Regelmäßigkeiten der Zwickauer Gruppe

In diesen Tagen wiederholen die Nachrichtensendungen häufig die Dreier-Reihe von Fahndungsfotos der „Zwickauer Gruppe“, denen eine Mordserie an Migranten ab dem Jahr 2000 zur Last gelegt wird. So in der von Linda Zervakis moderierten „tagesschau“ (ARD) um 14.50 h am 04.12.2011:

Während sich die Frau im Trio, Beate Zschäpe, in Schweigen hüllt, sind die beiden abgebildeten Männer den offiziellen Angaben zufolge tot. Der Hergang ihres Ablebens ist noch nicht endgültig geklärt. Ein paar Tage tönte es aus allen Kanälen, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten sich umgebracht („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 18.11.2011). (Es wäre ein Lehrstück für die Journalistenausbildung: Im Zweifelsfall vielleicht erstmal abwarten, statt falsche Informationen zu verbreiten.)

Die Obduktion soll ergeben haben, dass Mundlos Böhnhardt mit einem aufgesetzten Schuss in den Kopf getötet habe und dann sich selbst („Rheinische Post“, 21.11.2011). Nur in Mundlos’ Lungen hätten sich Rußpartikel des Brands in jenem Wohnmobil gefunden, wo die Leichen gefunden worden seien.

Etwas seltener dringt an die breitere Öffentlichkeit das, was „Welt Online“ am 21.11.2011 berichtete:

Die offizielle Version war bisher diese: Mundlos und Böhnhardt hatten nach einem Überfall auf eine Sparkasse in Eisenach ihr Wohnmobil gegen 11.30 Uhr angezündet und sich erschossen. Zwei Polizeibeamte hätten sich zuvor dem Wohnmobil genähert und zwei Schüsse gehört. […] Weil viele Nachbarn keine Schüsse gehört haben wollen, gehen sie davon aus, dass Mundlos und Böhnhardt bereits tot waren, als ihr Wohmobil [sic] brannte. […] Gleichzeitig hält sich laut stern.de weiterhin das Gerücht, es könnte sich eine weitere Person am Tatort aufgehalten haben – auch wenn die Generalbundesanwaltschaft dies bisher bestritten hat. So sollen Anwohner eine dritte Person gesehen haben, die das Wohnmobil kurz vor dem Eintreffen der Polzei verlassen hat.
Einige wollen – einen Tag nach dem mutmaßlichen Selbstmord von Mundlos und Böhnhardt – sogar eine verwirrte Frau am Tatort beobachtet haben, die sie später als Beate Zschäpe identifizierten.

Darüber hinaus werden die Aktivitäten des deutschen Verfassungsschutzes thematisiert, der die als rechtsextrem angesehene politische Szene seit Jahrzehnten mit V-Leuten infiltriert. (Siehe dazu die zahlreichen Meldungen im Wiki zu „Kino Okkult“.) Dies sind erste Anhaltspunkte für die mögliche Manipulation von Rechtsterrorismus durch die Dienste. Man nennt solcherlei die „Strategie der Spannung“, auch wenn viele Mainstream-Medien die Rechercheleistungen und Forschungen zu diesem Thema noch wenig zur Kenntnis genommen zu haben scheinen – oder in ein Horn tuten, das ihnen ein anderer mit Bedacht geschnitzt hat.

Welche Anzeichen haben wir also noch, dass es sich bei den Aktivitäten der Zwickauer Gruppe nicht notwendigerweise um jene Räuberpistole von drei Desperados handelte, zu der die Medienberichterstattung Links- wie Rechtsterrorismus gerne stilisiert?

Als GesichterWissen liegt eine These auf der Hand: Die angeblichen beiden männlichen Täter weisen eine Schema-Parallele auf. In der Vereinfachung durch das Schwarzweiß-Foto weicht nur die Stellung der Augenbrauen deutlich voneinander ab. Sonst ähneln sich ihre Features deutlich. Uwe und Uwe.

