Ein Trigger für zu Guttenberg?
Eigentlich sollte man diese Personalie totschweigen, da das fortgesetzte Gerede über sie mehr Aufmerksamkeit schafft, als sie aus sich selbst heraus ergäbe. Doch der Comeback-Versuch Karl-Theodor zu Guttenbergs auf mehreren Bühnen ist hier zu erwähnen, da bei ihm bedeutsame Einzelheiten zu beobachten waren.
In der Öffentlichkeit präsentierte sich der Ex-Verteidigungsminister am 19.11.2011 auf dem „Halifax International Security Forum“ in Kanada als Diskussionsteilnehmer. Die „Bild“-Zeitung bemerkt dabei eine „Typveränderung“, und die Fotostrecke von „Welt Online“ sieht „Guttenberg mit neuem Look in Kanada“.
Diese Beschreibungen, wie sie sonst eher zu TV-Schauspielerinnen nach der Ehescheidung abgegeben werden, führen im medialen Kontext jedoch zu einer Parallele, die nicht zufällig sein muss: Die geänderte Frisur zu Guttenbergs nähert ihn äußerlich nun noch mehr einem vergleichbar prominenten Mitspieler, dem Musikproduzenten Dieter Bohlen, an:
Screenshots: Halifax International Forum / RTL, 27.02.2010
Ähnlichkeit wirkt auch unbewusst, und es könnte zu Guttenberg durchaus vonnutzen sein, auf diese Weise im Gedächtnis eines Millionenpublikums noch mehr in die Nähe des sog. „Pop-Titanen“ Bohlen zu rücken. Mit Bohlen verbindet sich mittlerweile bei vielen Menschen das wohlige Gefühl des Samstagabends, in seinem Fall gepaart mit der Aura des Super-Erfolgreichen, der über Wohl und Wehe anderer bestimmen darf.
So spielt Bohlen seit Jahren eine Königsfigur im Privatfernsehen. Und zum formaljuristisch „demokratisch“ gewählten Staatsoberhaupt hätte manch einer in der CDU/CSU zu Guttenberg durchaus machen wollen, wenn er nicht über seine plagiierte Doktorarbeit gestolpert wäre. (Siehe auch diesen Blog-Eintrag und noch einen zur Guttenberg-Darstellung in der ARD.)
Schon damals konnte man Vermutungen anstellen, dass ein solches Vorgehen bei der überhasteten Generierung einer Dissertation nicht den Realitäten entsprach. Die logischen Schlüsse hießen: Entweder, zu Guttenberg hatte sich die Arbeit aus Bequemlichkeit und Titelgeilheit schreiben lassen, oder er war so dumm gewesen, zu glauben, dass er es richtig gemacht hatte. Die bisher dazu öffentlich gewordenen Erklärungen und auch viele Kommentare führten diese logischen Schlüsse nur selten zum Ende: kriminell oder dumm. Solch eine Schlussfolgerung hätte einen Journalisten wie Giovanni di Lorenzo dazu veranlassen können, nicht schon wenige Monate später an der PR-Kampagne des Christsozialen erneut aktiv teilzunehmen.
Dass dies nicht geschah, sollte zu denken geben. Wer es für weniger wahrscheinlich hält, dass zu Guttenberg entweder durch bewusst regelwidriges Verhalten – evtl. unter Mitwisserschaft von Ghostwritern – sich der Gefahr einer späteren Entlarvung aussetzte oder dass er über die Textform wissenschaftlicher Arbeiten weniger wusste als ein Erstsemester, dem bleibt etwa noch diese Alternative: Das Ganze war eine Inszenierung. Dafür spricht, dass persönliche Schwächen mittlerweile zu den Erfolgsrezepten von Politikern auf Wählerfang gehören. Beispiele sind die bespöttelten mangelnden Englisch-Kenntnisse von Helmut Kohl oder die Biografie von George W. Bush, die gescheiterte Firmen, Alkoholprobleme und fortgesetzte Aussetzer bei öffentlichen Äußerungen einschließt. Die Politik- und PR-Berater von Politikern werden dafür intern sicher einen Begriff haben. Öffentlich wird eine solche Einsicht in die Sympathiegewinnung jedoch ausnahmsweise mal nicht kommuniziert (siehe etwa die erfolglose Google-Recherche nach „Sympathie für die Schwächen“, die – was wiederum interessant ist – nicht zu Polit-Berichterstattung, sondern zu Spielfilmen führt).
Die Parallelen der Bilder von zu Guttenberg und Bohlen schließen gar noch das Mikrofon ein, das dem Ex-Minister wie – auch dies ein mittlerweile charakteristisches Auftreten, das als Trigger wirken kann – dem Show-Moderator an der Backe klebt.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Rehabilitierungsversuche für zu Guttenberg – ob Teil eines Plans von vornherein oder nicht – schließlich Erfolg haben. Auf dem neuerlichen Weg in hohe politische Ämter wird es seiner Person vonnützen sein, dass sein Äußeres durch unproblematische Unterhaltungssegmente bei Millionen Zuschauern assoziativ vorgeprägt ist. Nun scheint er an solchen für ihn förderlichen Medieneffekten noch in weiteren Feinheiten zu arbeiten.
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