tut (je nach Position und persönlichen Verbindungen natürlich).
Statt auf andere Weise zu reagieren, könntest Du doch einfach das Argument präzisieren: Es gibt etwa soziobiologische Theorien zum Geldwesen, die Du mal beispielhaft hättest anreißen können. Reichlich scheinen sie mir aber nicht gesät. Eckart Voland kommt als Autor wiederholt vor. Bei Udo Reifner („Das Geld“) wird in Richtung meiner Argumente zusammengefasst:
Stattdessen fängst Du an, den anderen über seine „innerseelische Bereitschaft“ und sonstwas zu belehren.
Du wärst in der Pflicht, all die Skepsis zu bearbeiten, die der Soziobiologie aus den auch hier zitierbaren Gründen entgegengebracht wird: Biologismus, Reduktionismus. Dass die Naturwissenschaften andere „Methodenrepertoires“ haben, wissen wir.
Wenn Du meinst, Naturwissenschaften als „gleichwertig“ rechtfertigen zu müssen, so sprichst Du ja offensichtlich nicht die Gesellschaft an, in der sie hoch angesehen ist. Sprichst Du mich an? Habe ich irgendwo gesagt, sie sei minderwertig gegenüber anderen Disziplinen?
Das meint doch auch kein Fach-Autor, der auf Risiken des Biologismus etc. hinweist. Es geht darum, methodische Grenzen zu ziehen, was eine Disziplin kann und will. – Du behauptest jedoch immer wieder allgemein, sie sei eigentlich der Schlüssel für alles, vermittelst den Eindruck, Du müsstest Dich geradezu herablassen („Grundkurs“), anderen etwas von deinem erlauchten Wissen mitzuteilen. Dann fragt man Dich, wie Du ihre Begriffe etwa zum soziologischen Begriff der Ausdifferenzierung in Beziehung setzt. Und es kommt im Gegensatz zum Wortreichtum an anderer Stelle gar keine Antwort.
Ich kann das selbst googlen und finde dies:
„Zusammengefasst kann man die unterschiedlichen Auswirkungen der innerartlichen Auseinandersetzung als divergierende oder zentrifugale Kräfte betrachten. Ihnen stehen, durch Verstärkung des Gruppen-Zusammenhaltes und des ‚Wir‘-Bewusstseins zentripetale Kräfte entgegen.“
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-04158-8_18
Das ist eine sehr allgemein gehaltene Begriffsbestimmung. Ich gehe aber davon aus – soweit ich auch Texte der Soziobiologie kenne -, dass sie zunächst nur die äußerliche soziale Funktion etwa eines kulturellen Werkes interessiert. Es kann mit beliebigen Inhalten gefüllt sein, dass Menschen untereinander Zeichen austauschen (wie auch wir gerade). Es ist dafür gar nicht notwendig, allerlei Methoden der Kulturwissenschaften anzuwenden, die sich auf die Binnenstruktur eines kulturellen Produktes beziehen. Sie wären nur relevant, wenn z. B. deutlich würde, dass kommunikative Handlungen solchen Binnenstrukturen widersprechen.
Wenn ein Caravaggio eine Maria gemalt hat und sie dem Papst übergibt, dann ist das im Sinne des Zitates ein zentripetaler Akt, der Künstler und Auftraggeber verbindet. Der Künstler erhält dafür Geld und bessert ggf. seine soziale Stellung (was ihm in biologischer Hinsicht vielleicht das Überleben erleichtert, was ihm vielleicht die Möglichkeit eröffnet, als angesehener Künstler eher einen Partner zu finden etc.). Der Papst stärkt sein Ansehen, denn er kann das Werk eines renommierten Künstlers vorweisen. Vielleicht erbaut er sich auch nur an dem Gemälde, und diese psychologische Funktion würde nur allgemein benannt – hier würde eine biologische Definition notwendig in die Psychologie übergehen.
