Gepunchte Metaphern 2

Zur Presse-Rezeption von Clint Eastwoods "Million Dollar Baby"

von Daniel Hermsdorf

März 2005

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Zum Text über Eastwoods Film findet sich hier eine sortierte Übersicht von Zitaten aus deutschsprachigen Presse-Rezensionen, die im Netz, zumeist auch in einer Print-Version in der jeweiligen Tageszeitung publiziert worden sind.

Die Absicht ist hier, meine eigenen Aussagen zu dem in Beziehung zu setzen, was in anderen Texten zum selben Thema zu finden ist. (Bis auf kleine Korrekturen ist mein Text in Unkenntnis der anderen Veröffentlichungen entstanden.) Dabei wird ersichtlich, dass auf der ersten Sinnebene des Textes oft entgegengesetzte Aussagen gemacht werden. Allenfalls auf einer Anspielungsebene können ähnliche Gedanken der AutorInnen vermutet werden. Dies - ähnlich den Erwägungen zu Eastwoods Film - hier ausführlicher zu besprechen, wäre wohl zu viel des Guten.

Auch in dieser Form mag das Ansinnen pedantisch wirken. Aus meiner Sicht lassen sich so jedoch einmal exemplarisch zwei Aspekte von Presserezensionen verstehen. Das eine ist - innerhalb der umfangmäßig beschränkten Form - eine gewisse Stereotypie von Form und Inhalt. In Konfrontation mit meinem eigenen polemischen und auch vor Obszönität nicht zurückschreckenden Text, der in seiner Herstellung keinen weiteren pragmatischen Anforderungen ausgesetzt war, wird hoffentlich deutlich, dass in dieser Stereotypie immer auch eine Gefahr lauern kann. Ob diese Gefahr im Fall von Eastwoods Film groß oder gering einzuschätzen ist, mag schließlich jeder selbst entscheiden. Wenn - und dies wird von mir in meinem Text suggeriert und nach Möglichkeit inhaltlich erklärt - aus den zeichenhaften Strukturen eines Films Bedeutungsebenen abzuleiten sind, die einer ersten Sinnebene äußerlich sind oder dieser diametral widersprechen, kann dies jedoch zur Falle werden.

Jeder Film wird von einer Öffentlichkeitsarbeit begleitet oder von vornherein so gemacht, dass er durch bestimmte Charakteristika 'auffällt': Starbesetzung, interessantes Thema, Tabu-Thema, Special effects, Clou am Ende der Erzählung, exotische Herkunft u.ä. Des Weiteren hat jeder Film Aspekte, die fast jede/r RezensentIn erwähnen muss. Im Fall von Eastwoods Film gehören zu diesen beiden Gruppen von Aspekten: Boxer-Drama mit einer Frau in der Hauptrolle; Sterbehilfe-Thematik; Werk des betagten Regisseurs und Schauspielers; Oscar-Prämierungen.

Zu diesen Aspekten finden sich im Folgenden Beispiele aus Presseveröffentlichungen. Die AutorInnen kommen oft zu ähnlichen Beschreibungen und Schlussfolgerungen; der geringere Teil von ihnen fällt ein eher abwertendes, wenn auch respektvolles Urteil über den 'Wert' des Films. In einer solchen Übersicht vermittelt sich eine Art signaltheoretisches Arrangement: Filmemacher halten Karten mit Zeichen hoch, auf die RezensentInnen sprachlich reflexhaft reagieren oder originelle Beiträge liefern.

An dieser Stelle sei nur ein Beispiel erwähnt, weil es in der folgenden Aufstellung in mehreren Rubriken verstreut ist. Der Begriff "white trash" wird mit Bezug auf die Familie der weiblichen Hauptfigur in fast allen hier zitierten Rezensionen verwendet. Als einziger nimmt sich Daniel Kothenschulte (Frankfurter Rundschau) die Zeit, über die inhaltliche Valenz dieses Begriffs für Eastwoods Film nachzudenken: "Man macht sich gewöhnlich nicht viele Gedanken darum, wenn das amerikanische Lumpenproletariat als "white trash" bezeichnet wird, 'weißer Müll'. Gespenstisch ist es jedoch, dies einmal konsequent beim Wort genommen zu sehen. Zwar lässt Eastwood an der Würde seiner Hauptfigur keinen Zweifel aufkommen, doch die zeigt er allein als eine Flamme der Erleuchtung, als spirit, der von Hilary Swank als konzentrierte Anspannung in jeder Szene spürbar gemacht wird. Ihr Leben habe sich in ihrer Boxerinnenzeit erfüllt, wird sie dem Mann erklären, der sie zu diesen Glücksmomenten geführt hat. Nun ist es an ihm, ihr Leben auch technisch zu beenden." (7) Kothenschulte zieht nicht dieselben zynischen Konsequenzen wie ich, aber er verweist auf eine metaphorische Ebene des Begriffs, der eine tragische und menschenfeindliche Bedeutung ahnen lässt, die im Film enthalten ist.

Außerhalb der folgenden Kategorisierung sei zudem angemerkt, dass der Umgang mit Eastwood als Kino-Veteranen von Ehrfürchtigkeit gekennzeichnet ist, die kein staatlicher Würdenträger in westlich geprägten Industrienationen in Pressetexten zu erwarten hätte. Polemisch gesagt, scheint das Rezept dafür, von Journalisten im Alter mit Respekt und Hochachtung behandelt zu werden, jenes zu sein, mehrere Jahrzehnte mit einem guten Gespür für Triviales gewaltgesättigte Filme zu veröffentlichen, um dann ab dem Alter von ca. 65 Jahren eher melancholische Filme selbst zu inszenieren, in denen die alten Geschichten zwar wiederkehren, hier aber mit Herzklappenproblemen und Ganzkörperlähmungen verrührt werden.

