Morbide Kapriolen 7 – „stern Crime“ – #Kriminalität #Tod
Journalismus sollte eigentlich Aktualität und Zeitgenossenschaft implizieren. Was soll man sich aber dabei denken, dass die Zeitschrift „stern“ als sog. line extension unlängst ein weiteres Periodikum auf den Markt warf, das in zweierlei Hinsicht aus der Zeit gefallen zu sein scheint: 1) Es behandelt Kriminalfälle, allerdings unabhängig vom Aktualitätswert, im Sinne einer historischen Anthologie (dies für sich genommen noch kein Verbrechen); 2) es widmet sich als journalistisches Medium ausschließlich dem titelgebenden Verbrechen.
„Meedia“ (16.10.2015) erklärt dazu:
Es geht ausschließlich um „wahre Verbrechen“ (so der Claim); Markenzeichen sind die wunderbar zurückgenommenen und zugleich schaurig-schönen Cover, ein dezentes Design im Heftinnern, das Brutalität ohne zu viel Blut zeigt und der lange Atem beim Erzählen der Fälle – stern Crime ist ein Magazin mit fast literarischem Anspruch, das auf jeglichen Knalleffekt verzichtet. Redaktionsleiter Giuseppe di Grazia und stern-Chefredakteur Christian Krug geben hier Autoren bewusst viel Raum, um ihr Thema zu entwickeln. […] Ungelöste Mordserien von vor 20 Jahren haben nichts von ihrer Brisanz eingebüßt, die meisten Verbrechen geschehen – unabhängig von der Nationalität von Täter und Opfer – nach den gleichen Mustern, die Generationen von Krimi-Fans in den Bann ziehen.
Den erwähnte zweiten Punkt kann man in dieser Kombination als „aus der Zeit gefallen“ empfinden, weil wir Zeiten entgegengehen, in denen sich die Kriminalitätsrate in Deutschland wohl deutlich erhöhen wird. Ein solches Thema wird zunächst weitgehend in den Bereich des sog. Rechtsradikalismus abgeschoben, dem es als Vorurteil ausgelegt wird, obwohl entsprechende Erfahrungswerte vorliegen.
Eine Ausnahme macht etwa die „Augsburger Allgemeine“ (11.10.2015) eine Ausnahme, indem sie bemerkt:
In der Alltagskriminalität gebe es vor allem bei bestimmten Jugendlichen Probleme: „Wir haben aber innerhalb der Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sehr, sehr auffällige Personen.“ Dies gelte vor allem für Jugendliche aus den Maghreb-Staaten – also aus den nordafrikanischen Staaten Marokko, Libyen, Algerien, Mauretanien und Tunesien: „Straßenkinder, die gelernt haben, von Tag zu Tag irgendwie sich durchzuschlagen und das auch mithilfe von Kriminalität, sie beschäftigen uns sehr, sehr stark.“ Hier stelle sich auch den Sozialbehörden die Frage: „Kann man diese Personen in einer Form einfangen und auf einen Weg bringen, dass sie weniger auffällig sind?“
Über Jahrzehnte hat man mit immer weiter steigende Zeitbudgets das menschliche Bewusstsein in der westlichen Welt mit Krimi-Serien bearbeitet, die in kuscheliger Atmosphäre das Grauen jedweder Art vorführen. Noch während das Gewaltniveau aus weniger zivilisierten Weltgegenden massiv in den hiesigen Schutzraum einbricht, delektiert sich das Publikum an Verbrechen als Unterhaltung – nun auch noch mit dem von den Machern selbst als Überraschungserfolg gewerteten regelmäßigen Extra-Heft eines Nachrichten-Magazins.
Man mag davon sprechen, dass die massenhaften Zuwanderer auch irrationale Ängste auslösen. Den bisherigen Angaben zu Ausländer-Kriminalität mögen aber kritische Geister längst nicht mehr trauen – zu auffällig sind statistische Verschleierungen von Herkunft und eine politische Agenda der Inländer-Feindlichkeit. Schon ein gesunder Menschenverstand muss erwarten, dass eine stark erhöhte Zahl von Migranten, die erwartungsgemäß eine hohe Arbeitslosenquote aufweisen werden, auch die Zahl von Straftaten bis hin zum Mord erhöhen wird. Um solche Aussichten hätte sich Journalismus nachhaltig zu kümmern – nicht um Verbrechens-Sensationen von anno dunnemals.
Update 03.06.2016: Nach einem Jahr vermeldet der Verlag Gruner + Jahr eine Auflage von 80.000 Exemplaren “stern Crime” (meedia.de).
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