Vielleicht wäre eine solche soziobiologische Skizze des Vorgangs leicht schief, wenn man folgende Binnenstruktur berücksichtigt: Caravaggio hat eine Prostituierte als Modell ausgewählt. Es kommt nun noch darauf an, ob der Papst das wissen kann oder es zumindest später noch erfährt. Dann ändern sich auch die äußeren Definitionen der angesprochenen zentripetalen Tendenz. Es ist dann vielleicht gar keine mehr. Zumindest die Beziehungen des einen agierenden biologischen Wesens zu Gegenstand und Verhandlungspartner sind von ganz anderen Handlungs-Intentionen geleitet. Würde niemand das Spiel durchschauen und Caravaggio darüber nicht reden, wäre es – zumal in historischer Distanz – gar nicht mehr erkennbar.
Eine soziobiologische Theorie des Vorgangs müsste also klugerweise alle Vorsicht walten lassen, keine Aussagen zu treffen, die mit der genaueren Bestimmung von Binnenstrukturen des symbolischen Produkts in Widerspruch stehen (was hypothetisch auch dann noch zu einer erst nachträglichen Enthüllung führen könnte).
Es ist auch unausweichlich, dass hier Methoden anderer Fachbereiche belehnt werden müssten. Es könnte z. B. eine philologische Suche nach Zeugenaussagen beginnen, die die Prostituierte erwähnen. Vielleicht wäre es dabei eine nicht ganz eindeutige Aussage. Erst ein historisch verständiger Kunst- oder Literaturhistoriker könnte vielleicht eine begründete These entwickeln, dass von dem Modell als von einer Prostituierten auszugehen ist.
Ich breche das Durchgehen eines solchen Beispiels hier einmal ab.
Wenn Du meine Bücher kennst, weißt Du, dass das noch eine sehr harmlose Aufgabe der Deutung ist. Das wenigste an dem Reichtum unserer Kulturgeschichte wird in soziobiologische Begriffe zu fassen sein. Diesen Anspruch erheben sie selbst nicht. Im Gegensatz zu Dir nimmt der gerade zitierte Autor eine solche methodische Verortung vor:
„Der Forschungsansatz der Evolutionsbiologie, der selbstverständlich von den Befunden von Verhaltensbiologie, Psychologie und Soziologie ausgeht, unterscheidet sich von diesen Wissenschaftsbereichen insofern, als weniger die unmittelbaren Ursachen (Proximalfaktoren) und Folgen analysiert werden, sondern die tieferliegenden, evolutionär entstandenen Gründe (Ultimatfaktoren).“
Wie gesagt: Der philologische Nachweis von Caravaggios blasphemisch-ironischem Spiel würde zu einem Ultimatfaktor von etwas führen, was man „Betrug“ oder „Hohn und Spott“ nennen könnte. Aber, wie eben zitiert, viele weitere Einzelheiten und auch Herleitungen sind nicht mehr Teil einer soziobiologischen Theorie im eigentlichen Sinne.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:09 Uhr
Mir ging es nicht um eine theoretische Abhandlung und Einordnung dessen, was Naturwissenschaft ausmacht, sondern nur um Andeutungen, wie sie sich im interdisziplinären Forschungsalltag anfühlen könnte, zumindest für mich. Wenn Du keine Augenhöhe in unserer Erörterung empfindest („Belehrungen“), ist ein guter Anlass gegeben, sie endlich zu beenden.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:11 Uhr
Pflicht habe ich überhaupt keine. Was Du als Deine Pflicht ansiehst, steht Dir frei.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:20 Uhr
Tut mir leid, unter soziobiologisch Informierten wird Dein Text nur als ein Stochern im Nebel empfunden werden können, da Du Dich ja gar nicht auf die Grundprämissen der Soziobiologie einlässt oder irgendwo einen konkreten Bezug zu ihnen herstellst und das sind immer Gen-Interessen, Fortpflanzungschancen. Denn was sich nicht fortpflanzt, existiert nicht mehr. Wir existieren. Also existieren wir aufgrund der Tatsache, dass unsere Vorfahren Gen-Interessen bewusst oder unbewusst gedient haben. Soweit einführende Sätze des ersten Seminartages des Grundkurses Soziobiologie. Und so viel Belehrung von meiner Seite.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:25 Uhr
Proximate und ultimate Erklärungsebene haben in der Soziobiologie scharf umrissene Bedeutungen. Ich habe nicht das Gefühl, dass Du Dir über diese im Klaren bist. Dadurch geraten solche Texte wie Deiner in die Gefahr, als eleganter Unsinn wahrgenommen zu werden. Ich kann nur sagen, dass zum Beispiel Texte eines Frank Schirrmacher meines Wissens nie in diese Gefahr geraten sind. So viel Redlichkeit muss sein.