Wenn gerade nicht das nächste Schul-Massaker ansteht, kann man eben unbekümmert Revolverhelden bewundern. So Katja Nicodemus (Die Zeit) über Clint Eastwood: "Der Mann, der als Kopfgeldjäger und Cop mit der 44er Magnum zu unser aller Aufräumer-Fantasie wurde. (...) Und der noch vor drei Jahren in Blood Work zeigte, dass er immer eine kleine Pumpgun im Kofferraum hat, da, wo bei anderen die Einkaufstüten neben dem Reserverad liegen: »Make my day.«" Dabei könnte die Autorin an jener Stelle einmal Luft holen und nachdenken, wo sie auf Eastwoods letzte Filme unter eigener Regie zurückblickt und ihn als "an der Polizeigewalt zweifelnden Sheriff (A Perfect World)" sieht. (3) Welche "Polizeigewalt" könnte da wohl noch gemeint sein, wenn nicht die notwendige, die friedfertige Menschen vor Verbrechern schützt? Vor Verbrechern, die - neben anderen Gründen für Verbrechen - ihre tödlichen Männlichkeitsfantasmen aus Filmen von Eastwood & Co. entliehen haben? Was Polizisten als erste am eigenen Leibe spüren? Und was ist aus der Dunn-Figur im aktuellen Film zu schließen? Diese ist laut Nicodemus "einer jener Eastwood-Helden, die der Gewalt entstiegen sind, die in Gewalt denken und sie doch in der Tiefe ihres Herzens fürchten und verachten." Aber die Gewalt auf der Leinwand aus der Tiefe ihres Herzens lieben und verehren? Oder die die Filme ihrer schauspielerischen Vergangenheit zwar mittlerweile als Motor der Gewalt in einer mit Waffen gespickten amerikanischen Privatsphäre empfinden, dies aber nicht sagen können? Weil sie dann aufhören müssten? Und stattdessen Filme machen, die so vergiftet sind wie die letzten Werke Eastwoods? Um sich auf ihre Weise von dem zu distanzieren, was sie - unter anderem - getan haben? Was aber kein Rezensent so sieht? Oder meint das Gerhard Midding, wenn er schreibt: "Es sind kunstvoll verschleierte Wortwechsel, die die Unergründlichkeit respektieren, die einst Eastwoods Markenzeichen als Westerner und Polizist war, diese aber längst als rührend anachronistisch überführen." Und es reicht wohl, wenn andere sich mit schwierigen Themen befassen: "Die Frage nach Schuld und Erlösung bedrängt Eastwood stärker von Film zu Film. [...] Aber das Alterswerk dieses einstmals kaltblütigsten aller Hollywoodstars lässt keinen Zweifel daran; er glaubt an die Unentrinnbarkeit des Gewissens." (8)

Diese Erwägungen mögen verquält oder altmodisch wirken, und eine bestimmte Avantgarde in Wissenschaft und Presse mag sich seit Jahrzehnten auf eine sprachliche Ebene zurückgezogen haben, die zwar Anklänge von derlei kritischen Haltungen noch enthält, sich aber nicht dem Vorwurf aussetzen will, einer 'postmodernen Frivolität' mit stalinistischer Kunstdoktrin und ideologiekritischen Ambitionen begegnen zu wollen. (Aufgrund hermetischer Tendenzen in Filmerzählungen und Publizistik schließt hier die Tabelle - als Höhepunkt des Pedantismus - mit einer Auflistung von Rechtschreibfehlern.) Wie dem auch sei: Der Eindruck, der in einer solchen Parallel-Lektüre von Presseveröffentlichungen und ihrer kritischen Befragung auf ihr inhaltliches, logisches und sprachliches Verhältnis zum Primärtext entsteht, kann hoffentlich hier und da überzeugen im Hinweis auf den prekären Status von Zeichenbedeutung in einer massenmedial geprägten Öffentlichkeit. Man kann hieraus polemische Schlussfolgerungen ziehen (siehe etwa auf dieser Website meinen Text Die 1000 Lügen des Kinos). Es ergeben sich aus meiner Sicht auch komische Effekte, wenn die divergierenden Lesarten hier aufeinander treffen.

Dennoch ist die folgende Gegenüberstellung weder Selbstzweck noch ein Produkt von Langeweile. Die Konsequenzen von Bedeutungsverschiebungen können individualpsychologisch, kulturell und sozial ernst sein. Für die Industrie des Films und ihre Produkte mag das gelten, was Jean-Luc Godard in "Nouvelle Vague" (F / CH 1990) ebenfalls enigmatisch in eine Sentenz fasst: "Ägypten… Leute, die sich seit 4000 Jahren über uns lustig machen."

 

Text auf dieser Website Presserezension
Die Erklärung der Metapher geht zum Beispiel so: Eastwood karikiert in seinem Film die märchenhafte Karriere einer für den Ruhm zu allem entschlossenen Frau. Dass dies eine Metapher für die Karriere in Hollywood sein könnte, wäre damit noch nicht plausibel. Kulturjournalisten assoziieren da lieber eine neue Variante des american dream.  

Die junge Boxerin, die den männlichen Zweikampf sucht, um ihrer lieblosen Mutter und ihrer verlorenen Familie zu helfen, wird vom Leben zerstört, ohne daß der Film daraus einen anderen Sinn gewönne, als menschliche Größe im absurden Scheitern zu zeigen.

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Schon der billig blinkende Titel verweist mit milder Ironie auf die amerikanischen Sportfilme und Rocky-Geschichten, in denen sich ein Underdog den Aufsteigertraum zurechtboxt. Million Dollar Baby beginnt mit der alten amerikanischen Helden-Geschichte.

3

Ein rechter Boxerfilm, wie sie sein Verleih, die Warner Brothers, schon früher machten, will er zwar nicht sein, dafür aber ein Melodram des sozialen Ausbruchs.

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Der Boxfilm ist ein kurioses Genre: Kaum je geht es um den Sport an sich. Im klassischen Hollywoodkino steht er für die rabiate Variante des amerikanischen Traums. In seiner Dramaturgie von Aufstieg und Fall, vom Widerstreit zwischen Integrität und Korruption fungiert er, dem Gangsterfilm nicht unähnlich, als Gleichnis für die Gesellschaft.

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Man kann "Million Dollar Baby" in die Boxfilm-Tradition stellen, denn er handelt von der jungen Maggie Fitzgerald (Hilary Swank), die den alternden Trainer Frankie Dunn (Eastwood) überredet, ihr die einzige Chance ihres Lebens zu geben; aber eigentlich geht es nicht um die Kunst des Faustkämpfens, sondern darum, wie man Achtung und Selbstachtung erringt. [...]
Eine Weile wandelt "Million Dollar Baby" auf klassischen Tellerwäscher-Pfaden; hinter dem Sandsack, auf den Maggie verbissen einschlägt, hängt die uramerikanische Devise "Gewinner bleiben einfach länger dran als Verlierer". Und ja, das Rezept funktioniert, und Maggie schlägt sie reihenweise K.O. und erboxt sich ein Häuschen für Mutti und einen Titelkampf.

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Beginnen wir zur Stärkung des Gegenarguments bei einem deutlichen, aber peripheren Element des Films. Der Boxtrainer Frankie gibt sich als Feingeist. Er interessiert sich für Sprachen, und in der Zeit, als er Maggie trainiert und auch, als er ihr am Krankenbett Beistand leistet, lernt er Gälisch. Er gibt ihr den Spitznamen „Mo Cuishle“, nach dessen Sinn sie ihn vergeblich fragt, obwohl sie einen Mantel mit entsprechendem Aufdruck bei Kämpfen trägt. Er wird ihr den Sinn der Worte erst erklären, wenn sie ihren großen Sieg errungen hat.
Wer das nicht skurril nennt, denkt weiter. Es ist nicht so schwierig. Die Bedeutungspluralität sprachlicher Zeichen wird hier betont. Man kann in einer anderen Sprache sprechen, und der andere versteht es nicht, obwohl er einen Namen in dieser Sprache trägt. Eastwood konstruiert eine sprachliche Barriere zwischen seinen Filmfiguren, die das Problem der Übersetzbarkeit und sprachlichen Mehrdeutigkeit auf die Ebene des Filminhalts hebt; darüber hinaus ist seine eigene Verwendung des Gälischen in seiner Schreibweise fehlerhaft (siehe http://www.irish-sayings.com/love.php), was insofern als ein weiterer hinweisender Widerhaken verstanden werden kann.

