Verlust als Sitte

Was kann Kulturpessimismus heute noch bewirken?


Eigentlich nichts, werden Sie antworten, wenn Sie vor der allgemeinen Verrohung und Unterhaltisierung bereits kapituliert haben. Sie? Nein, ein kleines Dorf des guten Geschmacks, Sie vielleicht, sucht immer noch nach Halt in einer Welt, in der es bald nicht einmal mehr Wochenzeitungen geben wird, deren Niedergang Sie beklagen können. Was fehlt - und dies ist wohl gerade hier eine heikle Formulierung -, ist eine starke Hand, und diese, verstehen Sie uns nicht falsch, kann sogar aus so sanft gehäkelten Ärmelchen wie den unsrigen wachsen. Et voilà, ernst gemeint und ins Lupenreine formuliert, ein Wunsch- und Denkzettel für alle, die wir meinen.

Vorschlag 1: Sommerfrischkäse im Feuilleton
Hallodris fliehen die Redaktionen, insbesondere Befürworter fragwürdiger und zeitraubender Vergnügungen aus dem Mulimedia-Sektor sowie Rezensenten von Vilsmaier-Streifen oder Autoren, die Vilsmaier in anderem Zusammenhang erwähnen. Es dürfen keine Titelzeilen mehr formuliert werden, die auf das Theaterstück “Shoppen und Ficken” anspielen. Des weiteren sind alle Bildredakteure zu entlassen, die für den Abdruck von “Big Brother”-Dusch-Fotos verantwortlich zeichnen. Seriöse Presseorgane verzichten freiwillig darauf, Sendungen von “Stefan Raab” im Programmteil auszuweisen.

Vorschlag 2: Politik als Askese
Wahlen werden nicht mehr als Medienspektakel, sondern als Gelegenheiten zur inneren Einkehr verstanden. Auf Fernsehübertragungen wird auch im Vorfeld bewusst verzichtet, um den Stimmenfang von Blendern und verhinderten TV-Darstellern auf dem politischen Laminat zu unterbinden. Anstelle der üblichen Berichterstattung werden zu erwartende Heinrich-Breloer-Dokumentationen über Schwarzgeld-Affären gesendet. Manfred Kanther gerät nach dieser Erwähnung in Vergessenheit.

Vorschlag 3: Neue deutsche Filme
Das Vorhaben Sönke Wortmanns und anderer, nach Hollywood zu gehen, ist zu begrüßen, ggf. zu beschleunigen. Dieter Wedel trägt das Handgepäck und erhält nach dem langen Weg über den großen Teich als Belohnung einen Rasierapparat seiner Wahl und ein Kaufvideo von “Wall Street”. Das Curriculum deutscher Filmhochschulen wird generalüberholt: Ein noch zu bestimmender General überholt Produktplazierer und Kopisten und setzt den einen oder anderen künstlerischen Akzent. Joseph Vilsmaier wird nach dieser Erwähnung der Begriff “Wehrmacht” erklärt, bevor er “Adolf” dreht, in dem es um Hitlers heimlichen Ausritt mit einem Rabbiner gehen soll. Heino Ferch wird untersagt, den Titelsong “Stacheldrahtzaun” zu singen.

Vorschlag 4: Das Ethos des Unternehmers
Thomas Middelhoff verbietet sich selbst. Die Deutsche Bank fusioniert mit der Kreissparkasse Moers-Kapellen und lässt Rolf Breuer von J. Vilsmaier verfilmen. Der Neue Markt verstaucht sich beim Börsengang den rechten Knöchel und erholt sich auf dem Dax. Echelon wird serienmäßig in jedes spitze Brötchen integriert, die Bäckerinnung so zum mächtigsten Geheimdienst der Welt (“Wer früh aufsteht, den belohnt die CIA”). Unternehmern wird der Begriff “Ethos” erklärt.

Vorschlag 5: Das Ethos J. Vilsmaiers
(Raum für Notizen)

Daniel Hermsdorf / Benjamin Heßler Montage: augenfall