#Schalke statt #SPD für #WAZ-Leser

Am heutigen Sonntag veranstaltet die SPD einen Parteitag in Dortmund, einer ihrer Hochburgen im nun mit CDU-Mehrheit ausgestatteten Nordrhein-Westfalen. Im Radio waren bereits Ausschnitte der Rede von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder zu hören. Die größte regionale Tageszeitung, die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung” (WAZ), berichtet am Mittag auf ihrem Portal “derwesten.de” … vorerst gar nichts über das SPD-Treffen.

Schlagzeile ist vielmehr ein Live-Bericht von der Jahreshauptversammlung des Gelsenkirchener Fußball-Vereins “Schalke 04”.

Am 02.02.2016 wusste dieselbe Zeitung zu Gelsenkirchen eine Arbeitslosenquote von 15,5 % zu berichten. Es ist eine jener Städte, in denen die sozialen Probleme wohl am deutlichsten weiter zunehmen werden. Vor dem Hintergrund solcher Realitäten wäre politische Arbeit – egal in welcher Partei – ja eine der logischen und notwendigen Reaktionen. Doch wir sehen an einem zentralen Presseorgan der Region, was bei der Bevölkerung am besten ankommt und ihr deshalb auch gegeben wird: Fußball.

Natürlich wird auf derwesten.de in ein paar Stunden vom SPD-Parteitag zu lesen sein. Aber im schnelllebigen Internet sind, wie wir sehen, auch in Schriftform Quasi-Live-Berichterstattungen möglich. Und die Priorität wird dabei gerade auf die Jahreshauptversammlung eines Fußballvereins gelegt, während sich zum vergleichbaren Ereignis in einer Volkspartei gleichzeitig noch kein Wort findet.

Ob die WAZ das aus volkspädagogischen Gründen anders machen müsste, obwohl ihre Klickzahlen rein marketingtechnisch dagegen sprechen, ist noch ein anderes Thema. De facto tut sie es nicht, und es zeigt beispielhaft, wie ein mediales Ablenkungsprogramm namens Fußball noch die letzten existenziellen Interessen der Bevölkerung verdrängt. Den Nachwuchs von Parteien, die ein solches Land regieren und regieren können, wird es nicht mehren; auch nicht die Zahl der Wähler, die mit ausreichenden Informationen an die Urne gehen.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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