 

Eastwood weiß, wo die Kamera stehen und wie lange ein Bild stehen muß, um seine volle Wirkung zu entfalten. Deshalb kann Frank auch Yeats lesen und Keltisch lernen, er kann Maggie den Namen "Mo Cuishle" geben, was "mein Blut" oder "mein Schatz" heißt.

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"Mo Cuishle" ist der Name, den Frankie ihr gibt (und dessen Bedeutung sie erst ganz am Ende erfahren wird). Ein amerikanischer Alptraum.

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An seiner Yeats-Lektüre hat Frankie vielleicht auch seinen Fatalismus geschärft. Vielleicht liegt es aber auch an den ungeöffneten Briefen, die sich abends, wenn er nach Hause kommt, auf seiner Türschwelle stapeln.

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Zur Entspannung liest er Yeats (auf Gälisch!), denn natürlich ist Boxen eine intellektuelle Beschäftigung. Wer das nicht kapiert hat, wird es im Ring sowieso zu nichts bringen.

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Frankie Dunn ist in vieler Hinsicht ein alter ego des Autors, auch er pflegt einen verstohlen intellektuellen Zeitvertreib, lernt Gälisch, um Yeats im Original lesen zu können.

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Eastwoods unsentimentaler Humanismus, eine abgeschwächte Form von Altersstarrsinn, gefällt der Filmkritik. In "Million Dollar Baby" hört man ihn sogar das erste Mal schluchzen. Frankie schleppt auch immer einen alten Yeats-Schmöker mit sich rum, den er auf Gälisch liest. Wie kauzig. Weitere Fragen werden nicht gestellt.

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Dunn nimmt nicht mehr wirklich teil am Leben, will sich auf nichts Neues mehr einlassen – außer Gälisch lernen vielleicht –, will keine neuen Kämpfe mehr ausfechten.

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Mörderische Haken bekommt Maggie von einer Gegnerin ab, die aus Ostberlin kommt, einer Hälfte der in der historischen Zeit der Handlung geteilten Stadt (zwei geografische Hälften / zwei Sprachen > clash as clash can). Sie ist eine ehemalige Prostituierte, womit wir beim nächsten Thema wären.  

Diese überzeugende Konstellation deckt jedoch nicht alle Schwächen des Drehbuchs zu. Angefangen von Frankies Beziehung zu einem Pfarrer, die zusammenhanglos im Raum steht, bis zu üblen Klischees, von denen nur das der osteuropäischen Kampfmaschine genannt sei. Darüber werden nur eingefleischte Eastwood-Fans hinwegsehen können.

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Durch den Hinterhalt einer ostdeutschen Gegnerin schwer verletzt, bleibt Maggie nur ein Vegetieren als Querschnittsgelähmte. So bittet sie ihren Mentor, sie zu töten.

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Wieder einmal führt ein abgehalfterter Trainer (Frankie, gespielt von Eastwood) einen Außenseiter zum Titelkampf, wobei die Besonderheit, dass jener Underdog weiblich ist (Maggie, gespielt von Hilary Swank), kaum thematisiert wird. Statt dessen macht sich Eastwood einen Spaß daraus, Maggies Familie als »White Trash«-Karikaturen auftreten zu lassen und ihre Hauptgegnerin als Ost-Berliner Ex-Hure grotesk zu überzeichnen.

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So richtig böse ist in "Million Dollar Baby" eine ostdeutsche Exprostituierte, die im Kampf um den Weltmeisterschaftstitel dem wütenden White-Trash-Girlie hinterrücks einen fiesen Schlag versetzt. Billie "The Blue Bear", gespielt von der viermaligen Kickboxweltmeisterin Lucia Rijker, ist so unsympathisch gezeichnet, dass sie locker alle Ressentiments gegen osteuropäische Sportlerinnen bestätigt. Der Witz geht in "Million Dollar Baby" auf ihre Kosten.

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Lustig ist damit auch die Szene, in der der manische Kirchgänger Frankie seinen Pfarrer nach der Bedeutung der unbefleckten Empfängnis fragt. Filmkultur ist eben eine Kirche, in der nicht wenige täglich die Andacht besuchen.  

Sie führen ein Gespräch über löchrige weiße Socken, zwei alte Grantler, der eine etwas verkniffener und mürrischer, der andere geringfügig freundlicher; und sie agieren dabei mit einer leisen Selbstironie, wie sie auch Frankies Kirchgänge begleitet.

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Tag für Tag besucht er die Messe, führt mit dem handfesten Pater seine eigenwilligen theologischen Dialoge - und schlägt sich dabei auf eine Weise mit Fragen von Schuld und Sühne herum, von denen der Katechismus nichts weiß.

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Eastwoods trockener Pessimismus, der fast jeden seiner Filme seit "Erbarmungslos" (1992) zusammenhält, ist ein seltenes Gut im Hollywood-Film der Gegenwart, noch seltener sogar als seine zutiefst empfundene Ablehnung für traditionelle Institutionen wie Kirche und Gesetz.

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Seit zwanzig Jahren hat er nichts mehr von seiner Tochter gehört, und genauso lange treibt es Frankie schon in die Kirche.

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Jemand wie er, sagt der Priester einmal zu ihm, der keine Messe verpasst, muss schon einen ganz gewaltigen Brocken Vergangenheit zu bewältigen haben.

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Eine anekdotische Nebenhandlung, die Frankie als vom Glauben abgekommenen Katholiken in Gesprächen mit seinem dogmatischen Priester zeigt, unterstreicht dabei das Statementhafte noch.

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Das Altern gerät ihm längst nicht mehr zur Koketterie - wenn es dem skeptischen Katholik Frankie Schwierigkeiten bereitet, sich beim Beten hinzuknien, dann erzählt Eastwoods Körperspiel auch von der spirituellen Leere, die seine Figur weder durch die täglichen Besuche in der Messe noch die hartnäckigen Fragen nach den Glaubensmysterien, mit denen er den Priester peinigt, zu füllen weiß.

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Und Frankie, den es jede Woche wieder in die Kirche verschlägt, obwohl er seinen Glauben längst verloren hat.

