Süße Träume im Hauptabenddschungel
Von 23.30 -0.15 h zeigt die ARD am 06.10.2010 Miki Mistratis Dokumentation „Schmutzige Schokolade“, die den immer noch florierenden Kinderhandel in westafrikanischen Staaten thematisiert. Was hierzulande nicht nur kindliche Gaumen erfreut, wird in seinem Rohstoff, der Kakaofrucht, z. T. von Minderjährigen geerntet, die Schlepper an Plantagenbesitzer verkaufen. Wer die Sendung nicht gesehen hat, kann dies hier im Netz in der ARD-Mediathek tun oder einen Greenpeace-Bericht lesen.
Laut Einschaltquoten erreichte der Film in der nächtlichen Ausstrahlung 880.000 Zuschauer. Man muss sich solche Zahlen im Verhältnis zu jenen vorstellen, die die Werbespots für Produkte von Konzernen wie etwa Nestlé erreichen – diese werden flächendeckend von früh bis spät überall dort gezeigt, wo geworben werden darf.
Und was im Blick auf hilflose Opfer, kleine Gauner, Nutznießer in der Industrie und beschwichtigende politisch Verantwortliche zu später Stunde dokumentarisch Gestalt gewinnt, erreicht in fiktionaler Form – und dabei allzu oft auf eher realitätsfremde, eingeschränkt oder verzerrt perspektivierte Inhalte fixiert – ebenfalls ein wesentlich größeres Publikum.
Am selben Abend ist dies in der ARD der TV-Film „Im Dschungel“ (R: Elmar Fischer), der allerdings, abgesehen von an der Handlung beteiligten „Investoren in Marokko“, nicht im fernen Afrika spielt, sondern in einer ausgedachten Stadt namens „Hildenburg“ (in der leider keine Zeppeline hergestellt werden) – so das ARD-Info:
Als das Großunternehmen, bei dem Frank Sperber arbeitet, in Schwierigkeiten gerät, engagiert er sich. Immer tiefer gerät er in eine ihm fremde Welt – in einen Dschungel aus Lügen und Intrigen, in dem es um Macht und viel Geld geht.
Frank Sperber arbeitet bei ZOR, einem weit verzweigten Unternehmen in seiner Heimatstadt Hildenburg, das am Aktienmarkt unter Druck geraten ist.
Während die Zuschauerpsyche also mehrheitlich irgendwo zwischen ZOR und Hildenburg dümpelt, wird als Parallelprogramm zu den anschließenden süßen Träumen im Nachtprogramm das verdrängte Unbewusste der Warenkultur zur Aufführung gebracht. Einstweilen bleibt nur noch die Hoffnung, dass es auch bei ausgeschaltetem Fernseher noch zur irgendeiner Art von Gedankenübertragung kommt. Sonst erreicht die Nachricht nicht die Empfänger.
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