Monokultur destructor – nochmal zu Bienen

Zeitgemäß setzt man bei Sat.1 am 06.04.2011 ein Zeichen zur Fauna: mit der Wiederholung des 2008er TV-Films „Die Bienen – Tödliche Bedrohung“ (R: Michael Karen). Der Streifen hat es sogar zu einer partiellen internationalen DVD-Auswertung gebracht und heißt dann „Killer Swarm“:

DVD-Cover, Maverick Entertainment Group

Wir kümmerten uns hier schon einmal um Interferenzen des Schicksals von Bienen mit der Unterhaltungsproduktion. Das Thema bleibt leider aktuell, und erst Ende März 2011 berichteten alle größeren Zeitungen von neuen Erkenntnissen, denen zufolge, so etwa „Der Spiegel“ am 25.03.2011, „Hauptschuldige für Bienensterben […] gefunden“ seien: „die parasitische Milbe Varroa destructor“.

In Hauptnachrichten des Fernsehens schafft es derlei dann nicht mehr. Die zeitlimitierten Monokulturen des Mainstreams hemmen immer wieder den Fluss ganz bestimmter Informationen. Erhebliches Trara wird aber dennoch gemacht, wenn ein natürlicher Feind der Bienen als „Hauptschuldiger“ ausgemacht scheint. Weniger sensationell kommt herüber, was schon die „Wikipedia“ unter dem Fachbegriff „Colony Collapse Disorder“ (CCD) verlinkt. Der „Informationsdienst Wissenschaft“ meldet am 16.05.2008 Ergebnisse aus dem Julius-Kühn-Institut (JKI) zur „Ursache für aktuelle Bienenschäden in Baden-Württemberg“, es könne „eindeutig geschlossen werden, dass eine Vergiftung der Bienen durch Abrieb des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Clothianidin von Maissaatgut vorliegt.“ Der Pharma-Konzern Bayer kartet am 23.06.2008 nach und macht fehlerhafte Anwendung seines Pestizids für die Schäden verantwortlich: „Von einigen fehlerhaft behandelten Mais-Saatgutpartien war während der Aussaat Abriebstaub in die Umwelt verweht.“ Und, natürlich, dem schützenswerten Saatgut drohen natürliche Feinde: „Quarantäneschädling Maiswurzelbohrer: Bekämpfung ist unverzichtbar“.

Die Aufmerksamkeitsökonomie kann man noch einmal an Zahlen von „Google“-Suchergebnissen veranschaulichen: 172.000 für „bienensterben milbe varroa“, 22.500 für „pestizide bienensterben“, 6.020 für „clothianidin bienensterben“. Zeitungen und TV-Sender berichten mehr über Milbenterror, Umweltschutz- oder Imkerverbände über Ursachen im synthetischen Pflanzenschutz.

Im zuerst zitierten „Spiegel“-Artikel über die schröckliche Milbe versteckt sich die Tücke komplexer natürlicher und chemietechnischer Systeme im vorletzten Satz: „Zu bedenken sei, dass in einigen Jahren auch zusätzliche Faktoren zu den Völkerverlusten beitragen können.“

Das ist an anderer Stelle nachhaltig in der Diskussion. Die ARD hält in ihrem YouTube-Channel einen Bericht vom 29.11.2010 aus „W wie Wissen“ vor. „Vermutlich ist es eine Kombination von Faktoren“, lautet der Off-Kommentar zu den Ursachen wie der Verschiebung von Jahreszeiten durch Klimaveränderungen, auch wenn sich zu diesem Zeitpunkt schon die Milbe Varroa im Visier der Forscher befindet. Und die immense Gefahr, die von CCD ausgeht, malt der Bericht ebenfalls aus: „In Deutschland sind 80 % der Nutzpflanzen auf Bienenbestäubung angewiesen.“ Bei weiterreichendem Ausfall von Bienen droht den heutigen Zuschauern solcher Dokumentationen schlicht lebensgefährlicher Hunger.

