Energy Game Neuigkeiten vom Rohstoff- und Computerspielemarkt |
April 2006 Alte
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Computerspiele können lehrreich sein. Manche Forscher bemühen sich, dies zu beweisen - so laut der "taz" die Kölner Diplom-Sozialpädagogin Nadja Kraam: "Je nach Spieletyp werden kombinatorisches, taktisches oder strategisches Denken geschult, Actionspiele fördern zumindest die sensumotorische [sic] Fähigkeiten." (taz-Artikel) Liest man in einem Gamer-Forum, klingt das oft schon etwas unakademischer. So etwa im Promotion-Interview mit dem Spieledesigner Olivier Ledroit: "Die Universen, die ich in meinen Comics zeichne, sind düster, kriegerisch und gewalttätig. Genau in diese Richtung wollte Erwan die Welt von Might&Magic befördern." Hier einmal eine Synopse zu zwei sehr disparaten Themen: Passagen zweier Artikel, die heute, am 19.04.2006, in der "taz" und auf "SPIEGEL online" zu lesen sind. Die Themen: Interview mit dem Microsoft-X-Box-Manager Chris Lewis von Christian Stöcker und die Entwicklung des Ölpreises von Bernhard Rohkemper und Benjamin Wünsch. Ziel des Experiments: Wie verhalten sich Logiken und Stimmungslagen solcher Texte zueinander? Schließlich sind es ja z.T. dieselben Konsumenten, die das eine und das andere betrifft: Die Kaufentscheidung für die Hardware zum Freizeitvergnügen und die Frage, mit welchem Kraftstoff man bis zum nächsten Fachgeschäft fährt - oder womit der Lieferservice sich fortbewegt. Hat beides nun gar nichts miteinander zu tun? Wenn "strategisches Denken" in Computerspielen geschult wird, wenden wir es dann auf die - nicht ganz unbedeutende - Frage an, mit welchen Energiequellen wir in Zukunft unseren Bedarf decken?
Was auf den ersten Blick disparat scheint, muss es auf den zweiten Blick nicht sein. Beide Texte reden in erster Linie von wirtschaftlichen Entwicklungen, sie reden von Absatzzahlen und Literpreisen. Während der Spieledistributor in Steigerungen schwelgt, bewirken u.a. Steigerungen des Energiebedarfs (hier ungenannt der boomenden Märkte etwa in China) erhöhte Preise auf dem Weltmarkt, was die Verbraucher stärker belastet. Während dies nur eine logische Umkehrung darstellt (Gewinn durch stärkere Nachfrage / höhere Preise durch stärkere Nachfrage; beide Nachfragen können zunächst erfüllt werden), zeigen sich im Folgenden logische Differenzen: Die Spielhersteller tanzen nach ihrem "eigenen Rhythmus", während der Rohstoffhandel von internationalen Loyalitäten abhängig ist. Diese logische Differenz durchzieht die folgenden Textpassagen, obwohl es thematische Parallelen gibt. Während es in der Spielebranche autonome Entscheidungen zu sein scheinen und alles auf die angeblichen Bedürfnisse von Verbrauchern abgestimmt wird ("den Konsumenten eine Auswahl zu bieten"), ist die Frage nach der Energieversorgung von unberechenbaren, z.T. unlösbaren Faktoren sanktioniert (weshalb die Nachfrage nicht oder nicht unbedingt dauerhaft erfüllt werden kann): diplomatische Verhältnisse, Rohstoffvorräte, ökologische Folgen. Während die Spieleindustrie in Rhetoriken des Hedonismus spricht ("damit die Konsumenten [...] genießen können"), ist auf der anderen Seite von gesetzlichen Restriktionen des Konsums die Rede ("gesetzliche Festschreibung des Drei-Liter-Autos"). Während der Microsoft-Funktionär davon schwärmt, aus etwas "Kapital zu schlagen", sind auf der anderen Seite zunächst unüberschreitbare Grenzen des Konsums spürbar ("reichen jedoch die deutschen Ackerflächen nicht aus"). Auf der einen Seite scheint es klare Kosten-Nutzen-Rechnungen zu geben ("belastet die Verbraucher nicht mit einem Kostenfaktor, der möglicherweise vergeudet ist"), auf der anderen sind sich Menschen im Umgang mit ihren natürlichen Lebensgrundlagen über Ursachen und Folgen alles andere als einig ("vermeintlich neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung aus Palmöl ist eine Milchmädchenrechnung"). Dabei geht der Microsoft-Manager von einer vermeintlich gesicherten Semantik aus ("vergeudet" heißt hier scheinbar etwas ganz Bestimmtes, und der Verbraucher kann sich angeblich sicher sein, bei diesem Anbieter nichts zu "vergeuden"), während sich "Palmöl" gut anhört (mindestens so gut wie 'nichts vergeuden'), eine semantische Klärung des Signifikanten ("In den letzten zehn Jahren verschwand allein in Indonesien ein Viertel des Regenwalds") jedoch die Wortbedeutung schnell in Frage stellt. Wer nach anderen Bedeutungen des Wortes "vergeuden" im Zusammenhang mit Computerspielen fragt- Umweltrelevanz der Produktion von Hard- und Software, Zeitökonomie des Spielens und deren psychosoziale Folgen -, hat es schnell mit ähnlich schwierig zu klärenden Zusammenhängen zu tun. Im Interview mit Verantwortlichen lassen Presseorgane wie "SPIEGEL online" das deshalb lieber sein. Der ideologische Autismus von Industriellen soll so lange wie möglich nicht gestört werden. Und wird es auch nicht. Es sind, wie gesagt, dieselben Konsumenten, die diese Rhetoriken und Probleme betreffen. Die Frage bleibt, ob diejenigen, die es angeht, jene Informationen, die sie als Voraussetzungen ihres realen Handelns benötigen, in gleichem Maße erreicht. Es stimmt zumindest nachdenklich, dass es in jenem Bereich, der von realer Lebenswelt weitgehend abgekoppelt ist - den Fantasiegefilden der Spiele - Rhetoriken der Fülle und Verheißung vorherrschen und eine enorme und noch zu steigernde Konsumbereitschaft vorfindlich ist, während existenzielle Voraussetzungen des Lebens auf diesem Planeten nicht dieselbe öffentliche Aufmerksamkeit genießen. Sie finden für das Publikum nur in den entsprechenden Rubriken von Zeitungen, Fachzeitschriften, Internetforen oder auf speziellen öffentlichen Veranstaltungen statt, die man meiden kann. Und sie werden gemieden, was zur Folge hat, dass sich mit den entsprechenden Fragen nur diejenigen befassen, die sich ohnehin für sie interessieren, während die anderen sie schlicht ignorieren - schlimmstenfalls amüsieren sie sich noch über diejenigen, die sich damit das Leben scheinbar unnötig schwer machen. Die Spezialisierung des Interesses und die Segmentierung der betreffenden Öffentlichkeit gilt auch für Computerspiele und ihre Rezeption - nur, dass unser Leben und das unserer Nachkommen davon nicht abhängt. Dass
es staatliche Sanktionen wie die von Umweltschützern gewünschte
Etablierung des "Drei-Liter-Autos" in einer Kultur schwer haben werden,
in der Industrieunternehmen stärkeren publizistischen Aufwand betreiben,
"alle Arten von Spielern anzusprechen, Familiengruppen, jüngere Spieler,
ältere Spieler, Männer und Frauen", um ihnen "HD-DVD-Geräte"
zu verkaufen, die "alle Voraussetzungen erfüllen", ist nur allzu
wahrscheinlich.
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