Organisierte mediale #Manipulation von #Sprache am Beispiel #Verschwörungstheorie

Die Beispiele sind seit Monaten zahlreich – und es sollte denn einmal kurz kommentiert werden. Irgendjemand hat Mainstream-Medien einen neuen Sprachgebrauch vorgegeben. Das scheint mir ersichtlich. Wer würde sonst selbst auf einen solchen Blödsinn kommen – und es im Rudel nachäffen, wie es jetzt geschieht?

Ich füge als Beispiel hier nur die Ankündigung eines Trailers ein, den die Bild-Zeitung unlängst zu Corona-Protesten brachte:

https://www.bild.de/video/clip/news-inland/trailer-zur-bild-doku-die-gefaehrliche-macht-der-corona-verschwoerer-70732094.bild.html

Von “Verschwörern” ist die Rede. Doch was sind Verschwörer? Der Form halber erst die Lexikon-Definition:

Eine Verschwörung ist eine geheime Zusammenarbeit mehrerer Personen zum Nachteil Dritter.

https://de.wikipedia.org/wiki/Verschw%C3%B6rung

Wovon will das journalistische Medium Bild-Zeitung seinen Lesern und Zuschauern berichten? Es geht offensichtlich in erster Linie um öffentliche Proteste von Gegnern der Corona-Maßnahmen. Auch der Trailer zeigt nichts anderes, und der martialische Gewehrschütze im Vorschaubild ist, wie man dort sieht, Attila Hildmann als Agitator der Corona-Proteste, eine öffentliche Person.

Selbst, wenn es im Corona-Protest-Milieu Umtriebe im Verborgenen gibt (was wir prinzipiell wissen), wäre auch hier der Begriff unpassend. Es werden in diesem Protest-Milieu in erster Linie Verschwörungstheorien diskutiert. Öffentlich dagegen Protestierende vermuten Verschwörungen hinter den staatlichen Maßnahmen und ihrer Verankerung in einer sehr viel länger vorbereiteten internationalen Agenda (siehe etwa das “Event 201” – selbst der Deutschlandfunk berichtet es, fragt aber nicht weiter, wie es seine Aufgabe wäre).

Aber wer gegen Corona-Maßnahmen protestiert, auch, weil er darin Resultate von Verschwörungen vermutet, ist kein “Verschwörer”. Er ist bestenfalls ein “Anhänger von Verschwörungstheorien” oder damit mehr oder minder ein “Verschwörungstheoretiker”.

Das verdrehte Wording findet man derzeit immer öfter in weit verbreiteten Medien-Erzeugnissen. Der Spiegel etwa vermischt in einem Bericht über Xavier Naidoo (derjenige, der vor Attila Hildmann in zweifelhaften “Leitmedien” zum Thema Verschwörungstheorie vorgeführt wurde, um fast alles andere zu verschweigen) gleich beide Begriffe:

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/xavier-naidoo-pop-saenger-richtet-sich-an-verschwoerer-klientel-a-995909.html

Die Brotkrumen-Navigation – hier oben nur klein zu lesen – landet bei Google als Überschrift in den Suchergebnissen:

Ein vergleichbares Beispiel finde ich gerade noch zu einem bedeutenden Einzelthema dieses Feldes:

So gebe es Menschen, die in ihrem dualistischen Glauben davon ausgehen, dass sowohl Gott wie auch Satan ihre Anhänger auf der Erde haben. Beide Gruppen würden gegeneinander im Kampf stehen.

Oberarzt nach Aussagen in SRF-Doku freigestellt

Der Sozialwissenschaftler Marko Kovic erklärt weiter, dass Verschwörungstheorien unter allen sozialen Schichten und Altersklassen vertreten seien. Das zeigt auch die Sendung: Unter anderem Lehrer, Polizisten, Therapeuten und Mediziner glauben und verbreiten die satanistische Verschwörungstheorie.

https://www.nau.ch/news/schweiz/satanisten-doku-von-srf-hat-konsequenzen-fur-oberarzt-66069069

Hier wird nun eine “Verschwörungstheorie” als “satanistisch” bezeichnet, obwohl sie Satanismus behandelt. Die sprachliche Verfälschung ist strukturell dieselbe. Sie ist im juristischen Terminus eine Art Schuldumkehrung: Soll eigentlich die Verschwörung von Satanisten beschrieben werden, ist in der Darstellung dieses Beitrags über die falsche sprachliche Form der Berichterstatter zum Gegenstand seines Berichtes, die zumindest intendierte Aufklärung zur Verschleierung geworden. Ein Redakteur, der dieser Bezeichnung entspräche, hätte hier einfach “satanistisch” zu “satanismuskritisch” korrigiert.