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Dunn provoziert seinen Priester gern – Hey, ich hätte da noch ein paar Fragen zur Unbefleckten Empfängnis! –, aber der wird ihm in den entscheidenden Fragen ohnehin alle Antworten schuldig bleiben.

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Eastwood hadert seit ein paar Filmen mit seinem Gott, den es vielleicht nur gibt, damit man noch um ein Wunder flehen kann, wenn das Schicksal längst schon unumkehrbar ist.
Frankie Dunn, den Eastwood spielt in seinem „Million Dollar Baby“, geht jeden Morgen in die Kirche, aber sie bleibt ein Grabmal Gottes. Er betet dauernd und findet im Glauben weder Trost noch Zuflucht.

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Die Sexualisierung weiblicher Gestalten in Filmen filmisch zu thematisieren, ist auf verschlüsselte (Hollywood) und unverschlüsselte Weise (Godard) immer wieder geschehen. (Godard wird selten oder gar nicht gezeigt und muss deshalb durch den Metaphern-Filter eines Puritanismus, der beim Freudschen Verschieben leider alles nur noch schmuddeliger macht.) Eastwood verlegt sich also auf die erste Variante und setzt seine Hauptdarstellerin hinter eine Windschutzscheibe, von der er selbst an einer Tankstelle die milchige Reinigungsflüssigkeit abwischt. Der Blick auf die Frau durch die Scheibe im Rahmen, die rinnenden Sekrete.
Beim „Scheibenwi(s)ch(s)en“ denkt der Filmfreund auch an eine Szene in Claude Chabrols „Violette Nozière“, F 1978,
in der eine Frau in ein Auto steigt und - sichtbar durch die Windschutzschreibe mit Scheibenwischern - beinahe vergewaltigt wird, während auf dem Soundtrack (Komponist: Pierre Jansen) Jürgen Kniepers Erkennungsmelodie von Dieter Hildebrandts politischer Kabarett-TV-Sendung „Scheibenwischer“ anklingt – wenn man es so hören will (siehe Real-Video [206 KB] oder MPG [7 MB]; Copyright). Mal nicht zu schweigen von der Szene in Lars von Triers „Forbrydelsens Element“ (The Element of Crime, DEN 1984), wenn Fisher (Michael Elphick) mit Kim (Me Me Lai) auf der Motorhaube Analverkehr hat, während sie sich an den in Bewegung befindlichen Scheibenwischern festhält (Selbstkommentar: „screwing a Volkswagen“).
In diesem Kontext ist auch das fortgesetzte Zitronenkuchenessen der Filmfiguren Eastwoods bemerkenswert. Hier lässt sich an Louis Malles "Atlantic City" (USA / CAN / F 1980) denken, der neben der ersten Szene noch in einer weiteren Sally Matthews (Susan Sarandon) leichtbekleidet zeigt, während sie sich mit gepreßtem Zitronensaft einreibt und ihr Nachbar Lou Pascal (Burt Lancaster) sie dabei heimlich beobachtet, was er ihr später gesteht.
Um noch einen Augenblick bei der Sexualisierung der Figur Swanks zu verweilen: Dreimal wird innerhalb dieses Films auf orale Befriedigung angespielt. Maggie lutscht die kleine Kerze auf ihrem Geburtstagskuchen ab. Als Bettlägerige muss sie einen Stift zwischen den Lippen halten, um eine Vollmacht zu unterschreiben. Bei einem ihrer Boxkämpfe hat Frankie ihr ein merkwürdiges Aufgebot bestellt, der ihrem vom Publikum skandierten scheinbar willkürlichen gälischen Namen den würdigen Rahmen verleihen soll. Eine Kohorte von Dudelsackpfeifern begleitet sie in die Arena, und Frankie kommentiert: „I got you some pipers.“

 

Dann die Gespräche zwischen Maggie und Frankie im Auto, in der Kabine oder beim Essen. Kurze Momente einer großen Zuneigung, getragen von Nähe und unzerstörbarer Loyalität.

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Maggie braucht Frankie, weil sie einen väterlichen Mentor sucht, der an sie glaubt. Frankie braucht Maggie, weil seine wirkliche Tochter seit Jahren alle seine Briefe ungeöffnet zurückgehen lässt. Beide brauchen einander, weil die Welt eine zugige Boxhalle ist. Sie brauchen sich so sehr, dass es kaum auszuhalten ist. [...]
Ein Mann, der sich mit seiner Ersatztochter auf ein letztes großes Abenteuer begibt.

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Den Trainer und seinen Schützling prägen gestörte Familienbeziehungen. Maggies White-Trash-Familie ist ein Desaster - und das Boxen für sie der Weg, das Gefühl zu erlangen, etwas wert zu sein als Person. Frankie macht dagegen aus dem Boxen eine Sicherheitsphilosophie, weil seine Tochter nichts von ihm wissen will. Er lehrt die Kunst, sich zu verbarrikadieren, um nicht getroffen zu werden.

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Sein Plädieren für Selbstjustiz in seinen jüngeren Filmen Blood Work und Mystic River konnte man noch als Spleen abtun. Aber gab es im letztgenannten Film eigentlich noch irgendeinen Grund dafür, den Vergewaltiger mit einem Priesterring auszustatten, abgesehen von einer populistischen Provokation? Million Dollar Baby ist ein Musterbeispiel dafür, was geschieht, wenn einer der größten Künstler seines Fachs sich selbst an eine fixe Idee verkauft.

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Ein eigentümlicher Generationenvertrag wird ausgehandelt in Million Dollar Baby, bei dem die Weitergabe von Erfahrungen sich allmählich als eine Liebeserklärung zu erkennen gibt. Ihre Reflexe und Worte belegen die innere Verwandtschaft von Maggie und Frankie. Seit seinem Western Der Texaner (1974), insgeheim bereits seit den ersten Episoden des Dirty Harry-Zyklus, kreisen Eastwoods Filme um die Idee der Ersatzfamilie. Sein Kino ist bevölkert von verlorenen und adoptierten Töchtern; selbst in Liebesgeschichten wirkt er seither wie ein mitunter linkischer Mentor.

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Die Motivation für das Vater-Tochter-Verhältnis der beiden Hauptfiguren mag dabei etwas schematisch wirken. Doch nicht zuletzt darauf basiert die unaufdringliche Qualität dieses Films.

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Aber die Emotionen sind noch schwerer zu ertragen; Dunn verliebt sich, aber nicht, wie man sich in eine Frau verliebt. Es ist eine väterliche Liebe, absolut rein, sie verlangt nichts zurück und will vollkommen sein.

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„Million Dollar Baby“ ist in vielerlei Hinsicht frischer und kompromissloser und mutiger als das meiste, was junge Filmemacher zu bieten haben, und unter anderem wären Maggie und das Frauenbild, das sich hinter ihr verbirgt, selbst für wesentlich jüngere Filmemacher revolutionär.

