NSU – die Fernsehserie

In jenen Tagen, wo der Vater des Rechtsterroristen Uwe Mundlos im NSU-Prozess mit Äpfeln provoziert, sei es hier noch einmal festgehalten: Bevor die Mordserie einem politischen Hintergrund zugeordnet wurde, tauchte Mundlos schon zweimal im Fernsehen auf. Einmal war es die ARD, die schon 2001 mit ihm als Fahndungsfoto in einer Akte aufwartete – im „Tatort“, passenderweise in der Folge „Bestien“ (D 2001, R: Kaspar Heidelbach):

Das ZDF legte 2004 mit einer Folge von „Küstenwache“ („Gegen die Zeit“, R: Zbynek Cerven) nach. Dort steht in der Akte in einer Reihe mit Mundlos und Uwe Böhnhardt dann auch noch eine „Barbara Schöneberger“, die im Dialog zu „Claudia Schöneberger“ wird. Dies ist zumindest ein schönes Beispiel für die Haltung solcher Serien zu ihrem Publikum: Aufmerksamkeitsspanne und Wahrnehmungsvermögen werden als so gering eingeschätzt, dass man gleichzeitig etwas nicht Übereinstimmendes zeigen und sagen kann:

Etablierte Medien berichteten über den einen und den anderen Fall schon vor gut einem Jahr. Der „stern“ (13.09.2012) brachte dazu die Stellungnahme der Produktionsfirma:

Generell würden für solche Requisiten normalerweise nur Bilder von Mitarbeitern verwendet […].

Dabei kann es sich aber auch um eine Schutzbehauptung handeln. Es ist noch im Bereich des statistisch Wahrscheinlichen, dass etwa das 1998 vom Landeskriminalamt Thüringen veröffentlichte Bild von Uwe Mundlos für einen solchen Zweck verwendet wurde. Selbst wenn es solche Regeln für die Inszenierung gibt, könnten diese im Zeitdruck der Produktion – oder einfach durch Sorglosigkeit der Ausführenden – außer Kraft gesetzt worden sein.

Der Effekt, der sich nach der Enttarnung der angeblichen Serientäter des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ einstellt, ist freilich recht irre. Zu einem Zeitpunkt, wo die Öffentlichkeit noch von nicht-politisch motivierten Taten ausgeht und die Mordserie sich fortsetzt, werden die im Verborgenen agierenden Täter schon unfreiwillig zu Mitspielern in einer der zahllosen Krimiserien deutscher TV-Sender.

Eine gezielte Platzierung der Bilder im Hinblick auf den bevorstehenden NSU-Skandal würde z. B. Kontakte der Serienmacher zum Verfassungsschutz voraussetzen. Ich habe im Hinblick auf 9/11 und den Amoklauf von Newtown schon solche Thesen vertreten. Dort ergaben sich jedoch entweder so viele und langwährend vorausgehende Anzeichen, oder sie waren inhaltlich besonders merkwürdig und aussagekräftig. Im Fall der Fahndungsbilder von Böhnhardt und Mundlos waren diese Bilder nun einmal schon öffentlich im Umlauf und konnten durch Zufälle in die Hände von Requisiteuren der Serien gelangen. Im Fall von 9/11 wollte niemand von bevorstehenden Anschlägen gewusst haben – schon gar nicht Jahrzehnte im voraus. Auch der Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule hätte nach gängigen Maßstäben nur der Täter selbst voraussagen können.

Dass ein Geheimnis des NSU auch noch in anderen bildbasierten Verfahren liegen könnte, habe ich hier im Blog schon ausführlicher erläutert (siehe diese Einträge).

Über das Kokettieren etwa des „Tatort“ mit Nazi-Symbolik reflektiert meine Video-Montage „totart“ (2008) ausführlicher; ich würde das jederzeit zur Diskussion stellen. Wer sich interessiert, kann sich ja einmal melden. Erinnerungskultur war nämlich bisher nicht so engagiert, wenn es über allbekannte Ereignisse aus dem Dritten Reich und Gedenkrituale hinausging, die mittlerweile niemanden mehr ‚aufrütteln‘, sondern eben drohen, im Ritual zu erstarren. Es gibt in dieser Hinsicht noch sehr viel zu entdecken, was weder Publizistik noch Wissenschaft bisher thematisierten. In diesem Sinne gibt es schon seit Jahrzehnten einen „Nationalsozialistischen Untergrund“ vor aller Augen, über den das Gesetz des Schweigens herrscht.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