Daniel Hermsdorf
16. Dezember 2017 um 22:32 Uhr
Habe ich damals gelesen, ist doch ein hochinteressanter Beitrag. Es gelten für ihn die gerade zitierten methodischen Begrenzungen. Er bezieht sich ja nicht auf die schwierige Frage einer soziobiologischen Modellierbarkeit der Komplexität kultureller Phänomene.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:36 Uhr
Der Artikel hat mit Soziobiologie schlichtweg nichts zu tun. Ich nannte ihn, um zu zeigen, dass womöglich auch Designer-Babies biologischen Begrenzungen unterliegen. Mehr war mit der Benennung nicht beabsichtigt.
Ingo Bading
16. Dezember 2017 um 22:38 Uhr
Bitte auch die Uhrzeit des Kommentars beachten, er bezog sich auf einen früheren Beitrag Deinerseits.
Daniel Hermsdorf
16. Dezember 2017 um 22:44 Uhr
Na schön, wenn das im Dialog einseitig beschlossen werden kann. Du reproduzierst doch nur wieder das selbe Muster, in einen Gegenangriff überzugehen („Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalisierungen“, https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltfreie_Kommunikation#Lebensentfremdende_Kommunikation).
Mit elegantem Unsinn haben meine Ausführungen ganz bestimmt nichts zu tun.
„Pflichten“ hast Du sehr wohl, wenn Du schon einen wissenschaftlichen Dialog führst, erst recht, wenn Du Vorwürfe machst und der andere darauf schon zu aufgefordert war. Es müssen andere beurteilen, wer von uns welchen dieser Pflichten nachgekommen ist.
„Bemühe dich stets darum, zur (langfristigen) Realisierung solcher Verhältnisse beizutragen, die der idealen Kommunikationsgemeinschaft näher kommen, und trage stets Sorge dafür, daß die schon existierenden Bedingungen der möglichen Realisierung einer idealen Kommunikationsgemeinschaft bewahrt werden!“
https://de.wikipedia.org/wiki/Diskursethik#Die_Prinzipien
Ingo Bading
17. Dezember 2017 um 10:13 Uhr
Wenn Du übrigens eine dritte Meinung hören willst, was Du Dir nun schon wiederholt wünschst, schalte Dich doch einfach in die nicht seltenen Diskussionen mit dem Buchautor Peter Mersch auf meiner Facebook-Seite ein. Er ist immerhin ein hinlänglich in naturwissenschaftlicher Anthropologie informierter und belesener Diskussionpartner, mit dem man vieles einigermaßen auf Augenhöhe besprechen kann. Meines Wissens hat er diverse Grundkurse Soziobiologie auch im Selbststudium erfolgreich absolviert. Er hat zwar einigermaßen zeitgleich parallel dazu schon wieder seine eigene „Theorie von allem“ dazu formuliert, weiß aber wenigstens, von was die Rede ist, wenn von soziobiologischen Gedankengängen gesprochen wird und kann die einigermaßen hinlänglich einordnen.
Er kann sich auf diesem Gebiet zumindest so informiert ausdrücken, daß er schon auf Tagungen der Soziobiologen als Vortragender angehört worden ist. So ungefähr wie seine kann eine wissenschaftliche Biographie im Übergangsfeld von Kultur- und Naturwissenschaften grob aussehen.
Warum ich auf diese Ergänzung so großen Wert lege: Soweit ich sehe, ist dieser Kommentar derjenige in dieser Diskussion, der aus meiner Sicht am wenigsten banal ist, weil er nicht nur bis zu vordersten Grenze der Forschung hin führt, sondern über diese hinaus weist ins Niemandsland des Vorfeldes, dorthin, wo es EIGENTLICH spannend wird.