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„Million Dollar Baby“ ist auch hier nicht ohne Ironie. Wie in zahllosen anderen Szenen der Filmgeschichte werden inszenatorische Kommentare zur visuellen Präsenz von Hintergründen gegeben. In der Trainingshalle von Scrap (Morgan Freeman) findet sich etwa das rot geletterte Schild „No visitors beyond this point“. Entschuldigung, aber wir sehen. (Freemans oscarprämierte Nebenrolle lässt rassistische Assoziationen durchaus zu, auf die ob ihrer Abscheulichkeit hier nicht näher eingegangen werden soll. Er ist der Erzähler des Films, der einzelne Szenen aus dem Off kommentiert.) Sehr witzig aus dieser Perspektive die Szene, in der Scrap seine in stinkenden und löchrigen Socken befindlichen Füße in der bildlichen Randzone hochlegt, woraufhin Frankie ihm sogar anbietet, neue zu kaufen.  

Eastwood, der Boss, und Freeman, der Hausmeister, liefern sich knickerige Diskussionen über das beste Putzmittel und die Philosophie des Sockenlochs. Ihre Dialoge sind purer Jazz.

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Die Figuren sind vom Leben angezählt, Scrap, der Spitzname von Dunns einzigem Freund (Morgan Freeman), lässt sich mit Schrott übersetzen.

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Ein ebenfalls selbstreferenzieller Motivkreis der Filmgeschichte sind die Untoten. Hier gehört „Million Dollar Baby“ zu der auffälligen Häufung von Koma- und Sterbehilfe-Dramen der letzten Jahre. Auch wenn nicht Komapatientinnen gefickt werden („Hable con ella / Sprich mit ihr“, E 2002; „Kill Bill“, USA 2003) finden sich dabei Anspielungen auf Funktionsweisen filmischer und letzthin nekrophiler Fantasien. Die Paradoxie der lebendigen Anmutung unkörperlicher Schatten auf der Leinwand kann man auch in die Einsicht Frankies über Maggies Koma wenden: „By keeping her alive, I’m killing her.“ Darüber hinaus kann man die unbewegliche Position der bettlägerigen Maggie auch als bittere Parabel auf die Zuschauerposition im Kino und vor dem TV-Schirm lesen.
Sprache, die dritte. Das Verb „to shoot“ wird bekanntlich für ballistische ebenso wie für filmische Verfahren verwendet (wenn „shot“ nicht für Hochprozentiges steht). Schon in dem Junkie-Drama „The Man with the Golden Arm“ (Der Mann mit dem goldenen Arm, USA 1955, R: Otto Preminger) klingt es doppeldeutig, wenn der heroinsüchtige Frankie Sinatra nach dem nächsten „shot“ giert (und dabei nicht selten im Bild vor pictures sitzt). Bei Eastwood wird das Wort in zwei anderen Bedeutungen verwendet. Einmal ist es Scrap, der es im Sinne von „Chance“ verwendet und Frankie besänftigt, der sich Vorwürfe wegen des schweren Unfalls seiner Boxerin macht: „Because of you, Maggie got her shot.“ Das sei mehr, als andere im Leben zu erwarten hätten. Am Ende kündigt Frankie Maggie die erlösende Dosis an: „I’m givin you a shot and you stay asleep.“ Millionen von Filmzuschauern erfuhren ihre Art von Sterbehilfe auch schon in früheren Werken des Schauspielers Eastwood: „Hang ’Em High“ (Hängt ihn höher, USA 1968, R: Ted Post) etc.

Es ist die Zeit, welche die Geschichte braucht, um begreiflich zu machen, warum der Trainer und die Boxerin tun, was sie tun; um eine solche emotionale Wucht zu erzeugen, daß einem die Tränen in den Augen stehen, weil hier eben nicht irgendeine lehrreiche Parabel von Aufstieg und Fall konstruiert oder ein sogenanntes relevantes Thema wie Sterbehilfe verhandelt wird.

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Nach langem Martyrium erbarmt sich der Trainer und gibt ihr den Gnadentod: Eastwood spielt das als einen Akt der Reue und Liebe; und sein Trainer hofft nicht auf Vergebung, er tut das Notwendige und verschwindet dann, als wolle er sich auflösen. Ist es Zufall, daß der "Oscar" für den besten ausländischen Film an den spanischen Film "Mar adentro" (Sea Inside) ging, der ebenfalls die Befreiung eines gelähmten jungen Sportlers (auch das eine wahre Geschichte) schildert, der den Tod nach einem Sportunfall herbeisehnt und ihn durch eine helfende Liebe findet?
Während wir tagtäglich im Fernsehen das qualvolle Lebensverlängern des Papstes beobachten, der sich für sein Amt heroisch ins Leben und in öffentliche Auftritte quält, wird jedenfalls die unheimliche Macht und Ohnmacht der lebensverlängernden Medizin für alle sichtbar.

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Tatsächlich mutet Eastwood nicht nur seinem Helden, sondern auch uns mehr zu als je zuvor. Er zeigt den Albtraum, die andere, grausame, trostlose Seite der Siegergeschichten. Er filmt eine junge Frau, die querschnittsgelähmt in ihrem Bett liegt, und einen Mann, der ihr nicht helfen kann. Er zieht uns immer weiter, immer tiefer bis zur Erkenntnis der absoluten Ohnmacht. Und noch lange, sehr lange, glaubt man, Eastwood, ein Wunderdoktor oder das Drehbuch müssten noch einen Ausweg finden, weil uns das Kino an solche Auswege gewöhnt hat. In diesem Krankenhaus jedoch, in dem Million Dollar Baby alle Farbe zu verlieren scheint, lässt man alle Hoffnung fahren. Was bleibt, ist ein alter Mann, der zärtlich und verzweifelt auf einen gelähmten Körper blickt. Und ein Gewissenskonflikt. Um gottgewolltes Schicksal und würdeloses Leiden. Um das Recht auf Sterbehilfe.

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sein Gesicht, das im scharfen Schattenriss manchmal nur noch Schädel ist

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Scrap sieht seine Biographie mit Gelassenheit, denn immerhin habe er hat [sic] seine Chance gehabt ("I had my shot").

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Wie alle Reizthemen hat auch das Thema Sterbehilfe das Zeug zu einem guten Kinostoff. Zur Zeit läuft in unseren Kinos noch Das Meer in mir, ein Film, der nicht überzeugen kann, weil er ganz auf das Charisma eines geistvollen Individualisten setzt, um den sich jeder kümmert. Mit der Alltäglichkeit solcher Krankengeschichten hat das wenig zu tun. Eastwood wählt einen gänzlich anderen Weg, indem er eine Figur einführt, deren ganzer Lebenssinn in ihrer physischen Arbeit liegt und die somit ihr Lebenslicht de facto aushaucht, als sie sich nicht mehr bewegen kann. "Sie wuchs auf und wusste nur das eine", erklärt Scrap ihre Vorgeschichte aus dem Off, "Sie war trash". Nun hat der Müll sie wieder.