Im Zusammenhang mit Satanismus, der als Grundprinzip eng mit dem sozialen Phänomen der Verschwörung verbunden ist, lässt sich noch erwähnen, dass wir es in dieser Sprachtendenz selbst mit einem prinzipiell satanistisch getönten Verfahren zu tun haben. Als Beispiel kann man eine zur Wahl gestellte Aussage in einem Fragebogen nennen, den Dagmar Fügmann in ihrer Dissertation “Zeitgenössischer Satanismus in Deutschland” (2008) dokumentiert. Dort wird als eine Option der Satanismus-Definition formuliert:

Satan als Gottheit betrachten. Dies wäre in meinen Augen pervertiertes Christentum.

https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/2313/file/Dagmar_Fuegmann_Zeitgenoessischer_Satanismus.pdf

Symbolisch gefasst als auf den Kopf gestelltes christliches Kreuz oder als Pentagramm mit einer Spitze nach unten und zwei nach oben gerichtet, ist die Umkehrung ein genuin als “satanisch” aufgefasstes Prinzip, dem man als “Satanist” anhängt.

Als kurzer Exkurs ein hier angebrachter Verweis: Im Kontext von “Satanismus” herrscht die Sprachverwirrung schon länger und hat nach meiner Vermutung eher mit der ein wenig komplizierten Morphematik der “Ismen” zu tun als mit absichtlicher Verhunzung: Eigenschaften der kulturell tradierten Teufels-Figuren sind “teuflisch/satanisch”. Daraus wird in sprachlichen Äußerungen bis in die mediale Öffentlichkeit hinein des öfteren “satanistisch”. Das satanistische Prinzip ist aber im exakten Sprachgebrauch nun einmal dasjenige, das sich an einer angenommenen satanischen Instanz affirmativ orientiert. Aufklärung und notwendige Verschwörungstheorien, die sich auf Satanisten als Anhänger Satans beziehen, haben mit Prädikaten wie “satanisch” oder “satanistisch” rein gar nichts zu tun.

Wir haben dementsprechend gesehen, dass eine Plattform wie Nau.ch in ihrer Beobachtung von angeblich “satanistischer Verschwörungstheorie” einen weiteren irrwitzigen Twist vollzieht, indem sie die dezidiert kritische Beobachtung von Satanismus als “satanistisch” rubriziert und damit vielmehr selbst in einen satanistischen Modus verfällt. Mehr Selbstverleugnung und -verkennung lässt sich als publizistischer Gestus wohl kaum denken – wie auch in Varianten in den anderen Fällen.

Ein weiterer sprachlich-definitorischer Grenzfall ergibt sich im Wortfeld der Verschwörung: Die Wissenschaft von der Verschwörung ist korrekt ja die “Konspiratologie”. Ein “Konspirationismus” wäre nach meiner Auffasung eigentlich nur das, was sich selbst dem Prinzip der Konspiration anschlösse, soweit wir der Lexikon-Definition der “Ismen” folgen:

Die beiden aus dem Griechischen stammenden Endungen -ismus (aus der Endung der Verben auf -izein gebildet: „auf eine bestimmte Art handeln, vorgehen“, latinisiert zu ursprünglich -ισμός -ismós, substantivisch) und -istik (von -ιστική -istikḗ, adjektivisch) werden oft gleichwertig gebraucht.

https://de.wikipedia.org/wiki/-ismus#-ismus_und_-istik_als_Suffix

Ein “Konspirationist” handelt demnach “auf eine bestimmte Art”, die durch das Hauptwort vor dem “-ismus” bezeichnet ist – er ist ein Befürworter von Verschwörung, mithin ein “Verschwörer”. Die Beobachtung von Konspirationen wäre stets eindeutig nur die “Konspiratologie”. Selten findet man auch noch die Variante der “Konspirologie”.

Gleichwohl hat sich in diesem besonderen Fall der “Konspirationismus” auch als Bezeichnung für “Konspiratologie” teilweise eingebürgert. Im Wikipedia-Abschnitt wird allerdings Daniel Pipes als Quelle angegeben, dessen Grundlagenwerk “Verschwörung. Faszination und Macht des Geheimen” (1997) ich für diskussionswürdig halte (aber in hiesigen “Wissenschaften” wird oft leider nicht mehr diskutiert):

Letztere könne sich bis zu einer Lebensanschauung auswachsen; dann sei von „Verschwörungsdenken, Paranoia-Haltung, Mentalität der heimlichen Hand“ oder „Konspirationismus“ zu sprechen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Verschw%C3%B6rungstheorie#Definitionen

Was tun nun also unsere “Leitmedien” aktuell? Sie betreiben, wie gerade gezeigt, eine satanistische Sprachverwendung des Begriffes “Verschwörungstheorie”, indem sie diese fälschlich zur “Verschwörung” umetikettieren.

