Morbide Kapriolen 6 – Berlinale-Sieg mit Leichenfunden

Der diesjährige Gewinner des Wettbewerbs der „Berlinale“ ist ein chinesischer Film, „Black Coal, Thin Ice“ („Bai Ri Yan Huo“, R: Diao Yinan). Schon der Katalogtext bereitet auf die „schrecklichen Leichenfunde“ im „Norden Chinas“ vor, die den Zuschauer erwarten.

Von Rezensentenseite wundert man sich, wie etwa Paul Katzenberger in der „Süddeutschen“, schon einmal über solche Jury-Entscheidungen, beeilt sich aber, dieser einen politisch korrekten Sinn abzugewinnen:

Und als politischer Kommentar zur Situation im heutigen China kann sein Film ebenfalls verstanden werden.

Das sieht Michael Kienzl von „critic.de“ anders, …

Nur weil der Film sich eher schwer als Anklage gegen ein repressives Regime interpretieren lässt, heißt das nicht, er könne nicht trotzdem von China erzählen.

… doch, eben, „von China erzählen“ lässt sich so trotzdem.

Da wird wohl einmal mehr ein wenig der Splitter im fremden Auge gesucht („die Handlung öffnet Abgründe“). Diese kleine Textreihe „Morbide Kapriolen“ weist hingegen auf Tod und Totschlag als eine Kontinuität hin, die eine Selbstbespiegelung massenmedialer Öffentlichkeit und des Films ist. Was lebendig scheint, ist nur Schein und sollte als solcher erkannt werden – sonst droht der Selbstverlust im Jenseits.

Nichts anderes tut unsere Kultur insgesamt in ihrer maßlosen Umweltzerstörung und in ihrem Bevölkerungsrückgang. Dabei wird – wenn dafür noch Zeit bleibt – etwas anderes herauskommen als ein Kriminal-Plot, wie er vom Berlinale-Sieger zu kolportieren ist:

Zhang fängt auf eigene Faust an, zu ermitteln. Er entdeckt, dass alle Opfer in Beziehung zu einer jungen Frau standen, die in einer Reinigung arbeitet. Zhang muss erfahren, dass Schuld und Unschuld nicht immer zu trennen sind.

Es hat etwas Beruhigendes, immer und immer wieder ‚Schuldige‘ auf der gerechten Leinwand ihrer Strafe zugeführt zu sehen – am besten einhergehend mit der Feststellung, „dass Schuld und Unschuld nicht immer zu trennen sind.“ – „[D]ass alle Opfer in Beziehung zu“ etwas standen, stellt man in allen möglichen Zusammenhängen fest – nur gilt das der Mainstream-Presse dann als … Na, Sie wissen schon.

Also haben wir uns einmal wieder schön gegruselt, in China werden Menschenrechte verletzt und am Ende ist der Mord aufgeklärt. Hoffen wir jedenfalls mal.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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