Dies- und jenseits des Regenwaldes
Der eine sabotierte Bulldozer, die unsere Lebensgrundlagen vernichten. Der andere stellt seine Schauspielkünste in den Dienst allzu leichter Musen. Die Lebensläufe von Daniel McGowan und Dirk Bach könnten kaum unterschiedlicher sein.
Screenshots: BBC/ITVS et al. / RTL, 13.01.2012
Dafür eint diese beiden Männer ein physiognomisches Schema. Besagt dies noch mehr als den biologischen Zufall?
Ich glaube, ja. McGowan kennt hierzulande wohl kaum jemand. Man findet so schnell keine deutschsprachige Quelle zu seiner Person. Die Wikipedia-Einträge zur Biografie und zur „Operation Backfire“ liegen nur auf Englisch vor. Im Archiv von „Spiegel Online“ herrscht zu beiden Suchbegriffen Schweigen. Das dürfte Programm bzw. Propaganda sein. McGowan war ein Ökoterrorist, dem man keinen Raum geben will. Man steht mit anderen im Bunde.
Im Rahmen der „Operation Backfire“ wurden McGowan und andere aus den Gruppierungen „Earth Liberation Front“ (ELF) and „Animal Liberation Front“ (ALF) vom FBI verhaftet. Die Anklage lautete u. a. auf Brandstiftung und Verschwörung. Näheres zu den Terrorakten immerhin auch hier auf Deutsch. Personenschaden entstand bisher nach diesen Quellen nicht. Anschlagsziele waren u. a. Ski-Resorts, für die Waldrodungen durchgeführt worden waren, und Autohäuser für Geländewagen. McGowan verbüßt seit 2007 eine siebenjährige Haftstrafe und wurde zur Zahlung von 1,9 Mio. $ verurteilt.
2011 wurde von PBS eine spielfilmlange Dokumentation zu McGowan und seinen Aktivitäten ausgestrahlt: „If a Tree Falls – A Story of the Earth Liberation Front“ (R: Marshall Curry / Sam Cullman), dem die obige Abbildung entnommen ist. International lief er bisher nur auf einigen Festivals. Spenden für McGowan kann man hier.
Nun noch einmal zur deutschen
Zwar konnte der Kölner Sender nicht ganz die Rekordquoten des Vorjahres erreichen, als durchschnittlich 7,62 Millionen Zuschauer die Ekelshow sahen. Es blieben aber immer noch über sechs Millionen Menschen abends spät wach. Insgesamt erzielte das Format einen Marktanteil von mehr als 30 Prozent, an einigen Abenden lag RTL sogar über 40 Prozent in der jungen Zielgruppe.
Einen Daniel hatte die RTL-Redaktion auch für Bachs Wald-Abenteuer gewinnen können: den Musiker Daniel Lopes, dessen Erfolge nach der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ 2002/03 überschaubar blieben. Auch beim „Dschungelcamp“ reichte es nur für die erste Runde.
Neben diesem ist es ein anderer ‚Zufall‘ des Lebens, dass ein sachbeschädigender Widerstand gegen Naturzerstörung zu langjährigen Gefängnisstrafen führt. Wer, wie Bach, um den halben Globus jettet, um über ein erklärt unwürdiges Reality-Drama tuntenzickige Sottisen zu verbreiten und zwischendurch zugegebenermaßen komisch zu gucken, hat seine Chancen auf ein Loft in der Kölner Südstadt hingegen deutlich erhöht.
Das Thema Regenwald interessiert also nicht nur die jüngere Zielgruppe von RTL in der Größenordnung von 6-7 Mio. Zuschauern. Aber gab es dazu nicht noch eine andere Betrachtungsweise? Fragt man „Google“, erscheinen zu „Regenwald Rodung“ mehrheitlich ältere Zeitungsmeldungen. Neben einzelnen Abmilderungen bleibt die Gesamttendenz kritisch, wie „regenwald.org“ weiß:
Die Regenwälder werden weiter rasant gerodet. Nach Angaben der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird JEDE SEKUNDE weltweit eine Waldfläche vernichtet, die der Größe eines halben Fussballfeldes entspricht.
Die Bäume werden demnächst wohl auch verstärkt für Dirk Bachs Langstreckenflüge gefällt, wenn das Erdöl knapp wird – man braucht Ölpalmen, die die Welt nicht braucht.
So bleibt es einstweilen dem Web 2.0 vorbehalten, das auszusprechen, was eigentlich permanent auf der Tagesordnung steht. Twitterer Cyberdroid vermerkt am 29.01.2012:
Bei Google Earth den brasilianischen Regenwald zu erkunden lässt mein Herz bluten.
Wir wünschen RTL und seinem Star also weiterhin bombigen Erfolg, solange es irgendwie geht. Haben Sie schon gewählt?
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