Denk mal März 2005
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1-3  Back to the Future
Zurück in die Zukunft. USA 1985. R: Robert Zemeckis

Universal Pictures
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4/5  Ordet
Das Wort. DEN 1955. R: Carl Theodor Dreyer

DVD: Criterion Collection
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6  Ordet
Das Wort. DEN 1955. R: Carl Theodor Dreyer

DVD: Criterion Collection
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7  Back to the Future
Zurück in die Zukunft. USA 1985. R: Robert Zemeckis

Universal Pictures
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Back to the Future. Zurück in die Zukunft. USA 1985. R: Robert Zemeckis
Verleih: Warner Bros. / DVD-Edition: Universal / Polygram

Ordet. Das Wort . DEN 1955. R: Carl Theodor Dreyer
Verleih: Warner Bros. / DVD-Edition: Criterion Collection

Der Film handelt ja eigentlich von Marty McFly (Michael J. Fox), der eher unfreiwillig auf Zeitreise geht. Auf dem ersten hier gezeigten Bild (Abb.1) sieht man seinen Vater George in jungen Jahren. Genauer gesagt, Marty ist aus dem Jahr 1985 mit einer automobilen Zeitmaschine in das Jahr 1955 zurückgekehrt. Dort lernt er sehr bald seine Eltern als Jugendliche kennen. In dieser Szene ertappt Marty seinen Vater George (Crispin Glover) dabei, wie er als Voyeur mit einem Fernglas von einem Baum späht.

Interessant ist dabei, dass dabei beinahe die einzige Einstellung des Films ensteht, in der ausschließlich Natur zu sehen ist. (Abgesehen von etwas Landwirtschaft im Jahr 1955.) Ansonsten sind die Bilder randvoll mit Autos, Stadtkulissen, Werbetafeln, LCD-Displays etc. Da, wo Marty deutlich wird, dass sein eigener Vater als Jugendlicher Probleme mit seiner Beziehung zum anderen Geschlecht hat, illustriert Zemeckis das mit einem Bild der Natur. Das ermöglicht ihm das phallische Motiv des Baumstamms. Aber insgesamt ist diese Regieentscheidung doch widersprüchlich. Entfremdung zwischen Menschen, Glotzen mit dem Fernglas ruft das Bild der Natur hervor.

Der Plot des Films erzählt davon, dass Marty um sein menschliches Dasein kämpfen muss, denn er hat zu befürchten, dass durch sein Erscheinen in der Vergangenheit die Beziehung seiner Eltern gar nicht zustande kommt, er selbst also seine Geburt nachträglich annuliert - und aus der Geschichte verschwinden müsste. Als Indiz für dieses mögliche Verschwinden dient ihm wiederum eine mediale Repräsentation: ein Foto von sich und seinen Geschwistern, das er bei sich führt und auf dem die Gestalten nach und nach transparent zu werden beginnen, weil sich das Scheitern der Liebe von George McFly und Lorraine Baines (Lea Thompson) andeutet.

Martys Rückkehr bedroht seine eigene Natur. Er muss sie durch mehrere Handlungen wieder herstellen. Die Institution der Ehe seiner Eltern hängt nun von Situationen ab, die er selbst inszeniert. Fatalerweise ist es gerade er selbst, der die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zieht und sie deshalb beinahe von der Liebe zu seinem späteren Vater abzubringen droht. Als Zeitreisender kommt Marty in das Jahr 1955 zurück. Sein Vater träumt zu dieser Zeit von solchen fantastischen Geschichten: Er schreibt Science Fiction, und eine abendliche Tanzveranstaltung verschmäht er beinahe mit der Begründung: "I miss my favorite television programme, 'Science Fiction Theatre'."

Marty beeinflusst ihn zu Avancen gegenüber Lorraine durch einen nächtlichen Auftritt als Darth Vader. Auf außerirdischen Befehl soll George die Nähe zu Lorraine suchen. Und am Ende des Films, nach der Rückkehr ins Jahr 1985, hat sich die Familie von Marty stark verändert. Vater George ist nun ein erfolgreicher Science-Fiction-Autor, und sein neues Werk wird gerade in Ansichtsexemplaren geliefert: "A Match Made in Space", das nach dem Cover zu urteilen von einer menschlichen Zweierbeziehung handelt, die ein Außerirdischer vermittelt (Abb.2).

Was ist in diesem Zusammenhang noch bemerkenswert? Es ist das Jahr 1955. Hier kommt in der wirklichen Welt ein anderer Film in die Kinos: Ordet (Das Wort, DEN 1955, R: Carl Theodor Dreyer). Auch dieser handelt von der Liebe zweier Menschen (aus sozial unterschiedlichen Familien, eine Art Romeo-und-Julia-Variation), die in diesem Fall der Vater des Jünglings Anders (Cay Kristiansen), Morten Borgen (Henrik Malberg), vermitteln muss - den man auf den ersten Blick für den Großvater hält, weil es auch ein Elternpaar gibt, zu dem jedoch Anders' Schwester Inger (Brigitte Federspiel) als Mutter gehört. Sie hat ihrerseits schon eine kleine Tochter.

