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Daniel Hermsdorf, Benjamin Heßler Was wir einmal vermissen würden Den, der zurückschaut, überrascht von hinten,
was da kommen mag. In unserem Fall immerhin: das Ende der Welt, wie
wir sie gerade erst kennen- und liebengelernt haben. Ganz gleich, ob
wir es Y2K oder millenium bug nennen, ob wir Experten bemühen,
die den Computern die Doppelnull abgewöhnen eitles Trachten.
Das Desaster ist im besten Sinne vorprogrammiert. Aus die mouse. Zeit
für den finalen Flashback. Über die letzten 2000 Jahre zu
sprechen, heißt immer auch, über Brüche zu sprechen.
Es ist ein Drahtseilakt, gleichzeitig zu raffen und ins Detail zu gehen,
den Blick des/der Allmächtigen mit den eigenen Dioptrien zu versöhnen.
Unser Blickwinkel: eurozentristisch und dabei nüchtern abwägend;
der Rest sind Geigen.
In Bethlehem erblickte ein Babe namens Jesus die Welt. Es wußte nicht, weshalb dieser Ochse in sein Schlafzimmer gekommen war, und so sollte ein ungutes Gefühl es nie ganz verlassen. Doch das war erst der Anfang. Was sich in den folgenden gut dreißig Jahren laut Überlieferung abspielte, sollte Jesus noch lange anhängen. Vom ersten Schrei bis zum letzten Seufzer von Speichelleckern, Neidern, Gefühlsduseligen und pathologischen Sinnsuchern umgeben es war die Hölle. Schon früh begann er, Opium ans Volk zu verteilen, um wenigstens ab und an seine Ruhe zu haben. Bis zum bitteren Ende behielt er sich vor, zu entscheiden, welche Anekdoten aus seinem Leben kanonisiert wurden. Wenige wissen, daß die Speisung der Zehntausend für den gelernten Konditor eine reine Übungssache war. Kaum überraschend auch das leere Grab: Der Erlöser war aufgefahren in den Himmel. Ein Bucherfolg half der Tradition auf die Sprünge, und seither sind Jesu Wähnen und Werden Allgemeinwissen. "Die Bibel" war vielen Entscheidungshilfe und Leitfaden im Alltag. Ganz so, wie heute die amerikanische Kultur unser Leben erfüllt, lauschten die Damaligen dem mystischen Raunen des Nahen Ostens. Sie waren jedoch auch fähig, den Irrationalismus mit erlernten Tugenden ihrer Heimat zu versöhnen. Die Kreuzzüge wären ohne ritterliche Kultur sicherlich zu Mummenschanz verkommen. So aber fand der Geist des Nordens ins Mekka des Christentums und verpaßte dabei manchem am Wegesrand einen herz-, nicht selten auch schmerzhaften Denkzettel. Der Einfluß von "Codename: Jesus" war allgegenwärtig. Auge um Auge stachen sich die Rivalen die Glubscher aus, bis sie die Unterscheidung von Altem und Neuem Testament durchgeholt hatten. So fanden auch die softskills wie Barmherzigkeit und Unempfindlichkeit gegen Ohrfeigen immer mehr Anhänger. Bis zu einem viel späteren Zeitpunkt ging es in Europa höchst sakrosankt her. Doch selbst Gallonen von Meßwein konnten nie vergessen machen, worum es eigentlich ging. Viel früher war die erste Tier-Serie entstanden. "Black Bukephalos" und sein treues Herrchen Alexander hielt ein Millionenpublikum in Atem und sorgte ganz nebenbei für die Unterwerfung des Okzidents. Das Merchandising lief auf Hochtouren: Tausende erwarben die Mosaik-Lege-Sets für das heimische Herrscherbild und befaßten sich wie der berittene "Große" mit den Werken großer Denker der griechischen Antike (Heidexeros' "Sein zu zweit", Hubardopoulos' "Dianetik", Pythagoras' "Mathematik Sek. I" inklusive der berühmten Äpfel- und Birnengleichnissen und "a hoch 2"). Für die Sieger hochkultureller Jeopardy- Marathons gab's Abitur, der Rest starb dumm. Babystrich war Chefsache und Massensport zugleich. À propos Caesar: Der römische Imperator hatte die Faust dick. Sicherlich hätte er größere Bedeutung in der Historie erlangt, wenn, ja, wenn nicht seine Leidenschaft für unsere vierbeinigen Freunde den Senatsdebatten ein Schnippchen geschlagen hätte. Caesars Amtszeit war geprägt von langwierigen Diskotionen, wessen Sklave das Yorkshire-Terrier- Pärchen Romulus und Remus Gassi führen sollte. Ihre "Sieben Häufchen" avancierten zum Sinnbild der römischen res publica, rochen jedoch unangenehm und wurden irgendwann weiß, trocken. Caesar hatte sich derweil zum Commissarius Rex hochgewedelt und war sich dementsprechend für nichts zu schade. Auf seinem Altenteil, der Hundefarm "Politeia", brachte Caesar schließ1ich sein Vermächtnis, das Hundebuch "Bello Gallico", auf die damals gebräuchliche gegerbte Gotenhaut. Die Passagen über das Trojanische "Pferd" verursachten einen mittleren Skandal. Als Romulus und Remus von der Räude befallen verendeten, machte die Trauer Caesar zynisch. Seine letzten Worte "Beiß zu, Brutus" machen die Suizidvermutung plausibel, aber Verschwörungstheorien boten auch damals schon Raum für Spekulationen. Was bleibt? Mal wieder nur die Frisur. Insgesamt waren die Jahre um Null epochal, obwohl ihre Bedeutung oft unterschätzt wird. Immerhin begann hier die Zeitrechnung, weswegen ein Theaterbesuch drei Tage dauern konnte. Völkermord und erste Höhepunkte abendländischer Kultur machten es sich miteinander bequem. Nie wieder sollte es so schön sein wie damals. Und damals wie heute. 2. Karolinger auf dem Prüfstand Weil sich Alexanders Beiname so gut gemacht hatte, wollten auch andere
Herrscherdynastien ihre Sprößlinge attributiv aufs Trockene
bringen. Sehr witzig: "Karl" der Große. Auch wenn
oder gerade weil das Balg ein Spröß1ing des anrüchigen
Pippin war, sollte irgendwann ganz Europa von ihm eingenommen sein.
(Fortsetzung in der Dezember-Ausgabe) |
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