Umwelt mit Waldi

Neue TV-Formate zur Weltverbesserung wären erwünscht

Februar 2006

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Das Zweite Deutsche Fernsehen ist heute, am 14. Februar 2006, ein Vollprogramm der Olympischen Winterspiele, das nur von einzelnen Nachrichtensendungen unterbrochen wird. Vor den 19-Uhr-Nachrichten bekundet der Moderator - es ist wohl Rudi Cerne, was weder Videotext noch die Programmzeitschrift im Netz exakt ausweisen - zur Goldmedaille von Sylke Otto im Rodeln: "Hier ist entscheidend, dass sie gut runterkommt, nicht zu viel riskiert."

Jedes andere Thema kann von einer derartigen Medienpräsenz wohl nur träumen. Sang- und klanglos etwa geht die unmodische Nachricht unter (d.h. sie wird an einem Tag erwähnt und dann für ein Jahr in die Rubriken speziell Interessierter eingedämmt), wie es um den Wald bestellt ist. In den 1980er Jahren war das ein Modethema. Die ökologische Situation hat sich nur geringfügig verändert, aber die Aufmerksamkeit ist enorm gesunken. Hier fragt fast niemand mit dem Nachdruck, der den Haltungsnoten beim Skispringen gewidmet wird, ob wir nicht zu viel riskieren.

Das wird schnell klar, wenn man sich an Hand von Websites eine Meinung bilden möchte. Das Bundesamt für Statistik zeigt, dass die Schädigungen von Bäumen in Deutschland 2001-04 zugenommen haben (www.destatis.de). Im "Waldzustandsbericht" der Bundesregierung für 2005, wie ihn eine Pressemitteilung des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND) wiedergibt, klingt das so: "Die gestiegene Zahl erkrankter Bäume besonders in Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland liege an den jahrelangen Belastungen mit Säuren, Stickstoff, Ozon und Abgasen. Wälder und Waldböden in Deutschland und Europa stünden seit langem unter Dauerstress. Das Gros der waldschädigenden Schadstoffe stamme weiterhin aus dem Verkehr und der Landwirtschaft. Die Zunahme der schweren Schäden bei Eichen um sechs Prozent im Mittel aller Bundesländer sei Besorgnis erregend." (www.lapla-net.de)

Da gibt es einen nahe liegenden Gedanken: An den Belastungen mit Schadstoffen muss sich etwas ändern. Darüber, dass mit der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel hierfür etwas getan werden kann, streitet wohl niemand. Aber wie sieht die Tendenz in der Verkehrspolitik aus? Eine Website gibt Auskunft zum Thema und kündigt u.a. die 8. Jahrestagung des "Euroforums" im Mai 2006 in Berlin an, auf dem der Öffentliche Personennahverkehr debattiert wird. Hier heißt es: "Ausgelöst durch die Sparzwänge der Finanzminister in Bund und Ländern wird der ÖPNV immer mehr zum ungeliebten Kind. Und dem werden, wie im richtigen Leben, Aufmerksamkeit und Zuwendungen erst einmal gekürzt! Verkehrsunternehmen wie Aufgabenträger trifft diese – schon so bezeichnete – Verkehrswende in der entscheidenden Phase des Umbruchs." (http://www.newstix.de)

Schnell vergessen ist also auch ein Bild wie dieses, mit dem sich Hollywood 2004 für ein paar Wochen der ökologischen awareness gerühmt hatte:

The Day after Tomorrow
The Day after Tomorrow
USA 2004. R: Roland Emmerich
20th Century Fox
mehr

Autos sind Hilfsmittel, Wirtschaftsfaktor, Hobby, Leidenschaft - in Deutschland und anderswo. Von Hybridmotoren ist da in letzter Zeit die Rede, die den Verbrauch fossiler Brennstoffe reduzieren sollen. Auch der ADAC informiert über die ökologische Verträglichkeit neuer Automodelle. Im Eco-Test 2004 sind die Ergebnisse für 300 Beispiele zusammengefasst. Der Kraftstoffverbrauch bewegt sich zwischen 4 und 12 Litern - vom Kleinstwagen bis zu Limousine bzw. Geländewagen.

Sieht man sich z.B. das Referat von Dr. Walter Hell (2002, Institut für Mobilitätsforschung, BMW Group) zur "Zukunft der Mobilität" an, ist von Umweltbewusstsein nicht sonderlich viel die Rede. In einem einzigen Diagrammfeld kommt das Wort "Umweltpolitik" vor, doch sonst ist nur von Angebot, Nachfrage, Verkehrsaufkommen und Infrastruktur die Rede. Dass die Energiekosten bis 2020 deutlich steigen, Fahrbahngebühren eingeführt werden und Innenstädte Zufahrtsbeschränkungen erhalten, gehört hier zu den Prognosen. Vom Wald ist keine Rede.

