Stroh und Strom

Repräsentativ für den medialen Umgang mit ökologischen Problemen ist am 02.09.2010 die Themensendung von „nano“ (3sat), „Das Öl ist alle“ (hier derzeit auf der Website anzusehen).

Ich will nicht prinzipiell herummäkeln, denn die in der Sendung vorgebrachten Aussagen sind eigentlich alarmierend genug. Neben der Frage nach dem „Peak Oil“ sind es etwa Einblicke in die Konsequenzen aus der Produktion von Kraftstoff aus Ölsänden, die in Kanada giftige Seen auf einer Fläche der Größe von England hinterlässt und aller Voraussicht nach in Zukunft verstärkt wird.

Der Aufbau der Magazin-Sendung folgt jedoch einer Dramaturgie, die in solchen Zusammenhängen immer wieder zu beobachten ist: Dem Horror der Wirklichkeit wird abschließend eine Hoffnung gegenübergestellt. Die Frage bleibt, ob diese nicht als irrational anzusehen ist.

Dafür spricht im Fall dieser „nano“-Sendung schon der Abgleich des TV-Berichts mit dem Inhalt der 3sat-Website: Im letzten Beitrag der Sendung wird eine Möglichkeit vorgestellt, aus Stroh Dieselkraftstoff zu gewinnen. Wie bei zahlreichen Hoffnungsschimmern im Bereich Elektro-Auto und regenerative Energien gibt es schlicht Einschränkungen der Wirksamkeit und quantitativen Relevanz – die man in der medialen Aufbereitung wahlweise erwähnen kann oder nicht.

Auf der Website heißt es also:

Die Technik von Biosprit der zweiten Generation stehe “noch sehr am Anfang”, sagt Mike Enskat von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). […] Zehn Prozent der weltweiten Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft reichten, um – nach dem heutigen Stand der Technik – 125 Milliarden Liter Diesel oder alternativ 170 Milliarden Liter Ethanol pro Jahr herzustellen. Das entspricht aber erst gut vier Prozent des weltweiten Kraftstoffverbrauchs im Transportsektor und damit mehr als dem Doppelten der gegenwärtigen Biokraftstoffproduktion. Biosprit der ersten Generation decke erst 1,7 Prozent des globalen Kraftstoffbedarfs.

Medienpsychologisch bleibt zu fragen, ob es nicht gerade die Nachrichten von Machbarkeit (auch von „nano“ leider televisuell eben optimistischer präsentiert als im Text) sind, die im nach Erlösung hungernden Zuschauerbewusstsein klebenbleiben. Zitat des Off-Kommentars am Schluss des Berichts: „Mit diesem Verfahren ist man einer Lösung zumindest ein wenig näher gekommen.“ – Vielleicht doch eher einer Lösung dahingehend, dass Zuschauer nicht anfangen, darüber nachzudenken, was es hieße, nicht jeden Energiehunger auf technischem Weg stillen zu können?

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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