Der Funktionsbereich des Journalismus wird damit von Bild, Spiegel und vielen anderen eindeutig verlassen:

Auf der organisatorischen Ebene produzieren Medienbetriebe und -angebote kontinuierlich journalistische Kommunikation mit Aktualität, Faktizität und Relevanz.

https://de.wikipedia.org/wiki/Journalismus#Begriffsdefinition

“Faktizität” ist hier in der Sprachverwendung, die Überschriften beherrscht, verlorengegangen. Daran lässt sich aus meiner Sicht nichts mehr retten. Er ist historisch dokumentiert und als ein Sündenfall dieser Medien zu betrachten. Was zunächst bleibt, ist nur eine Aufarbeitung wie die gerade stattfindende. Was dies für die Zukunft von Beteiligten bedeutet, wird man sehen. Einstweilen haben sie noch eine Leser- und Kundschaft, die sie für “Journalisten” hält – und damit offensichtlich ebenso selbst schon zu den Irregeführten zählt. Was sie als “Presse” annehmen, ist in dieser Hinsicht eindeutig satanistisch geprägte Prosa.

Wenn es eine publizistische Wissenschaft noch gäbe, hätte sie mit empirischen Methoden zu erforschen, wo dieser Sprachgebrauch einsetzte. In meiner nun mehr als ein Jahrzehnt währenden Medienbeobachtung zum Thema ist dies ein recht neues Phänomen, das erst während der “Corona”-Epidemie massenmedial um sich griff.

Man muss sich dabei fragen, was in Beteiligten vor sich geht. Selbst, wenn es nun keinerlei verschwörerische Absprachen dazu gäbe, müsste es dann so vonstatten gegangen sein, dass ggf. nur ein journalistisches Medium angefangen hätte, statt “Verschwörungstheorie” nun “Verschwörung” zu schreiben usw. Dann hätten andere diese Sprachverwendung übernommen – entweder in Gedankenlosigkeit oder im vollen Bewusstsein der Verfälschung. Was sonst notwendigerweise eine Verschwörung wäre (weil wir nicht öffentlich erkennen können, aus welchem Anlass eine größere Zahl von Journalisten diese Sprachverfälschung betreibt), wäre dann eine im Journalismus sittenwidrige Bösartigkeit oder bestenfalls eine handwerkliche Schlamperei.

Dies können wir am Wording “Verschwörungstheorie > Verschwörung” eindeutig festhalten.

Journalisten – wie auch Politiker – sehen sich derzeit zunehmenden Angriffen bis hin zu Tätlichkeiten ausgesetzt. Dazu gibt es tatsächlich auch korrekterweise “verschwörerisch” genannte Untergrund-Aktivitäten. Diese allerdings sind selbst bereits Reaktionen auf eine lange Vorgeschichte nicht zuletzt durch andere Themenbereiche dieses Gebietes hindurch. Wo sie noch als angemessen angesehen werden könnten, kann ich hier nicht diskutieren – und will derlei auch nicht rechtfertigen. Dass man nicht verstehen könnte, wie sich die Machtlosigkeit der massenhaften Medien-Konsumenten beim Eindruck, schlecht oder bewusst fehlerhaft “informiert” zu werden, irgendwann in Aggression und Gewalt umkehren kann, ist allerdings eine Binsenweisheit der Sozialpsychologie.

Es wäre ein nobler Gegenstand von Verschwörungstheorie im richtigen und guten Sinne, auch danach noch einmal zu fragen: Wer an solcher gesellschaftlicher Spaltung, Ablenkung auf Nebenschauplätze und Popanze statt sachlicher Debatten und konstruktiver Arbeit ein Interesse hätte und wie er es bewerkstelligen könnte, angebliche Journalisten der Industriegesellschaften dazu anzuleiten, sich damit an eindeutigen Verschwörungen mit satanistisch geprägten Mitteln zu beteiligen.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

Eine Antwort

  1. Hans sagt:

    Was wird schon in den “Journalisten” vor sich gehen? Kaum ein Beruf wurde so radikal rasiert in den letzten 15 Jahren wie der des Journalisten. Sind die SPIEGEL Reporter in den 80ern und Anfang der 90er noch mit der Concorde nach New York gejettet, so schreiben heute Volontäre, Freelancer für Zeilenhonorar, Praktikanten, ein Lumpenproletariat. Wer noch einen der wenigen festen Jobs ergattert, handelt nach dem Motto: “Wes Brot ich eß, des Lied ich sing”. Das sind bezahlte Schreiberlinge und Propagandisten, nicht mehr. Investigative Journalisten gibt es nur noch im Netz.

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