Anders hört sich das in einer Diplomarbeit der Technischen Universität Berlin von Stefan Zander an: "Das Fahrrad als städtisches Verkehrsmittel der Zukunft" (2000). Hierbei handelt es sich um die "Konzeption eines Weiterbildungsseminars für Personen, die sich haupt- oder nebenberuflich mit dem Thema Stadt- und Verkehrsplanung beschäftigen". In der Einleitung heißt es: "Die Erkenntnis, daß erworbenes Umweltwissen nur sehr wenig zu entsprechenden umweltgerechten Handeln führt, darf jedoch nicht dazu verleiten, kognitive Kompetenz als unwichtig abzutun. Gera­de wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu reflektieren, kann dies nur gelingen, wenn man ein möglichst großes Hintergrundwissen besitzt. Ohne Einsichten in Zusammenhänge fehlt eine Orien­tierung, an dem [sic] auch das eigene Handeln gemessen werden kann."

Danach lässt sich zum nächsten Clash der Jargons überleiten. Denn auch wenn der ADAC auf Umweltverträglichkeit prüft und eigentlich jeder Bescheid zu wissen glaubt - der sprachliche Alltag in der Szene jener, die dem Automobilismus fröhnen, sieht anders aus, als der Berufspädagoge es erträumt.

Im manager magazin klingt das 2004 so: "Hamburg - Schnurren, bullern, brüllen - die liebkosenden Worte, mit denen BMW-Fans ihre Antriebsaggregate beschreiben, unterscheiden sich zwar kaum von denen anderer Automobil-Enthusiasten. Nur bei BMW (und Porsche) beschreiben sie aber auch treffend die Dynamik der Geschäftsentwicklung der Marke." Hier geht es darum, "technische Innovationen medienwirksam zu verkaufen", und jenseits scheinbar unnötiger Fragen nach dem Benzinverbrauch berichtet Autor Christian Buchholz vom "kleinen Geländewagen X3, der in den USA schnell zum Nischen-Schlager wurde." Da macht dem Standort Deutschland zwar der "Wermutstropfen China" Sorgen. Schlusssatz zum Thema BMW: "Trotz der hohen Lohnkosten in Deutschland schnurrt und bullert schließlich das Geschäft."

Die Steigerungswut referiert auch Autor(In) Leoni in dem auf www.yahoo.dewiedergegebenen Kommentar der "Financial Times Deutschland" vom 9.2.2006. Hier geht es zunächst um die Pläne von Peugeot: "Statt Überkapazitäten zu kürzen, will die Firma in den nächsten vier Jahren 26 neue Modelle auf den Markt bringen, den Absatz um 800.000 Einheiten steigern, die Oberklasse aufrollen und die Kapazitätsauslastung damit von 60 auf 79 Prozent erhöhen." Und skeptisch folgt die Nachfrage: "Trotz steigender Rohstoffkosten hat der Stoxx Autos allein seit Ende 2005 um 9,4 Prozent zugelegt, wobei bis auf PSA alle Titel gestiegen sind. Das gilt selbst für die Zulieferer, obwohl die doch unter dem Ansinnen der Hersteller leiden sollten. Vielleicht gehen die Anleger ja davon aus, dass die in dieser - und anderen - Branchen freigesetzten Mitarbeiter massenweise neue Autos kaufen, um sich die neu gewonnene Freizeit zu versüßen. Von einem Konjunkturwunder abgesehen, müsste sonst der eine oder andere Titel doch auch mal nachgeben, nicht?" Die Frage ist, ob solche Töne im Weltinnenraum des Kapitals verhallen oder in irgendeiner Weise Konsequenzen haben. Sonst wird Slavoj Zizek mit seiner Kapitalismuskritik wohl Recht behalten.

Wie wäre es, demnächst mal eine Wald-Olympiade zu veranstalten? Statt der Reißschwenks an der Bob-Bahn, die mittlerweile wahrnehmungsphysiologische Ansprüche ähnlich jenen von Computer-Actionspielen aufweisen (d.h. rein visuell so etwas wie besoffen machen)? Statt selbstähnlicher Diskurse? Statt der wabernden Verbindlichkeiten von ModeratorInnen gegenüber gehetzten SportlerInnen ein paar Fragen, die uns alle angehen, an jene, die sie in der Praxis zu beantworten haben und die sich gern hinter PR-Leuten verstecken, die stinkende, ätzende Wirklichkeit in duftende Slogans verpacken wie der hygienefaule Adlige des 17. Jahrhunderts seinen Schweißgeruch im Puder?

Sportberichterstattung, wie sie in Zeiten Olympischer Spiele - die ja einen hehren Anspruch der Völkerverständigung erheben - ihr zeitliches Maximum erreicht, ist die bequem konsumierbare Kehrseite all jener Fragen, die dieselbe umfassende Öffentlichkeit betreffen, von ihr durch besorgte Politiker und eilfertige Journalisten aus verschiedenen Gründen aber fern gehalten werden. Was nicht heißen soll, dass es in Sport und Sportberichten keine Subversion gäbe. Hören Sie bitte mal hin.


Daniel Hermsdorf

 

 

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