Allzweckoptimismus bei Wolfgang Schäuble
Es ist ein neues Beispiel für die fragwürdige zweckoptimistische Logik, mit der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immer wieder auf sich aufmerksam macht. In der „Bild“-Zeitung verheißt die Überschrift gestern: „Im BILD-Interview macht der Finanzminister den Deutschen zum Jahreswechsel Mut“.
Schäuble dann konkret:
„Die Lage ist besser als gedacht, weil unter anderem die Geschäfte mit den USA und Asien stärker anziehen. Die deutsche Wirtschaft wird daher auch 2013 ordentlich wachsen“, sagte Schäuble zu BILD.
Demgegenüber liest man, ebenfalls am 27.12.2012, auf „Spiegel Online“:
Die meisten Analysten sind sich einig, dass Demokraten und Republikaner sich noch Monate streiten müssten, bis die Folgen des automatischen Sparpakets mit voller Wucht auf die US-Wirtschaft durchschlagen. Träte allerdings dieser Worst Case ein, wären die Folgen tatsächlich verheerend.
[…] 2011 lag der Anteil der USA am kaufkraftbereinigten BIP der gesamten Welt bei rund 20 Prozent. Dementsprechend hätte ein Einbruch der US-Wirtschaft globale Folgen. Länder wie Deutschland wären gleich doppelt betroffen: Die Nachfrage nach ihren Gütern in den USA würden einbrechen; ebenso die Nachfrage in anderen exportorientierten Ländern, die durch die Schwäche Amerikas ebenfalls weniger Güter exportieren.
Schäubles Rhetorik scheint einer sehr oberflächlichen Art und Weise von Berichterstattung angepasst, die jedoch im Vergleich die meisten Leser und Wähler erreicht. Es handelt sich um eine Sprachverwendung, die nur in einem desinformierten Umfeld gedeihen kann. Sie ist wohl als Reaktion auf kontinuierliche Ausnahmezustände zu werten, in denen Worte – mehr oder zumindest anders als zu anderen Zeiten – zur psychologischen Waffe werden müssen. Heute sind es z. B. nicht mehr Personengruppen, gegen die von führenden Politikern gehetzt wird. Die Unwahrheit hat Tatsachenbehauptungen bzw. bestimmte Prognosen ergriffen, die gerade niemand im Einzelnen adressieren. Ihre Falsifizierung zu einem späteren Zeitpunkt (ob eine Woche oder ein halbes Jahr später) wird deshalb ebenfalls weniger einzelne Personen auf den Plan rufen.
In den meisten Fällen versickern solche Äußerungen als Partikel der Stimmungserzeugung in Millionen von Hirnen und entfalten in ihrer Kontinuierlichkeit euphorisierende Wirkung. Die enttäuschenden Realitäten bleiben so lange wie möglich außen vor. Schäuble scheint darauf zu vertrauen, dass größere Wählergruppen (und selbst noch wirtschaftlich und am Finanzmarkt Aktive) vereinzelte Stimmen wie seine eher hören und andere Nachrichten entweder nicht lesen oder verdrängen. Ansonsten macht eine solche Aussage in ihrer Undifferenziertheit wenig Sinn.
Aber auch die US-Parlamentarier haben kurz vor Ankunft an der Fiskalklippe die Ruhe weg. Der Demokrat Harry Reid beklagte in einem Bericht der „tagesschau“ (27.12.2012) den grotesken Umstand, dass seine Kollegen alle noch im Weihnachtsurlaub seien. Zu sehen sind menschenleere Flure. Verantwortlichkeit wird zur Luftbuchung.
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