Soweit ich sehe, mühevoll vollständig dokumentiert. Danke für Deinen Altruismus! 🙂 (Der ein starker Altruismus zu sein scheint oder als ein solcher verstanden werden könnte, da Du ja keine direkte Bezahlung dafür erwartest und zu erwarten scheinst.) Allerdings fehlt ein mir inhaltlich wichtiger einleitender Facebook-Diskussionsbeitrag, da hatte ich gesagt:
3. Der Umstand, daß unser Gemeinwesen die krass-ausbeuterischen Umverteilungs-Verhältnisse rund um Amazon zuläßt, ist mehr oder weniger ein Zeichen dafür, daß selbst der simpelste “Tit for Tat-Altruismus” (wie das die Soziobiologen nennen) in Gemeinwesen nicht mehr funktionieren kann, außer Kraft gesetzt werden kann. Die Soziobiologen haben MASSIVE Schwierigkeiten zu erklären, welches Gegengewicht es eigentlich gegen solche krassen Formen von Egoismus geben könnte in der menschlichen Psyche und in Gemeinwesen. Jeder ist aufgefordert, sich darum Gedanken zu machen. Es geht schließlich um unsere Zukunft.
4. Ein Hauptthema dabei ist, daß “cheater” von der Gemeinschaft als solche erkannt und in die Schranken verwiesen werden müssen, bestraft werden müssen für ihr Tun. Die Soziobiologen stellen sich das in der Regel vergleichweise einfach vor. Als wäre Erkennen und Bestrafen dasselbe. Sie erkennen aber nach und nach auch, daß auch für dieses Bestrafen und In-die-Schranken-Weisen mitunter Altruismus erforderlich ist. Von diesem wird in der Regel aber bis heute nicht angenommen, daß er besonders groß sein müßte. Aber offensichtlich MUSS er groß sein. Denn mit den billigen “altruistischen” Bemühungen, die unsere Gesellschaft unternimmt, werden die vielen krassen Egoismen aller Orten – und nicht nur rund um Amazon – ja offenbar gar nicht eingedämmt.
5. Es könnte ja auch sein, daß andere Formen von Altruismus als BEGLEITERSCHEINUNG es mit sich bringen, daß mit solchen Egoismen innerhalb der Gemeinschaft Schluß gemacht wird, und daß das DANN “leicht” ist. Aber welche Formen von Altruismus wären das dann? Worauf müßten sie ausgerichtet sein?
Daniel Hermsdorf:
Wo siehst Du denn ernsthaft Ansatzpunkte, dass solche Ideen sich durchsetzen könnten gegen eine wirtschaftliche Dynamik und Verteilungskämpfe in der Welt, wo es schwierig werden dürfte, den hier bestehenden Standard überhaupt zu halten?
Wenn Menschen, die hierzulande ein Interesse haben, Verhältnisse zu ändern, derzeit überhaupt sichtbar werden, gehen sie allzu oft schnell in die Irre und beherrschen kaum das einfachste Handwerkszeug.
Gegen welches Finanzkartell und welche Hedge Fonds mit all ihren Methoden und Wurmfortsätzen in Presse und Wissenschaft soll die bloße Idee des Altruismus denn durchsetzbar sein?
Wer ist sich überhaupt so sicher, dass Empathie beim aktuellen Stand nicht durchaus besteht in Formen der Existenzsicherung und Fürsorge, die unser Staat in manchen Bereichen durchaus noch bietet? Die automatisierte Gesellschaft mag sich als Schimäre herausstellen. Wenn nicht, bietet sie tatsächlich große Chancen. Allerdings wohl auch eher für Menschen, die sehr bewusst mit ihrem Leben umgehen. Das kann man derzeit für diverse gesellschaftliche Gruppen auf unterschiedlichste Weisen in Zweifel ziehen.
Es sollte aus meinen sonstigen Äußerungen hervorgehen, dass ich ‘Weltverbesserung’ nicht naiv vertrete. Wir befinden uns in einer weitläufigen Kriegssituation mit teils nicht-kriegerischen Mitteln.
Daraus resultieren u.a. allerlei Absurdheiten und Sprechverbote. Kann man in diesem Umfeld mit dem bloßen Appell an Mitmenschlichkeit aufzutreten, ohne z.B. auch nur Ansätze diskursiver Vermittlung und deren praktischer Umsetzung (Organisation, Finanzierung, schließlich Transformation grundlegender ökonomischer Prinzipien) in Aussicht zu stellen?
Geschieht derlei irgendwo, um wenigstens den Ansatz zu liefern, dass man dann einfach so sagen kann: ‘Wenn urbane Strukturen veröden, wird schon etwas anderes an ihre Stelle treten …’