4 Antworten

  1. Die Debatte bei Jürgen Elsässer …
    http://juergenelsaesser.wordpress.com/2013/12/21/falsche-aufregung-um-nsu-und-kustenwache/
    … habe ich gerade gelesen, auch etwas Verlinktes noch. Tag und Monat des Zschäpe-Geburtstages hatte ich im Filmbild zunächst selbst nicht überprüft, aber z. B. hier …
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article122788136/LKA-Chef-soll-Fahndung-nach-NSU-verhindert-haben.html
    … wird nach meinem Eindruck deutlich, dass die drei doch zusammen schon zur Fahndung ausgeschrieben waren. Deshalb ist eine öffentliche Zugänglichkeit der Informationen gegeben. Fakt ist: ein heute geschmacklos anmutendes Spiel mit vermutlichen Tätern einer unübersichtlichen Lage von Geheimdiensten und evtl. weiteren kriminellen Gruppierungen. Einer Recherche wie der von “Compact” gebührt sicher Priorität, wenn es etwa um Verdacht auf weitere Morde an Zeugen in der Realität gibt.
    Beigaben wie ein mythischer Ort “Kairo” als Geburtsstadt einer Person in der Film-Fahndung klingt auch nicht nach der Produktion eines Praktikanten. Wieviel Prozent Wahrscheinlichkeit, dass die Fotos mit Bedacht eingefügt wurden? Es ist möglich, nicht unwahrscheinlich und verdächtig, würde ich nun sagen.
    Erfreulich finde ich mehrere Beiträge in den Elsässer-Kommentaren, die die Präsenz gezielter Vorausdeutung in Kinofilmen von 9/11 bemerken. Vor diesem Hintergund halte ich derlei selbstredend auch für szenetypisch.

  2. I. Bading sagt:

    Womöglich stimmst Du ja Jürgen Elsässer zu:

    http://juergenelsaesser.wordpress.com/2013/12/21/falsche-aufregung-um-nsu-und-kustenwache/

    Aber der letzte Kommentar dort von Wolfgang Eggert ist schon ein bischen tiefschürfender, wenn er mir auch nicht so plausibel vorkommt. Aber älteren Kommentaren dort von ihm kann ich rundweg zustimmen.

  3. Sabia sagt:

    Hi…ja sehr interessant…vor allem wenn man weiss das es eine ähnliche Vorgehensweise bei Osama bin Laden gibt…
    im Kinofilm Hannibal ermittelt Clarice Starling im FBI eigenen Intranet und 3 mal dürft ihr raten wessen Konterfei auf der Liste der weltweitgesuchten Terroristen auftaucht…und das alles vor dem 11.9….ein Schelm wer Arges dabei denkt!!!

  4. I. Bading sagt:

    Ich glaube, es ist nicht so schwierig, einer Krimiserie solche Bilder unterzujubeln. Davon müssen nicht besonders viele Leute etwas wissen oder erfahren. Dazu müssen noch nicht mal besonders viele Leute wegschauen. Selbst die Requisitin mußte doch im Grunde gar nichts über die Herkunft dieser Bilder wissen.

    Warum soll sie ausgerechnet wissen, wer in Thüringen auf Fahndungsplakaten gesucht wird?

    Jedenfalls wissen wir doch, daß Geheimdienste in der Regel sehr findig sind, wenn sie irgendwem irgendwas “zuspielen” wollen oder “unterjubeln” wollen.

    Für mich, der ich hier nicht mehr an “Zufall”, “Versehen” etc. glauben kann und will, stellt sich vielmehr die Frage:

    Welche “Magie”, welche “magischen Rituale”, was für magisches Denken steht hinter solchen bildlichen Darstellungen? Und wer möchte sich hier so mächtig fühlen, daß er lange bevor das mutmaßliche Mordtrio bekannt wird, schon solche Anspielungen und Andeutungen in die Massenware Krimi glaubt einfließen lassen zu müssen?

    Und wie ist diese Frechheit, so etwas zu tun, eigentlich einzuordnen?

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