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Doch gerade weil Eastwood die trivialen Aspekte seines Stoffes so kokett hervorhebt, kommen die elegante Einfachheit des Erzählens und die reife Gelassenheit der Inszenierung umso klarer zur Geltung. Diese formalen Qualitäten erlauben es ihm wiederum, sich ganz unprätentiös einer ethischen Frage anzunehmen, wenn der Film sich unerwartet in ein abstraktes Drama über Leben und Tod verwandelt.

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Eastwood hat in den letzten Jahren einen fast puristisch zu nennenden Erzählstil kultiviert. Das ist "Million Dollar Baby" zugute gekommen. Mittellange Einstellungen, sparsame Musikeinsätze (ein paar hingeworfene Bluesakkorde, beste Americana) und das zurückgenommene Spiel seiner Darsteller vermitteln eine Stille, in der bereits eine tiefe Resignation zu spüren ist. Morgan Freemans lederne Off-Kommentare, seine trockenen Pulp-Aphorismen verstärken dieses Gefühl noch. "Million Dollar Baby" besitzt die Schwere eines Requiems.

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Beim US-Start gab es die Diskussion, wie sich „Million Dollar Baby“ verhält zum Thema Euthanasie. Es ist ein bisschen schwer, das Thema zuzulassen, ohne etwas preiszugeben von diesem wunderschönen, traurigen Film. Es geht um ein Dilemma, aus dem kein ethischer Rat heraushelfen kann.
So kann man ohnehin nicht herangehen an ein Kunstwerk, das diese Frage nicht beantwortet und nicht beantworten will – was er macht aus der Geschichte, die Eastwood erzählt, muss jeder selbst wissen.

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Sprache, die zweite. Das Thema des Boxens hat in der Filmgeschichte Tradition. In Eastwoods Film liegt es aufgrund der hier thematisierten Zusammenhänge näher als in anderen Beispielen, an die wörtliche Konnotation zum „box office“, der englischen Bezeichnung für die Kinokasse zu denken. Dass die Filmfigur Maggie auch für den Erfolg am „box office“ kämpft, wird niemand bestreiten. Den pekuniären Aspekt hebt der Titel des Films selbst hervor. Und Maggies Angehörige leben in einem trailerhome, in der ersten Worthälfte das Wort für eine Kinowerbung. Und die Hauptfigur Frankie ist ein "cut man", der die beim Boxen aufgeplatzten Wunden versorgt - und trägt damit assoziativ auch den Filmschnitt in der Berufsbezeichnung.
Weitere Konnotationsreihen kommen hinzu. Eine im Film wiederholte Weisheit Frankies lautet: „Everything in boxing is backwards.“ Rückwärtig in diesem Film wie in jedem anderen ist die Ausstattung der Räume. Hier ergeben sich nicht nur inhaltliche Bedeutungen von Gegenständen, sondern auch ornamentale und anthropomorphe Konstellationen, die die Phänomenalität von Filmgeschichte wesentlich geprägt haben. Eastwood hat zur Betreuung dieser Produktion einen Methusalem des Business engagiert: Henry Bumstead (geb. 1915) arbeitet seit 1948 an der Ausstattung von Filmen wie Hitchcocks „The Man Who Knew Too Much“ (Der Mann, der zuviel wußte, USA 1956); zuletzt waren es nur noch Filme Eastwoods.
„Million Dollar Baby“ ist auch hier nicht ohne Ironie. Wie in zahllosen anderen Szenen der Filmgeschichte werden inszenatorische Kommentare zur visuellen Präsenz von Hintergründen gegeben. In der Trainingshalle von Scrap (Morgan Freeman) findet sich etwa das rot geletterte Schild „No visitors beyond this point“. Entschuldigung, aber wir sehen. (Freemans oscarprämierte Nebenrolle lässt hier „crap“ für „Scheiße“ ohne Umstellprobe lesen, was bei einem schwarzen Darsteller zumindest auf Rassismus anspielt, zumal wenn dann noch in einer Szene das Klo überläuft und Scrap ans Wischen geht. Er ist der Erzähler des Films, der einzelne Szenen aus dem Off kommentiert.) Sehr witzig aus dieser Perspektive die Szene, in der Scrap seine in stinkenden und löchrigen Socken (socks/sucks, Gucklöcher, haha?) befindlichen Füße in der bildlichen Randzone hochlegt, woraufhin Frankie ihm sogar anbietet, neue zu kaufen. In einer Szene bald danach sitzt links im Bild ein Boxpromoter, von dessen Gestalt auf den menschenleeren Hintergrund übergeblendet wird.
In einer weiteren signifikanten Szene sehen wir Dunn vor einem Fenstervorhang in Maggies Hospitalzimmer sitzen. Hier findet sich die visuelle Struktur eines Hämatoms, das wir zuvor an Maggies Bein gesehen haben, als Textilmuster wieder, das in diesem Bild neben Dunns sorgenzerfurchtem Gesicht zu sehen ist - worüber er sich hier sorgt, wird damit vieldeutiger, wenn man die Symbolik des Vorhang-Motivs (theatraler Raum, Stofftuch als Bildfläche) nicht ausblendet.

Es ist ein gedämpfter Naturalismus, der kein großes Aufhebens von sich macht wie manche anderen Filme, welche die Kargheit eines Milieus ostentativ zur Schau stellen.

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Zu Beginn von Million Dollar Baby taucht seine Gestalt wie aus einer verschatteten Erinnerungslandschaft auf. Sie ist ganz gegenwärtig und doch schon Kinomythos, Teil einer Geschichte, die Morgan Freeman mit gelassener Schicksalsstimme erzählt. Die Boxhalle scheint eine Art Endbahnhof, betrieben von zwei Freunden, die vom Leben nicht mehr viel erwarten.

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"Boxen ist ein unnatürlicher Akt", sagt Freeman aus dem Off, so wie es sich für jedes Hardboiled-B-Movie gehört, "denn alles passiert rückwärts. Manchmal ist der beste Punch ein Schritt zurück. Doch wenn du dich zu weit zurückziehst, fightest du plötzlich gar nicht mehr."

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Frankie ist ein Verlorener. Maggie eine Heimatlose, eine aus dem Trailerpark. Dahin, sagt sie Frankie, will sie nie wieder zurück. Also muss er sie mitnehmen – wenn es sein muss, ganz nach oben.

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Maggies Kämpfe sind keine ausgefeilten Box-Choreografien, sondern reine Überlebenskämpfe: raus in den Ring, rein in den Infight und dem Gegner keine Möglichkeit zum Überlegen geben. Bloß nicht zurück in den Trailerpark.