Was können wir daraus folgern? Ein Standardargument lautet: Einander ähnliche Menschen ziehen sich an, ob in der Partnerwahl oder in weiteren sozialen Prozessen. So lautet Interpretation 1: Böhnhardt und Mundlos fanden sich (auch), weil sie einander durch ihr Äußeres sympathisch waren. Interpretation 2 kann lauten: Einer von beiden benutzte seine Ähnlichkeit zum anderen, um ihn in die fatale Spirale von Untergrundleben und terroristischer Gewalt zu ziehen. Dies würde implizieren, dass es sich bei einem um einen Agent provocateur handelte. Über ihre Biografien wissen wir, dass Mundlos der Sohn eines Informatik-Professors mit wechselhafter Schulkarriere war, Böhnhardt zeitweise ein Hilfsarbeiter auf Baustellen. Das Magazin „Cicero“ nennt Mundlos den „stillen Ideologen“, die „Bild“ tauft ihn zum „skrupellosen Vordenker“. Laut „Cicero“ soll es einen rechtsorientierten Großvater gegeben haben. Weiter heißt es in dem ausführlichen Porträt, zunächst zu ersten Versuchen mit selbstgebastelten Bomben:

Im Januar 1998 kommt die Jenaer Polizei der Granatenwerkstatt in einer Garage im Stadtteil Burgau auf die Spur. Die drei werden jedoch nicht verhaftet. […] Ein Spezialeinsatzkommando des Thüringer Landeskriminalamts hat 1998 noch die konkrete Chance, die Gruppe, die sich nun „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nennt, aufzugreifen. Doch die Aktion wird aus noch unbekannten Gründen kurzfristig abgeblasen.

Wir werden dazu Näheres erfahren – wenn man der allseitig geäußerten Forderung nach „rückhaltloser Aufklärung“ trauen mag. Zunächst ist, wie auch bei anderen angedeuteten Ungereimtheiten über die Involvierung [sic] des Verfassungsschutzes, Misstrauen geboten. In solchen Fällen wiederholen sich immer wieder die Abläufe von schier unglaublichen „Pannen“ und das Sündenbock-Prinzip des Bauernopfers in der einen oder anderen Behörde. Interessant wäre auch zu wissen, unter welchen Bedingungen etwa die Obduktion von Mundlos durchgeführt wurde. Gab es hierbei noch weitere Kontrollinstanzen? – Ob die Forderung nach einer „Federführung“ für den Verfassungsschutz auf Bundesebene die einzige Konsequenz aus den Ereignissen sein muss, wie von Innenminister Hans-Peter Friedrich gefordert, sei zunächst dahingestellt. Liest man etwa im Blog „Machtelite“ die Zusammenstellung z. T. widersprüchlicher Informationen über den Hergang des Todes von Böhnhardt und Mundlos sowie die offenen Fragen, die hieraus resultieren, ist die Notwendigkeit des Beobachtens der Beobachter der Beobachter mehr als evident – wenn wir „Öffentlichkeit“ oder „Demokratie“ nicht in jener missbräuchlichen Weise verwenden, die mittlerweile des öfteren an der Tagesordnung ist.

Schließlich begegnen wir noch einer weiteren Merkwürdigkeit betreffs der Zwickauer Gruppe. Die angeblich als einzige überlebende Beate Zschäpe lässt sich innerhalb des Trios nur physiognomisch anreihen, wenn man ihr Gesicht in die Länge zieht:

Auch hierin liegt in dieser Weise eine Schema-Ähnlichkeit, die jedoch latenter ist als die der beiden Männer unter sich.

Dafür wurde in den Wochen nach dem Finale der Zwickauer Gruppe eine Nachricht verbreitet, in der ein japanischer TV-Moderator plötzlich der Weltöffentlichkeit bekannt wurde: Norikazu Otsuka erkrankte an akuter Leukämie, nachdem er in einer Fernsehsendung Gemüse aus der Region von Fukushima verspeist hatte, um dessen Unbedenklichkeit zu demonstrieren. (Die Zwickauer Gruppe wurde am 04.11.2011 enttarnt. Otsuka begab sich am 07.11.2011 in ärztliche Behandlung wegen angeschwollener Lymphknoten.)

Screenshots: ARD / sanspo.com

Otsuka komplettierte damit also das Set von Doppelgängern in medialer Öffentlichkeit. Eine deutsche innenpolitische Katastrophe verbindet sich hier mit einer technischen in Japan. Kam Otsuka wohl selbst auf die Idee der Speisung – von der wir weder wissen, ob sie radioaktiv verseucht war, noch, ob sie in diesem Fall die Erkrankung ausgelöst hat? Neuere Meldungen von Otsukas Gesundheitszustand sind derzeit nicht zu finden.

Bei aller „medialen Präsenz“ und der wachsenden Zahl von Formen der Berichterstattung erhöht sich einmal wieder nicht unbedingt der Grad der Gewissheit. Die Zahl der möglichen Deutungen steigt an. In beiden Fällen haben wir es jedenfalls spätestens in der medialen ‚Auswertung‘ der Ereignisse und Schicksale mit symbolischer Politik zu tun. Die Frage bleibt auch, ob eine solche im Verlauf der Ereignisse schon früher einsetzte.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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