Gefälschte Pässe und Personen-Verwechslung – #Asyl

Mit einer interessanten Variante der Pro-Asyl-Argumentation wartet die “Huffington Post” (20.09.2016) auf: “Natürlich haben Flüchtlinge gefälschte Pässe – und das ist auch gut so”.

Der Text ist als Erfahrungsbericht von Aras Bacho abgefasst. Es geht aus der Sicht eines Syrers um das Verwenden gefälschter Pässe. Dabei kommt es in der Praxis zur gezielten Verwechslung von Personen qua Ähnlichkeit:

Manchmal bekommt man auch einen Pass mit einem Bild von Europäern. Die Schlepper schauen dann nur, ob man der Person auf dem Bild ähnlich sieht und verkaufen die Pässe.

In Bachos Sicht ist es jedoch gerade kein Pass seiner kriegsgebeutelten Heimat Syrien, der sich für die Einreise nach Europa und Deutschland empfiehlt:

Denn mit einem echten syrischen Pass wären ich und viele andere Flüchtlinge wohl niemals nach Deutschland kommen [sic], mit einem türkischen oder griechischen Pass hingegen schon.

Bacho argumentiert also, dass es ihm als Flüchtling nicht nur um schützende Aufnahme gegangen sei, sondern um Aufnahme in Deutschland. Denn:

Für die Weiterreise nach Deutschland habe ich dann keinen Pass mehr benötigt, da an den innereuropäischen Grenzen keine Kontrollen stattfanden.

In Deutschland hatten Syrer laut “Pro Asyl” (19.05.2016) bisher eine “hohe Anerkennungsquote” – kein Grund also, zu diesem Zweck kein Syrer zu sein. 2016 wurde jedoch eine verstärkte Gewährung lediglich “subsidiären Schutzes” verfügt – was den möglichen Familiennachzug für zwei Jahre aufschiebt.

Wie Bacho bzw. andere, die mit nicht-syrischen Pässen nach Deutschland einreisten, anschließend vorgingen, geht aus seinem Bericht wiederum nicht hervor.

In früheren Berichten zu gefälschten Pässen ging es ja gerade darum, mit einem syrischen Pass Anspruch auf Asyl wegen des dort herrschenden Kriegszustands zu erhalten. So schildert es etwa ein Artikel auf “20min.ch” (16.09.2015). Der niederländische Journalist Harald Doornbos ließ einen gefälschten Pass für seinen Ministerpräsidenten Mark Rutte anfertigen:

Die Huffington Post lässt ihren Autor Aras Bacho also für das Begehen einer Straftat plädieren. Ob man es als Aufforderung sieht, ist Interpretationssache. Jedenfalls gesteht Bacho öffentlich ein, selbst so vorgegangen zu sein. Das verwundert etwas, denn zum einen wird das Verwenden einer gefälschten Urkunde ja mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet (§ 267 StGB). Zum anderen ist die Rechtslage für Flüchtlinge noch teilweise unklar und hat schon zu diesbezüglichen Verurteilungen geführt. Der “Flüchtlingsrat Baden-Württemberg” schreibt am 25.03.2015:

Mindestbedingung einer Straflosigkeit sei jedenfalls, dass es unzumutbar oder unmöglich sei, die für die Einreise erforderlichen Formalitäten einzuhalten. Das scheide bei einer Einreise auf dem Luftweg regelmäßig aus, weil der Ausländer bereits bei der Grenzkontrolle ein Asylgesuch vorbringen könne. Als unmittelbare Folge davon sei ihm der Aufenthalt gestattet und damit eine legale Einreise nach Deutschland möglich (§§ 18 Abs. 1, 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Hinsichtlich der Vorlage eines gefälschten Passes befinde sich der Ausländer daher nicht in einer „notstandsähnlichen Situation“, wie von Art. 31 GFK vorausgesetzt.
Nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist die Rechtslage bei einer – in der Praxis deutlich häufigeren – Einreise auf dem Landweg. Hier stellt sich zum einen die Frage, ob einem Ausländer, der über ein uneingeschränkt sicheres Drittland nach Deutschland einreist, bereits die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. Art. 31 GFK fehlt. Nach Ansicht des OLG Stuttgart ist dies nicht der Fall (Urteil vom 02.03.2010, Az.: 4 Ss 1558/09). Zum zweiten ist die Frage hinsichtlich der Strafbarkeit von Begleitdelikten in diesen Fällen möglicherweise anders zu beantworten, denn bei einer Einreise aus einem sicheren Drittland auf dem Landweg erlangt der Ausländer die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit Stellung des förmlichen Asylantrags.

Man kann wohl zunächst einmal feststellen, dass in der Asyl-Debatte bei Gegnern der laufenden Praxis jedes Wort auf die Goldwaage und im Mainstream rhetorisch scharf sanktioniert wird. Als Vorsitzender eines Landesverbandes der Feuerwehr kann man seine Stellung verlieren, wenn man sich nur aus Sicherheitsgründen gegen die Belegung einer Schulungsstätte durch Flüchtlinge verwahrt (“Preußische Allgemeine”, 14.09.2015). Wenn ein Syrer für die Verwendung gefälschter Papiere plädiert, wirbt die Huffington Post begleitend auch noch für seinen Facebook- und Twitter-Account.

Ob hier Verhältnismäßigkeiten noch gewahrt bleiben? Die Hinfälligkeit gesetzlicher Regelungen wird durch Organe wie die Huffington Post zu diesem Zweck wirkungsvoll suggeriert.

Aras Bacho fordert in seinem Artikel eine Beseitigung der Fluchtursachen; er sei bereit zurückzukehren. Dies steht jedoch auf Jahre oder Jahrzehnte in den Sternen. Die daran hängenden geopolitischen und konspiratologischen Fragen sind komplex.

Eine Leserin von Bachos Artikel wirft 200.000 syrischen jungen Männern vor:

Aber die meisten haben ja lieber selber ihren Hintern gerettet, statt ihr Heimatland zu verteidigen und ihre Landsleute, vorwiegend Frauen und Kinder, feige im Stich gelassen.

Nun, das ist wohl nur der Gedankengang einer naiven Deutschen. Für ihre Landsleute lag während des Zweiten Weltkriegs kein Fluchtplan vor.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

Eine Antwort

  1. Peter Hallonen sagt:

    Zur Asyldebatte hier noch eine weitere Meldung, die man möglicherweise mit ihr zusammenbringen kann: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/wo-die-armut-in-der-welt-verschwunden-ist-14449204.html. Sage und schreibe 99 % der Deutschen schätzen demnach die Entwicklung und/oder das Ausmaß der weltweiten Armut in den letzten Jahren als zu pessimistisch ein. Könnte daran als einer von mehreren Faktoren auch eine manipulative, unvollständige Berichterstattung beteiligt sein? Jedenfalls stelle man sich vor, die Armut würde von einer Mehrheit der Deutschen als ein seit längerem zurückgehendes Problem eingeschätzt. Womöglich wäre die Bereitschaft zur massenhaften Aufnahme sogenannter Flüchtlinge, sofern viele deutsche Staatsbürger extreme Armut auch als Flucht-/Asylgrund akzeptieren (und nicht nur Verfolgung und Krieg), etwas geringer ausgeprägt.

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