An die handlungslogische Stelle des bärtigen alten Mannes rückt bei Zemeckis also der junge Marty u.a. im Kostüm eines Außerirdischen, das in Wirklichkeit vor radioaktiver Strahlung schützt. Das Zeichen für Radioaktivität trägt nicht nur der Erfinder Doc Emmett Brown (Christopher Lloyd) auf seinem Rücken, sondern es ist in einer Einstellung zu Beginn des Films auch im Fernsehen (Abb.3) zu sehen.

Eine Assoziation durch Kontiguität (abgesehen von der Vieldeutigkeit des Wortes Radioaktivität) wie zwischen TV-Bild und Plutonium entsteht bei Dreyer in vielen Einstellungen durch die Anwesenheit von Bildern in den Räumlichkeiten der Familie Borgen. Der Großvater ist immer wieder vor einer großen gerahmten Fotografie eines anderen weißbärtigen Mannes zu sehen - offenbar ein Vorfahre, der auf dem Bild ebenso mit einer Tasse an seinem Tisch sitzt (Abb.4), wie es die Filmfiguren in mehreren Szenen in Gegenwart des Bildes tun. In immer wieder neuen Arrangements werden Personen, Bilder, Türen, Fenster, Lichtwürfe und die Lampen des Hauses zueinander in Beziehung gesetzt: der Großvater mit dem Ahnen, die Eheleute Borgen mit der Druckgrafik eines Triumphzugs in ihrem Schlafzimmer, die übrigen Familienmitglieder mit weiteren gerahmten Porträtfotos in der Wohnung; schließlich auch der Schneider Peter Skraedder (Ejner Federspiel), der Vater Annes, mit der herrschaftlichen Porträtfotografie eines Geistlichen bei einer Andacht, die er abhält (Abb.5).

Mehrere Einstellungen, die über den gesamten Film verteilt sind, liefern eine Art Meta-Kommentar zu dieser Reihung. Hier ist es der bei der Kierkegaard-Lektüre wahnsinnig gewordene Sohn Johannes (Preben Lerdorff-Rye), der mit Gesten oder seinem Stab (der an Johannes den Täufer erinnert) in chronologischer Reihenfolge auf die Wolken am Himmel, eine Tür, ein Fenster, eine Uhr, sich selbst und eine leere Wand deutet und dabei - abgesehen vom ersten Motiv am Anfang des Films unablässig vom Tod redet (Abb.8-13). In der letzten Einstellung steht er kurz vor dem Zusammenbruch, und die Leere steht hier auch sinnbildlich für den bevorstehenden Tod seiner Schwester Inger.

Die Uhr, die in diese Reihe gehört, ist ohnehin ein frequentes Requisit der Filmgeschichte. Hier stiftet sie einen weiteren motivischen Zusammenhang der beiden so unterschiedlichen Filme von Dreyer und Zemeckis: Back to the Future beginnt mit der Uhrensammlung des Doc, der die Zeitmaschine erfindet, und in diesem Raum befinden sich ebenfalls eine Reihe gerahmter Schwarzweiß-Fotografien: ehemalige Präsidenten der USA. In einem Dialog wiederum wird die reale Gegenwart von 1985 thematisiert. Im Jahr 1955 mag Doc, den Marty aufsucht, zunächst nicht glauben, dass Ronald Reagan, der Schauspieler, 1985 US-Präsident sein wird. Dann sieht er aber ein: "No wonder your president has to be an actor. He has to look good on television."

In beiden Filmen gibt es also motivische Verkettungen, in denen Bilder (Vorfahren, Staatspräsidenten, TV-Bilder) und Requisiten wie die Uhr und der Kaffee sowie die für Studioproduktionen notorischen Interieurs der Tür und des Fensters (durch das bei Zemeckis z.B. Marty als Außerirdischer ins Zimmer seines Vaters kommt und zur Eheanbahnung mahnt) enthalten sind. Bei Dreyer sind mehrere dieser Motive durch den wahnsinnigen Johannes in einen Zusammenhang durch Zeigegesten gebracht.