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Alle Boxszenen sind mit einem offensichtlichen Desinteresse am Spannungsgewinn inszeniert. Die Fights enden meist in der größten Frustration für jeden Boxfan, dem schnellen K.O.

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Technik und Strategie des Boxens spielen in Eastwoods Film indes eine für das Genre ungewohnt tragende Rolle, er handelt von Lernprozessen, von Regeln, deren Folgerichtigkeit und Weisheit man erst auf den zweiten Blick begreift. Dem Zuschauer gewähren diese Lebenslektionen das Privileg, sich nach einer Weile als ein Eingeweihter zu fühlen. Paul Haggis´ Drehbuchadaption der Kurzgeschichten von F.X. Toole liefert unverhoffte Innenansichten des Boxsports.

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Der leise Ton und der ruhige Rhythmus dieser Szenen sind so schlicht, dass man übersehen könnte, welcher Meisterschaft solch vordergründige Einfachheit bedarf. Was auch für die zurückhaltende Kameraarbeit Tom Sterns gilt, dessen sparsame, an barocke Helldunkelmalerei erinnernde Lichtsetzung die dramatische Szene ganz selbstverständlich wirken lässt, in der Frankie schließlich über nichts Geringeres entscheidet als sein Seelenheil.

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Als Boxfilm ist Clint Eastwoods 26. Regiearbeit eine kleine Offenbarung. Die Kämpfe sind schnörkellos und direkt wie die Sprache von Tooles Kurzgeschichten, auf denen "Million Dollar Baby" beruht. Sie dauern oft nur wenige Minuten und enden mit einem K. o. Keine ausgefeilten Boxchoreografien, sondern brutale Überlebenskämpfe: Raus in die Schlacht, rein in den Infight, und dem Gegner keine Sekunde zum Nachdenken lassen! Wille siegt über Technik.

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Um nichts in der Welt, hat sie Frankie entgegnet, will sie zurück in den Trailerpark, zu ihrer übergewichtigen Mutter und der jüngeren Schwester, die Sozialhilfe für ihr totes Baby kassiert.

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Ein Mausoleum des Boxsports, für das der Set-Designer Henry Bumstead zu Recht mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Grünlich-braun strahlt das modrige Kunstlicht von der Hallendecke und gibt den Blick frei auf einen Trainingsparcours im fortgeschrittenen Stadium des Verfalls.

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„Statt vor dem Schmerz zu fliehen, was jeder vernünftige Mensch tun würde“, heißt es einmal in dem Film über das Boxen, „gehst du ihm entgegen.“

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Beim Boxen läuft alles rückwärts – manchmal trifft man besser, wenn man einen Schritt zurücktritt, aber manchmal kämpft man dann gar nicht mehr. Die Welt um diese Menschen herum ist brutal, und das Boxen bietet ein Regelwerk, mit dem sie sich nach Kräften zu schützen versuchen gegen die erwartbaren Schläge und die unfairen – aber es gibt immer Momente der Unachtsamkeit, für die man bezahlen muss.

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Man sieht ihn in einer Szene, wie er im Dunkeln sitzt vor dem Fernseher und einen seiner ehemaligen Schützlinge beobachtet, der ihm davon laufen musste, um etwas zu werden.
Schattenboxen auf der Couch wird daraus, Frankie geht in jeder Bewegung mit, als würde es ihn selbst verletzen, wenn einmal die Grundregel nicht eingehalten wird, die er seinen Boxern einbleut – dass immer nur die Deckung zählt.

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Diese Figuren sind aus der Armut, der Chancenlosigkeit in den Elendsvierteln der Städte geboren. Der Filmausstatter Henry Bumstead hat diese Ärmlichkeit in einen sehr schönen, von Menschen verwohnten Raum umgesetzt, Frankies Box-Studio, das mehr Zuflucht bietet als die Kirche – und später wird man sehen, wie Armut aussieht, wenn man ihr das Leben und die Liebe ausgetrieben hat.

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Zu guter Letzt gibt Eastwood der „Popkultur“ seines Landes auch explizit einen druff. Maggies Mutter besucht mit Tochter und kriminellem Schwiegersohn erst einmal seelenruhig „Disneyworld“, bevor sie in der Komastation aufkreuzt – mit dem Ansinnen, ihre Tochter finanziell auszunehmen, und bekleidet mit einem Sweatshirt des Disney-Konkurrenten Warner Bros. (Distributor von Eastwoods Film) und deren Trickfigur Woody Woodpecker.  

Maggies Sippschaft ist ein Haufen geldgieriger Nichtsnutze, die man platter nicht hätte karikieren können. Diese Szenen sind so grässlich geschrieben und inszeniert, dass man kaum glauben kann, dass sie von einem der größten amerikanischen Filmemacher stammen.

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Man macht sich gewöhnlich nicht viele Gedanken darum, wenn das amerikanische Lumpenproletariat als "white trash" bezeichnet wird, "weißer Müll". Gespenstisch ist es jedoch, dies einmal konsequent beim Wort genommen zu sehen. Zwar lässt Eastwood an der Würde seiner Hauptfigur keinen Zweifel aufkommen, doch die zeigt er allein als eine Flamme der Erleuchtung, als spirit, der von Hilary Swank als konzentrierte Anspannung in jeder Szene spürbar gemacht wird. Ihr Leben habe sich in ihrer Boxerinnenzeit erfüllt, wird sie dem Mann erklären, der sie zu diesen Glücksmomenten geführt hat. Nun ist es an ihm, ihr Leben auch technisch zu beenden.

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Wenn etwa Maggies Hillbillyfamilie als Inbegriff des Sozialschmarotzertums dargestellt wird, dann zeigt dies sehr deutlich die Toleranzgrenzen von Eastwoods liberalem Konservatismus auf.

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Gemäß Peter Sloterdijks Klage in den „Regeln für den Menschenpark“ (1999) über die „Briefsachen, die nicht mehr zugestellt werden“, sammelt auch Frankie in „Million Dollar Baby“ die an den Absender zurückgewiesenen Briefe, die er seiner Tochter geschrieben hat – und für die in der Psychologie der Filmhandlung Maggie eine Stellvertreterin ist. Und der gesamte Film ist als briefliche Erzählung konzipiert, erzählt aus der Perspektive Scraps, dessen Off-Kommentare Passagen eines Briefs an die Tochter Frankies sind.
Ohne eine öffentliche Aussprache – Koprolalie? – über die Bedeutungsproduktion von Filmen wie diesem von Clint Eastwood würde die Tragik eines informationellen „error-laden transfer“ (Lars von Trier zur Überspielung von Digitalvideo auf Filmmaterial) auch nach mehr als hundert Jahren flimmernder Leinwände nur noch fortgesetzt.
 

