Bildung, Bullen und Benzin

Es bleibt die Frage, ob es bloß eine Frage des Stils ist. In der „RTL aktuell“-Sendung vom 11.11.2010 ist es eine Kurzmeldung:

„Nach einer zunächst friedlichen Demonstration in London haben aufgebrachte Studenten gestern abend die Zentrale der britischen Regierungspartei gestürmt. Dabei gingen Glasscheiben zu Bruch.“

Die Bebilderung besteht durchgehend in Action-Bildern der Ausschreitungen und der Gewalt gegen Sachen:

Screenshots: RTL/arte, 11.11.2010

Hier im zweiten Bild rechts zu sehen ist Jake Wilson, ein Medizin-Student in London. Was bei RTL die gesamte Kurznachricht bestimmt, ist im „arte Journal“ ein sachlicher Satz des Moderators vor dem Bericht: dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sei. Inhalt des journalistischen Berichts sind nicht sensationelle Bilder von den Folgen einer Ursache, sondern die Ursache. Am Beispiel von Wilson wird gezeigt, wie schon vor den geplanten drastischen Erhöhungen von Studiengebühren auf bis zu das Dreifache in einer Stadt wie London mit hohen Lebenshaltungskosten und horrenden Abgaben für die universitäre Bildung die Belastungen bis zum Äußersten gehen. Wilson kann voraussehen, mit 70-80.000 Euro Schulden ins Berufsleben zu starten.

In der Tendenz Vergleichbares kann zumindest den Kindern jener widerfahren, die im Erwachsenenalter das Informationsangebot von „RTL aktuell“ wahrnehmen, in dem Sportjournalistin Ulrike von der Groeben sich im Anschluss „auf dieses Formel-1-Wochenende“ freut.

Für die, die direkt oder indirekt von einer Bildungspolitik mit sich erhöhenden Studiengebühren betroffen sein werden, wird dies bei einer solchen Behandlung des Problems aber recht unerwartet kommen, da ihnen zuvor eher irrationale Randalierer als Hauptproblem vorgeführt worden sind. Dies ist letztlich eine machtpolitische Konsequenz aus redaktionellen Entscheidungen, die auch in der politischen Wirklichkeit nur das lodernde Feuer suchen, solange die aufheulenden Motoren noch auf sich warten lassen.

Passend zu der euphorisierten von der Groeben …

Screenshot: RTL, 11.11.2010

… wissen andere wie Craig Morris in „Telepolis“ vom selben 11.11.2010 über die neuesten Prognosen der „International Energy Agency“ zu berichten, dass die benzindurstigen Geschwindigkeitsjunkies bald schon Geschichte sein könnten:

Aber die Elektromobilität wird anders aussehen als unsere heutigen Autos, die quasi eine unbegrenzte Reichweite haben und innerhalb weniger Minuten vollgetankt werden können. […]

Noch schwieriger wird die Schifffahrt. Und fast unmöglich der Luftverkehr. Dort sind keine Alternativen zum flüssigen, fossilen Treibstoff in Sicht. Machen Sie sich also auf stark steigende Ölpreise zu Ihren Lebzeiten gefasst.

Keine Frage, dass derlei bei RTL keine Nachricht wert ist. Solange die Grinseschnitten vom Dienst noch ordentlich betankt werden können, wird dem Sender der Frohsinn wohl nicht ausgehen. Am Produktionsort Köln begann heute der Karneval.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

Eine Antwort

  1. 12. November 2010

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