Das Sat.1-Movie „Die Bienen“ hat mit seinem Untertitel „Tödliche Bedrohung“ also etwas richtig erkannt, aber irgendwie doch falsch zugeordnet. Hier dauert es 40 Sendeminuten mit leicht bekleideten Badegästen und dräuenden Insektenschwärmen, bis die Autoren Nicole Bujard, Ulli Bujard, Frank Raki und Annette Simon einen sehr kurzen Info-Block schalten und die Figur des Taxifahrers Ben Herzog (Stephan Luca) „CCD“ erklären lassen: „Vorigen Winter sind in den USA 80 % der Bienenvölker einfach vom Erdboden verschwunden. Dort ging der Schaden in die Milliarden. […] Bienen bestäuben Blüten. Sie sind für ein Drittel der gesamte Welt-Nahrungsmittelproduktion verantwortlich. Wir reden von Hungersnot, vom … Aussterben der Menschheit.“ Der pittoreske Imker sorgt dann aber mit seinem „Orangenpollenhonig“ zum Probieren wieder für Abwechslung, bevor Karla Bergmann (Janin Reinhardt) nochmal fragt: „Und warum sterben die Bienen?“ – Ben antwortet fachkundig, aber etwas vage: „Umweltverschmutzung, genmanipulierte Pflanzen – das konnte bisher keiner genau sagen.“

Als einminütiger Ansatz für das Einschmuggeln ökologisch relevanter Informationen in einen Spannungsfilm ist der Dialog nicht zu kritisieren. Leise untermalt von sphärischen Streichern erhält dieser Exkurs jedoch beinahe dieselbe Unwirklichkeit wie die restliche Plotte. Und im direkten Anschluss an Realitätspartikel weiß der Film-Imker noch besser Bescheid über eine ganz und gar nicht realistische Ursache jenes Bienensterbens, das er in dieser Szene beklagt. Der natürliche Feind der Biene ist in „Die Bienen – Tödliche Bedrohung“ … eine chemisch manipulierte Biene: „Das mag alles stimmen. Aber für meine Bienen … ist die hier verantwortlich:“

Screenshot: Sat.1, 06.04.2011

Zum Stichwort „Hummeldumm“ fällt dem Pop 2010 auch nicht so sehr die Selbstzerstörung der menschlichen Spezies ein, sondern, in Person des ehemaligen „Harald Schmidt Show“-Redakteurs und Creative Producers von „Ladykracher“ (also zweier Sat.1-Sendungen), Tommy Jaud, Folgendes:

Wer an allem schuld ist, ist für Matze sowieso klar: seine Freundin Sina. Während er in endlosen Verhandlungen die neue Eigentumswohnung klargemacht hat, sollte sie einfach nur »irgendwas« buchen. Hat sie auch. Doch musste dieses »irgendwas« ausgerechnet eine zweiwöchige Gruppenreise durch Namibia sein, ein Land, in dem jede hüftkranke Schildkröte schneller ist als das Internet?

Hier sind wir wieder beim nicht nur televisuellen Einerlei von Beziehungskiste, Wohnen, Urlaub und medialer Selbstreferenz – Content-Produktion aus dem Katalog dessen, was sowieso ‚gut läuft‘, zu bestaunen auch schon in Jauds Romanen wie „Resturlaub“ (2006) oder unter dem schonungslosen Buchtitel „Millionär“ (2007).

Ein Ablenkungsmanöver auf den Planet Neckermann hier, eine hauptveranwortliche Milbe dort, dann noch der „Killer Swarm“, der Biene wie Mensch den Garaus zu machen droht, weil ein Chemiker durchdreht, auf Sat.1 schließlich aber zum Glück verhaftet wird.

In der vorletzten Szene werden in Michael Karens „Die Bienen“ dann noch einmal Autostau (mit seliger Knutscherei der Hauptfiguren) und Mobiltelefonie zu Reggae-Klängen komödiantisch abgefeiert, wenn Karla ihr Handy aus dem Seitenfenster wegwirft und Ben in die Arme schließt:

Screenshots: Sat.1, 06.04.2011

Hier haben die Filmfiguren aus der Angst vorm „Aussterben der Menschheit“ dazugelernt. Und wer zusieht (diesmal 2,29 Mio.), hat längst verinnerlicht, dass etwa in Deutschland durch Autostaus „714 000 Tonnen CO2“ entstehen („Focus“, 29.11.2007) oder war bestimmt auf der „1. Marburger Handyschrottwoche 2010“ zu Besuch:

Beim Abbau von Rohstoffen, die zur Herstellung eines Handys notwendig sind, entstehen große Umweltschäden, da Rohstoffe wie Coltan, Kobalt und Kupfer vor allem in Entwicklungsländern vorkommen. Diese Entwicklungsländer verfügen oft weder über Umweltstandards noch eine stabile Marktwirtschaft.

Wenn eine der zahlreichen Zeitbomben dann neben einem selbst explodiert, merkt man es ja. Und vorher? Ach ja, genau – „das konnte bisher keiner genau sagen.“

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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