"Warum ich Computerspiele nicht mag"

Leser-Kommentare zu einem Pamphlet

Mai 2005

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12.5., Serjoscha:

meines erachtens kommt man weder mit verdammen noch hochjubeln von videospielen weit. die industrie nimmt in jüngerer zeit einige anstrengungen auf sich, um videospiele kulturell aufzuwerten, quasi als Werbung für breitere käuferschichten und politisch-kulturelle akzeptanz. gegen diese "werbung" der industrie lohnt es sich immer wieder, darauf hinzuweisen, dass computerspiele nicht so schlau sind wie bücher, nicht so hochwertig wie filme und auch keine tollen lerneffekte zeitigen. es gibt keinen grund, seinen kindern videospiele zu schenken, um ihnen wertvolle fähigkeiten anzutrainieren. okay - soweit, so gut.
damit wäre also klar, dass videospiele nicht zur "hochkultur" taugen. übertragen auf die ernährung wären sie dann in der gleichen situation wie das gummibärchen oder der hamburger, der auch nicht für die gesunde vollwertige ernährung taugt. und jeder, der einem weissmachen will, dass gummibärchen gesund seien oder dass übermäßiger hamburger-konsum nicht fettmachen würde, erzählt offenbar unsinn.
videospiele sind "pulp", trash, junk-culture oder eben "low-culture". darauf aber hinzuweisen, wie du das in deinem artikel tust, bringt noch nicht weiter. die trennung von high- und low-culture sollte sich meiner meinung nach nicht an videospielen aufrichten. Faktisch passiert dies aber momentan an vielen orten. das ziel dabei scheint zu sein, dass "gebildete" familien ihre kinder vor übermäßigem konsum schützen sollen, während "unterschichten"-kids natürlich von solchen moral- und erziehungsappellen nicht erreicht werden und so übermäßiger spielkonsum schießlich zum klassen-differenz-kriterium wird. Dein artikel stößt leider auch ein bisschen in die richtung....
produktiver und notwendig wäre es meiner Ansicht nach, diesen klassenunterschieden nachzuspüren, statt sie zu verfestigen. das ganze ist doch sehr ähnlich wie mit den comics, die als "dumme" literatur verpönt waren, als unterschichten-futter, bis in den 70ern in der kinder- und jugendbuchforschung versucht wurde, die klassenbrille und pädagogenbrille abzusetzen bzw. neu zu justieren. es geht doch vielleicht weniger darum, ob man computerspiele mag oder nicht, als darum popular culture zu verstehen. nicht der (kultur-)industrie zuspielen, aber auch nicht die low-culture Kids ausgrenzen.... mit guten ratschlägen (macht mehr sport, geht an die frische luft, lest bücher) kommt man da nich weit. ja, soviel zu meinem kommentar zu deinem text.


Daniels Antwort:

> die klassenbrille und pädagogenbrille abzusetzen bzw. neu zu justieren.

Da triffst Du sicher einen Punkt. Komme aus einem Lehrer-Elternhaus, in dem solche Brillen jeden Tag getragen wurden.

> produktiver und notwendig wäre es meiner Ansicht nach, diesen Klassenunterschieden nachzuspüren, statt sie zu verfestigen. Das Ganze ist doch sehr ähnlich wie mit den Comics, die als "dumme" Literatur verpönt waren

Das, was ich an statistischen Angaben in Presseberichten mitbekommen habe, hat mich zu der Auffassung gebracht, dass genau diese Verfestigung im Augenblick vor sich geht. Wenn unsere Gesellschaft sich nach amerikanischem Modell entwickeln wird, da erzähle ich Dir nichts Neues, wird die soziale Schere immer weiter auseinandergehen. Dann wird es hier in 20 Jahren einen neuen Michael Moore geben, der beklagt, dass eine alleinerziehende Mutter drei Mini-Jobs machen muss, während ihre Kinder zu Hause verwahrlosen (das schreibt M.M. in "Stupid White Men").
Also: Dieses Argument ist etwas, auf das ich aufmerksam in Diskussionen der letzten Monate achte, und seine Logik kehrt in vielen Verwandlungen wieder. Wenn jemand etwas benennt, das problematisch ist, setzt er sich selbst dem Vorwurf aus, diese Problematik auf eine Realität zu projizieren und sie bestätigen zu wollen. Ich glaube, dass das selbst zu den problematischsten Diskursentwicklungen unserer Öffentlichkeit zählt: Da, wo noch Hoffnung auf Kommunikation besteht, die Gegensätze sich aber schon andeuten, wird dies als Arroganz gedeutet. Da, wo eh schon Hopfen und Malz verloren ist (Menschen, die Lebensmittelchemiker bezahlen, um ein Produkt suchtfördernd zu gestalten, und dann einen Werbemenschen, der das Ganze symbolisch so definiert, dass aus "krankmachend" das Attribut "sexy" wird), hat man den Kampf schon aufgegeben. Auch bei Aldi kann man halbwegs gesunde Nahrungsmittel kaufen. Die Zeichen, die an entsprechenden Berichten abzulesen sind, deuten darauf, dass viele es eben nicht mehr tun. Und sie tun es, weil sie von der Werbeindustrie zu entsprechendem Verhalten animiert werden.
Dasselbe gilt für Computerspiele, wo ihre Anwendung einen erheblichen Anteil der Freizeitaktivität einnimmt. Ich glaube, dass diejenigen, die daran das meiste Geld verdienen, ihre Kunden insgeheim als "fashion victims" verlachen. Aber sie wissen, wie man dem Affen Zucker gibt.

> mit guten ratschlägen (macht mehr sport, geht an die frische luft, lest bücher) kommt man da nich weit.

Letzteres verstehe ich nicht.
Das war jetzt viel Contra - mein eigener Text ist in der Tat nicht ausgewogen, sondern polemisch.

 

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