Jörg Asmussen: Reich durch Urlaub?

Er hält sich in der zweiten Reihe der deutschen Vertreter in der internationalen Finanzpolitik: Jörg Asmussen (SPD) gehört in der Fachpresse zu den Vielgescholtenen, auf der Karriereleiter dennoch zu den kontinuierlich Beförderten. Nach seinem steilen Aufstieg unter den SPD- und CDU-Finanzministern Hans Eichel und Wolfgang Schäuble residiert er derzeit in der Führungsetage der Europäischen Zentralbank (EZB).

Im Themenheft „Finanzkrise“ werden die frappierenden Doubles von Asmussen im unmittelbaren thematischen Umfeld und in früheren Quellen aufgezeigt. Hier eine Ergänzung: die Ähnlichkeit zu Nick Leeson (links).

Jörg Asmussen - Nick Leeson - Porträts

Screenshots: Google / Wall Street Journal

Der Name Leesons ist nicht so bekannt wie der Grund seiner Berühmtheit: Er versenkte 1995 mit seinen riskanten Spekulationen die britische Barings Bank.

Es ist dies deshalb kein reiner Vergleich qua Ähnlichkeit. Für deutsche Bürger steht zur Debatte, inwiefern Jörg Asmussen ihren Wohlstand verzockt – ob kurz- oder langfristig. Ein Problem für demokratische Öffentlichkeit, Teilhabe und Mitbestimmung besteht jedenfalls darin, wenn erkennbare Leistungsbilanz und übertragene Verantwortung so deutlich auseinanderklaffen wie im Falle Asmussens. Rufen wir uns seine Biografie in einer Einzelheit in Erinnerung:

Während seiner Zeit als Abteilungsleiter saß Asmussen als Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB, die im Sommer 2007 infolge der Krise am US-amerikanischen Subprime-Markt in eine Schieflage geraten war und zu deren Rettung die staatseigene Förderbank KfW Milliarden zur Verfügung stellen musste. Asmussen setzte sich dabei massiv dafür ein, die Papiere zu kaufen, die später die Krise der IKB auslösten.

Die Spekulationen von Börsen-Terminhändler Nick Leeson verursachten der Barings Bank einen Verlust von 1,4 Mrd. Dollar. Dies war ein weltweit beachteter Skandal. Wenn staatliche Gelder vernichtet werden, hält sich die Aufmerksamkeit vergleichsweise in Grenzen. Vor allem werden Personen nicht für ihre Verantwortlichkeit in Haftung genommen. (So wird es derzeit in Asmussens Refugium auch beim Euro-Rettungsschirm ESM vorbereitet, der die nächste Raketenstufe der Geldvermehrung und -vernichtung zünden wird.) Auf staatlicher Seite türmten sich 2008 unter Asmussens Ägide bei der IKB-Rettung für den Bund und die dem Finanzministerium unterstehende KfW-Bank zu gleichen Teilen insgesamt 9,2 Mrd. Euro Rettungsgelder – 111,65 Euro für jeden Bundesbürger.

Das lässt bis dato vermuten, dass Asmussen in einer ganz eigenen Welt lebt, in der landläufige Gesetzmäßigkeiten nicht gelten. So wirkt auch ein aktueller Beitrag im „Wall Street Journal“ (WSJ). Die Mehrzahl der Beiträge auf der Homepage vom 13.06.2012 beklagt die Euro-Krise in all ihren Facetten vom möglichen Austritt Griechenlands nach der Wahl am nächsten Sonntag über die kostspielige anstehende Bankenrettung in Spanien bis zum Risikopotenzial Italiens für die Gemeinschaftswährung. „Die Gefahr aus Europa breitet sich weiter aus“ heißt es da, und „Wie sich Deutschlands Euro-Rechnung aufbläht“.

In letzterem Beitrag werden Zahlen genannt: Bei maximaler Ausnutzung der bisherigen Rettungsschirme EFSF und ESM drohen Deutschland Kosten von 401 Mrd. Euro. Die sog. „Target 2“-Verbindlichkeiten, die gegenüber der deutschen Bundesbank von Krisenstaaten ggf. nicht eingelöst werden, belaufen sich auf ca. 644 Mrd. Euro. (Dies sind als Verlustrisiko also insgesamt noch einmal die Hälfte jener Schulden von 2 Bio. Euro, die Deutschland seit ca. 40 Jahren angehäuft hat.)

Welche schlimmen oder schlimmsten Fälle eintreten, wird Asmussen in der EZB mitentscheiden. Im WSJ-Artikel vom 12.06.2012 bleibt er jedoch ganz locker: „Asmussen optimistisch für Wirtschaftsaussichten“. Hier scheinen ganz andere ökonomische Kriterien zu gelten. Asmussen wiederholt das in der Bundespolitik sehr geläufige Mantra der „wachstumsfördernden Maßnahmen bei gleichzeitiger Konsolidierung“. Experten versuchen so zu suggerieren, dass es ein Zaubermittel gebe, mit dem einerseits weiter geprasst werden könne, andererseits Schulden getilgt würden. Letzteres ist seit etwa 1970 nie geschehen und wird voraussichtlich in den nächsten Jahren, vielleicht Jahrzehnten, auch nicht geschehen, bis Deutschland ebenso bankrott geht wie andere Länder genau jetzt.

Asmussens Optimismus gründet darauf, das es immer noch schlimmer geht – er „verwies neben der im Vergleich zu den USA niedrigeren Verschuldung auch auf Vorteile der sozialen Sicherungssysteme und einer leistungsfähigen Industrie Europas.“

Auf solche Vergleiche und Faktoren ist an anderer Stelle ausführlicher einzugehen – bei näherem Hinsehen zerfallen Asmussens Argumente – aller öffentlich zugänglichen Information gemäß – zu Staub. Dass die Gewinner dieser Spiele dank politischer Akteure wie Asmussen in reichen Privathaushalten sitzen, während Kosten und Schulden von weniger Betuchten und Chancenlosen getragen werden, ist mittlerweile ein trauriger Allgemeinplatz. Er verliert dadurch leider nicht an Bitternis für (vor allem in verschuldeter Zukunft) Betroffene. Wir werden sehen, ob Asmussen dazu in ‚demokratischer Öffentlichkeit‘ in Konfrontation mit validem Zahlenmaterial je wird Stellung beziehen müssen. (Zur Medienpräsenz von Jörg Asmussen siehe auch diesen Beitrag in „Glotze fatal“.)

Sie sehen also, welche Gesichter-Politik hier betrieben wird: Deutschland stürzt in die Schuldenunion, und einer seiner höchsten Finanzpolitiker gleicht äußerlich dem Zocker, der die Barings-Bank in die Insolvenz trieb.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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