François Hollande und BlackRocks unsichtbarer Larry Fink

Eigentlich sollten Journalisten (also nicht Pressesprecher, Marketing-Experten oder Unterhaltungs-Schriftsteller) Neuigkeiten bewerten, Wichtiges von Unwichtigem trennen etc. Im Fall von François Hollande passiert gerade genau das Gegenteil: Im zweitgrößten Euro-Land, das derzeit an erster Stelle wirtschaftspolitische Probleme hat („Weniger Wachstum, mehr Defizit“, Deutsche Welle, 11.09.2013), stürzt sich ‚die Öffentlichkeit‘ auf den Seitensprung des Ehemanns Hollande. Die Frage bleibt vorerst, und immer wieder, wer ‚die Öffentlichkeit‘ tatsächlich ist. Effektiv sind es vielleicht auch nur dressierte und korrupte Journalisten, die ihre Kunden auf derlei Geschichtchen abrichten. (Just say no.)

Solche Vorgänge bestätigen einstweilen die fiesesten Verschwörungstheorien. Ja, das Publikum wird desorientiert und abgelenkt. Wie in vielen anderen Fällen ist die Relevanz für Zuschauer gleich Null. Basis der Berichterstattung ist ein Niveau, das man für gewöhnlich Kaffeetanten bescheinigt. Doch hier sind es „Qualitätsmedien“, die zum außerehelichen Geschlechtsverkehr eines Staatenlenkers einmal wieder aus allen Rohren schießen (wie einst im Fall Bill Clintons). Es ist dies als Phänomen keine reine Nebensächlichkeit: Wenn es so weitergeht, werden die Rechte der Mehrheit immer weiter abgebaut werden. Denn sie dokumentiert, indem sie nicht einfach abschaltet und protestiert, ihre eigene Unmündigkeit. Sie ist geil auf jede private Information, aber wenn es um ihre eigene Existenzgrundlage geht (Ökologie oder Wirtschaftsnachrichten), schaltet sie wie die vergnügungssüchtigen Kinder wieder um auf ein anderes Programm. So wird das nicht gut enden – und wer noch auf diese Weise pennt, den muss man dringend aufwecken.

Die öffentliche Person François Hollande weckt vor diesem Hintergrund auch das GesichterWissen auf den Plan. Derzeit liegt eine dreifache Verschleierung vor: Die Berichte über den Privatmann Hollande verdrängen in Presse und öffentlichem Bewusstsein die eigentlich wichtigen Nachrichten. Und Hollande selbst ist das Double eines Mannes, der sich nach Möglichkeit aus der Öffentlichkeit heraushält: Larry Fink,  Vorstandsvorsitzender der Investmentfirma „BlackRock“.

Francois Hollande, Larry Fink und die BlackRock-Investment-Elite
Screenshots: CBS /euronews

Die dritte Stufe der Verschleierung besteht darin, dass Larry Fink das Vermögen von Menschen verwaltet, die sich vollkommen im Verborgenen befinden. Dies trifft eingeschränkt auch auf die Teilhaber von BlackRock und, im Fall von Unternehmen als Teilhabern, wiederum auf deren Besitzer zu.

Gerade ist in der ARD-Mediathek noch eine Dokumentation abrufbar, die für den derzeitigen Durchschnitt der Berichterstattung schon relativ weit geht: „Geld regiert die Welt – Die Macht der Finanzkonzerne“ (R: Tilman Achtnich / Hanspeter Michel), in der der Wirtschaftswissenschaftler Max Otte ausführlich zu Wort kommt. Otte macht in der Forschungslandschaft eine seltene Ausnahme, weil er die Machenschaften der Finanzindustrie, hier der Investment-Fonds, deutlich anspricht. Er selbst bemerkt hier, dass es eigentlich schon zu spät ist, dieser Dynamik etwas entgegenzusetzen. Jedenfalls bräuchte es dafür sehr viel kritische Masse im öffentlichen Diskurs. Es bräuchte Massenproteste aller Bürger.

Dies versucht die Doku von Achtnich/Michel durchaus heraufzubeschwören: Sie zeigt in Parallele zu Experten-Interviews und grafischen Veranschaulichungen der globalen Vernetzung des billionenschweren Fonds BlackRock auch die konkreten Folgen seiner Tätigkeit. In Freiburg verfällt ein großes Mietshaus, weil ein von BlackRock gemanagter Träger die Verwaltung übernommen hat – und zur Profitmaximierung die Wohnsubstanz verkommen lässt. An dem Haushaltsgeräte-Hersteller WMF wird gezeigt, dass die Übernahme solcher Firmen durch Fonds, die für ihre Aktienbesitzer arbeiten, Arbeitsplätze kostet und das direkte Verhältnis von Arbeitgebern und -nehmern zerstört. Am Ende verdienen nur noch sehr wenige sehr viel, und die sind weit weg.