Zwei weitere intertextuelle Bezüge entstehen ausgehend vom Motiv einer Kaffeekanne: Während sie in Ordet von Tochter Inger ins Bild gebracht wird, wo der Rahmen des Ahnenbildes mit seiner rechten unteren Ecke auf das Requisit zeigt (Abb.6) - Inger will mit dem Großvater über die mögliche Heirat des Sohnes mit seiner Freundin sprechen -, fehlt sie in der ersten Einstellung in Back to the Future in einer Kaffeemaschine, die inmitten von Uhren zu sehen ist. Anstelle der Kanne sieht man durch das Gerät hindurch ein Zifferblatt. In dieser Einstellung ist auch ein Radio zu sehen, das so wiederum auf die Wortassoziation des radioaktiven Plutoniums verweist, das die Zeitmaschine antreibt (Abb.7), und dessen Symbol gleich darauf im Fernsehen in einer Nachrichtensendung sichtbar wird.

In Ordet spielt der Kaffee ebenfalls eine Rolle. In mehreren Szenen wird er sowohl getrunken als auch ausgiebig besprochen (Fragen, ob man welchen trinken will, sagen; ob man welchen trinken will; "Das ist aber nett, dass du den Kaffee hereinbringst"). Und Uhren an Wänden sind hier nicht nur zu sehen. Offensichtlich hat man beim Tod von Inger die Uhr im Schlafraum angehalten, die nach ihrer wunderbaren finalen Auferstehung von Anders wieder auf die Jetzt-Zeit vorgestellt wird.

Es gibt also gewisse Parallelen zwischen der Handlung der beiden Filme (verhinderte Zweierbeziehung junger Menschen) und motivische Bezüge (Uhren, Zeitverschiebung, Kaffeekanne / -maschine), wobei sich das Kaffeetrinken nebst Besprechung der Beziehungsprobleme bei Dreyer wiederum unter dem Blick des Patriarchen im Bild vollzieht. Und während in Ordet der Großvater, der mit dem Patriarchen durch sein Bild am deutlichsten assoziiert ist, seinen Anders mit Anne Skraedder (Gerda Nielsen) vereinen will, ist es in Back to the Future der junge Marty, der seine Eltern zusammenbringen will. George traut sich zu Annäherungen zunächst nur mit dem optischen Instrument des Fernglases und sieht lieber fern, als mit einer Freundin auszugehen. Außerdem flüchtet er in Science-Fiction-Welten, die mit Martys Zeitreise 30 Jahre später wahr geworden sind. Lorraine verliert beinahe ihr Herz an den jungen Marty, ihren zukünftigen Sohn, der narrativ wie ein Außerirdischer in die Welt der 1950er Jahre gekommen ist und auf sie bezaubernd wirkt wie ein Filmstar. (Im Haus der Familie Lorraines himmelt sie ihn an, während das TV-Gerät läuft; eine Show mit Jackie Gleason, die Marty als Wiederholung in der Zukunft schon gesehen hat.) Seinen Schutzanzug gegen Radioaktivität nutzt Marty jedoch auch zu dem erwähnten Auftritt als Außerirdischer, der George zur Brautwerbung animiert, und ihn später offensichtlich zu einem Science-Fiction-Roman inspiriert.

Dass Zemeckis' Film damit endet, dass Doc den mit Mühe und Not in die Gegenwart zurückgekehrten Marty und seine Freundin Jennifer (Claudia Wells) in die Welt von 2015 holen will, die er selbst gerade kennengelernt hat, ist deshalb hier bemerkenswert, weil als Grund ebenfalls Familiäres angedeutet wird: "It's your kids, Marty. Something has to be done about your kids." In Ordet hat Inger eine Totgeburt, bevor sie selbst stirbt und durch Johannes' Gebet wieder aufersteht.

Die Sicht auf die technisch-medialen Konsumangebote in Back to the Future ist ebensowenig unkritisch wie das subtilere nonverbale Spiel mit Requisiten in Ordet. Der scheinbar desorientierte Johannes zeigt auf etwas, das man beachten sollte, und die Reihung geht von der veränderlichen Wolkenbildung über die Tür, deren Struktur einem Filmstreifen nicht unähnlich ist, über das Fenster, das seit Leon Battista Alberti eine klassische Metapher für das Bild ist, die Uhr als Vanitas-Symbol hin zu seinem eigenen Körper als jenem eines heiligen Irren und schließlich zur leeren Wand als Vorankündigung des Todes.

Bei Zemeckis gibt es keine Momente der Besinnung. Hier wird in irrwitzigen Szenen eine Verwirrung des Zeitempfindens, die der filmischen Form eigen ist, im Film selbst inszeniert, für verrückt befunden, aber schließlich schulterzuckend akzeptiert. Wörtlich heißt das:

Marty: "What about all that talk about screwing up future events - the space-time continuum?" - Doc: "Well - I figured, what the hell."

 

Daniel Hermsdorf


8-13  Ordet (v.l.n.r. / v.o.n.u.)
Das Wort. DEN 1955. R: Carl Theodor Dreyer

DVD: Criterion Collection
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