Um zu zeigen, was für ein Mann dieser Frankie ist, dafür braucht der Film nur eine Szene. Er kommt abends nach Hause, er hebt den Brief auf, der unter der Tür durchgeschoben wurde, er geht an den Wandschrank, in dem es sehr ordentlich aussieht, er holt einen Karton heraus, nimmt den Deckel ab und steckt den Brief zwischen die vielen Briefe, die seine Tochter ungeöffnet an ihn zurückgeschickt hat.

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Die unbeantwortet retournierten Briefe, die er an seine leibliche Tochter schickt, sind eine Buße, die er sich allwöchentlich auferlegt. Worin ihr Zerwürfnis begründet ist, verrät dieser Film, der Geheimnisse zu wahren weiß, nicht. Allein das Gewicht von Verlust und Verantwortung will er spürbar werden lassen.

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„Million Dollar Baby“ ist ein Brief von Eddie an eine Frau im Off, im Schatten der Geschichte – ein Voice-Over, in dem Scrap von Frankie und Maggie erzählt, gerichtet an Dunns tatsächliche Tochter, die seit Jahrzehnten jeden Brief ihres Vaters ungeöffnet zurückschickt.
Scrap erzählt ihr davon, wie Dunn als Vater gewesen wäre, wenn er einer hätte sein dürfen ... Das Tochtermotiv ist ein immer stärkerer Motor geworden in den Geschichten, die Eastwood interessieren. Das ist einmal ein Stilmittel gewesen – die Beziehung, die den Helden Eastwood als Figur definiert, ihm Tiefe gibt, die Action drumherum interessanter werden lässt, weil man begreift, was ihn treibt. Er kreist um dieses Thema seit „Dirty Harry“ – da geht es um ein Mädchen, das er nicht retten kann –, bis hin zu Laura Linney, die seine Tochter spielt in „Absolute Power“, die er immer nur aus der Ferne beobachtet, im Bewusstsein, dass seine Liebe nie ankommt.

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Die Behauptung wäre: Das sogenannte „Boxerinnendrama“ Eastwoods enthält wie so viele andere Filme zahlreiche Anspielungen, die man auf das Kino und Massenmedien generell beziehen kann. Dies geschieht – wie eben so oft – nicht unmittelbar, sondern metaphorisch. [...]
Nicht, dass ein Billy Wilder all dies und mehr nicht schon so viel früher, ein Jean-Luc Godard es nicht schon subtiler formuliert hätte – die Namensliste ließe sich endlos fortsetzen. Eine journalistische Öffentlichkeit bleibt für die meisten Filme die einzige, in der eine Reaktion auf diese Diskursbeiträge mit den üblichen Begrenzungen auf Zeichenzahlen festgehalten wird – jenseits mau verkaufter Filmliteratur, die es nur zu ausgewählten Regisseuren und Filmen gibt. Statt der absurden Steigerung von Sendezeiten, der stupiden filmischen Verdopplung eines zur Banalität erniedrigten Lebens, statt den Metaphernkaskaden, zu denen neben Filmkünstlern auch jene RezensentInnen neigen, die es ebenso sehen, aber nicht sagen wollen, wäre im Angesicht eines Todes, wie Eastwood ihn mit geübtem Zynismus zeichnet, eine Zäsur zu wünschen. Sonst bleiben alle nach wie vor – wie seit Beginn des 20. Jahrhunderts – im Kino lost in translation. Oder – in den Worten Scraps, der Frankies Geschichte erzählt – wir bleiben wie der verschollene Frankie und seine filmischen Gefährten „somewhere between nowhere and goodbye.“
 

Keiner von beiden würde das jemals aussprechen, doch diese Beziehung wird zum emotionalen Kraftzentrum des Films - bis zum bitteren Ende. Muß man da noch mal erklären, daß dies kein Boxerfilm ist?

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Aber auch das beschreibt es nicht ganz richtig, denn sein Film ist so selbstverständlich, so anrührend, so brutal wahr, so provokativ ehrlich, daß er gleichzeitig wie ein Stück Natur und wie ein in sich ruhender Film wirkt, der trotz seiner Provokationen selbstverständlich ist.

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Die Vater-Tochter-Geschichte entwickelt sich reibungslos, doch seine Vorhersehbarkeit reicht "Million Dollar Baby" nie zum Nachteil, weil Eastwood einen seltenen Humanismus an den Tag legt. Dieser Humansimus allerdings bedarf auch einmal einer genaueren Untersuchung. Denn am Ende wird "Million Dollar Baby" kein Siegerfilm sein. Und über Verlierer richtet in Amerika immer noch eine andere moralische Instanz als über die Gewinner.

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Nach "Mystic River" bewegt sich Eastwood mit "Million Dollar Baby" (ähnlich auch wie in seinen Spaghetti-Western der 1960er- und 1970er-Jahren), erneut auf dem schmalen Grat zwischen einem fast darwinistischen Verständnis von sozialem Gemeinwesen und einer extremen Ausformung von Humanismus. Humanismus als Form letzter Gnade.

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Bei Eastwood aber stehen die inneren Verletzungen seiner Figuren neuerdings auch symptomatisch für die Versehrtheiten eines Kollektivkörpers. In "Mystic River" projizierte er die traumatischen Kindheitserinnerungen seiner Figuren auf den moralischen Niedergang einer ganzen Nachbarschaft.

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Druckfehler:

"John Houston" statt "Huston" (1)

"Hillary Swank" statt "Hilary" (3)

"immerhin habe er hat seine Chance gehabt" (4)

"Einst ein viel versprechender Boxer, stand er kurz kurz vor dem großen Durchbruch" (5)

"Stille Grösse " (5)

 

 

1 - Körte, Peter: Mit der Faust mitten ins Herz. In: www.faz.net

2 - Karasek, Hellmuth: Der Unbeirrbare. In: www.welt.de

3 - Nicodemus, Katja: Die Welt ist eine Boxhalle. In: www.zeit.de

4 - Hesler, Jakob: Wer wagt, verliert. In: www.filmtext.com

5 - Busche, Andreas: Letzte Gnade. In: www.fluter.de

6 - Mazassek, Volker: Vater und Tochter im gepflegten Clinch. In: www.frankfurter-rundschau.de

7 - Kothenschulte, Daniel: Der Müll hat sie wieder. In: www.frankfurter-rundschau.de

8 - Midding, Gerhard: Hartgesottene Fürsorge. In: www.freitag.de

9 - Römers, Holger: Stille Grösse, edle Klarheit. In: www.stadtrevue.de

10 - Busche, Andreas: Hoffnung wohnt hier nicht mehr. In: www.taz.de

11 - Rodek, Hanns-Georg: Triumph des Erzählens. In: www.welt.de

12 - Vahabzadeh, Susan: Immer auf die Fresse. In: www.sueddeutsche.de

 

(alle Downloads 24. März 2005)

 

 

zur filmdenken-Rezension von "Million Dollar Baby " filmdenken.de-Index