Delling im Netzerland
Die Wiederkehr des Vermengten
Eine Video-Collage von
Daniel Hermsdorf
D 2006
40 Min., Farbe, DVD
Die Fußball-WM 2006 ist vorüber. Doch sie hat ihre Spuren hinterlassen, und das nicht nur im Guten. Sie hat die Welt in Deutschland empfangen, aber sie hat auch Freundschaften zerstört. So jenen mythischen Bund von Gerhard Delling und Günter Netzer. Der Streit des Journalisten und des Fußball-Experten im ARD-Programm soll reine Inszenierung sein. Doch Zweifel sind berechtigt. Was wir in diesem Jahr gesehen haben, kam einer Exekution näher als dem munteren Geplaudere, das hier zu erwarten war.
Delling hat Netzer in den Abgrund seiner fußballerischen Psyche, seiner Sprache zwischen Kommentar und Publicity gestürzt. Danach wird nichts mehr so sein, wie es war.
Endlos – Obszön – Sachkundig
Die Gespräche von Gerhard Delling mit Günter Netzer in der ARD-Berichterstattung zur Fußball-WM 2006 sind der seltene Fall einer öffentlichen Psychoanalyse. Von den freundschaftlichen Anfängen führt der Weg in einen Abgrund der Ambivalenz – was meint Delling, wie reagiert Netzer, was sagen Worte überhaupt noch im Angesicht des Gesamtkunstwerks Fußball?
Die Kultur dieses Sports, soviel ist am Ende klar, ist zum einen symbolische Politik, zum anderen ein erbarmungsloses Sprachspiel, das in die seelischen Untiefen der Beteiligten führt. Bis an die Grenze der Aphasie führt der Seelenarzt Delling seinen berühmten Probanden. Und dieser erlebt stellvertretend für seine Fangemeinde ein Martyrium der Wortfindung und des metaphorischen Kampfes.
Fußball als Personalie – darin liegt eine weitere Brisanz der Begegnung von ARD-Journalist und Ex-Fußballprofi. So fern die Gesichter der Spieler auf dem Platz, so dicht das Geflecht der Ähnlichkeiten in Gegenwart und Historie. Netzer und Overath, Ballack und Lehmann, Lampard und Gerrard, Netzer und Delling – wer ist wer? Und wer ist Peter Crouch? Es ist, vernimmt man Delling, „… eine Gesichts-OP, und keiner merkt was davon.“
Fußball ist Fußball, Fußball ist Gesicht, und Fußball ist Geld, viel Geld. Günter Netzer erlaubt sich, nicht nur als Manager und Shareholder der Schweizer Firma „Infront“ die WM 2006 zu vermarkten, sondern auch als „Experte“ der ARD im Fernsehen aufzutreten. Mit anderen Worten: Der Verleger rezensiert das Buch gleich selbst. Doch er hat die Rechnung ohne den Delling gemacht.