Auch die ARD-Doku hat schon etwas Mühe, Larry Fink ins Bild zu rücken. Mal ist er verschattet, mal taucht er nur als Bild auf einem Bildschirm auf. Man erkennt allerdings auch in dieser Darbietung noch deutlich, dass er ein Double des sozialistischen französischen Staatspräsidenten François Hollande ist. Man kann hieraus zwei Deutungen entwickeln: Entweder, die französischen Sozialisten haben einen Mann an ihre Spitze gestellt, der dem höchsten Diener des Großkapitals ähnelt – um diesem etwas ‚entgegenzusetzen‘. Oder es handelt sich bei sozialistischer Politik eher um eine Schauveranstaltung, und Hollande als Double von Fink bedeutet schlichtweg: Verdeckt werden auch von links Interessen der Shareholder bedient. Man wird das an den Resultaten der Politik des Staatspräsidenten ersehen müssen.

Die Finanz-Elite wird sich auch bei der Programmplanung der ARD bedanken, dass sie „Geld regiert die Welt“ am 13.01.2014 um 22.45 Uhr sendete. Zu dieser Zeit liegen viele Menschen schon im Bett oder sind müde – zumal, wenn sie zu jenen gehören, die von Ausbeutung, Lohndumping und Entlassung am Ende betroffen sind. Deshalb ein Lob für den Inhalt – aber in puncto Sendeplatz geht „öffentlich-rechtlich“ anders. Um die Rechte der meisten schert sich nämlich das Investment-Business von BlackRock herzlich wenig. Und das muss öffentlicher werden.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

5 Antworten

  1. irene sagt:

    na nehmen wir lieber den Chip 🙂

  2. irene sagt:

    Habe den Beitrag am gestrigen Abend auch relativ spät gesehen, da Urlaub.

    Unsere Politiker nennen es noch immer globalisierung. Irgendwie haben sie ja auch Recht,- und auch nicht.
    Arbeitnehmer haben keinen Trumpf entgegen zusetzen. Sie arbeiten um zu überleben. Wenn das ins wanken kommt, dann kann man sie “herunterdrücken” bis Minimum.
    Politiker schauen zu, geht ja auch nicht anders, denn sie müssen genau so “spuren”, sonst wird auch hier der Geldhahn zugedreht. Jeder “Schocker” im Kino, ist zu dieser perfiden Wirklichkeit, zum gähnen.
    Die “romantischen Zeiten” sind vorbei…….
    Weitere Demokratieverluste, zwei Gruppen Menschen, von der eine für die andere arbeitet. Ist zwar schon jetzt, aber dann gibts noch ein Ship unter die Haut, damit man durch scannen sehen kann, wer zu wem gehört.
    Oder, einen nicht wünschenswerten Bürgerkrieg, welcher ganz Europa erfasst.

  3. Hartwig sagt:

    Habe den Film gesehen und war entsetzt über die Machenschaften dieser Schattenbank. Wenn das so weiter geht, ist nicht nur unsere Soziale Markwirtschaft sondern auch unsere Freiheit und Demokratie in Gefahr. Wenn ich den o.a. Artikel lese, dann muss ich mich wirklich fragen, wo ist den unsere freie Presse hier geblieben? Ist es nicht Ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit über Blackrock so zu informieren, dass Politik und öffentliche Meinung tätig wird?
    Bisher sehe ich nicht nur schwere Fehler bei der Politik, sondern noch größere Fehler bei der freien Presse.

    • Es klingt für viele immer noch unglaubwürdig und wird mit dem Kampfbegriff “Verschwörungstheorie” besetzt (obwohl es um Fakten geht): Die Presse hat sich nach einem Hoch des investigativen Journalismus in den 60er bis 80er Jahren vielfach zu einem Wurmfortsatz der Eliten entwickelt. Vereinzelte kritische Berichte wie diese TV-Doku finden sich immer noch. Aber es würde eigentlich um wesentlich mehr gehen. Ein Larry Fink müsste quasi täglich in den Nachrichten auftauchen. Was tut er gerade? Was sind die Aktivitäten von BlackRock? Stattdessen werden tausend Scheindebatten angezettelt, die nicht das Wesentliche, die Grundlage – in unserem System: das liebe Geld – betreffen. Das ist nur zum Vorteil derer, die mit dem großen Geld zu spielen wissen – und das Kapital haben, “breit zu streuen”, wie es in der Doku ja an einer Stelle heißt. – Ja, ich sehe auch heute schon eine historische Schuld der Journalisten. Im Praktischen heißt dies: sich dem Mainstream widersetzen, auch den Verlust des Jobs in Kauf nehmen. Sonst muss man das Lied mitsingen – das Lied der Anzeigenkunden und teils wohl auch der Freunde der Führungskräfte, die sich in Elite-Clubs tummeln.

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