Die schöne bunte Welt der Klone (1)

Chromoneysome

Vor nicht allzu vielen Jahren galt der Klonstaat noch als wirre Vision. Heute beherrschen Diskussionen über die heißesten Chromosom- Samples die Stammtische, und manch ein Elternpaar bereut schon seine Klonlaunen, in denen es sich Tennisspielerinnen oder spektakuläre Magier zum Nachwuchs erkor.

Wachsame Rückschau ist nicht nur angebracht, sondern auch notwendig. Diese kleine Serie will Ihnen ein Kompendium an die Hand geben, will Fragen aufwerfen, Antworten suchen. Wie hat sich unsere Wirtschaft verändert? Wie die Politik? Die Gesellschaft? Kultur? Kurz: Wo Gen wir hin?

Ein Aufschrei ging durch die Welt der Ökonomen. Als der geklonte Albert Hofmann im Jahr 2006 das Ins-Geld-Gen entdeckt, steht die Leverkusener Labörse kopf. Der Deutsche Gen Index (DGX) klettert auf seine bisherige Höchstmarke.

Bei seinen Untersuchungen am Erbgut von Finanz-Tycoonen stieß der späte Wiedergänger des Halluzinogen-Erfinders auf eine identische Säurekonstellation, die sonst nur bei Alligatoren, Pillendrehern und Pferdebremsen nachgewiesen werden konnte. Verschlagenheit und unstetes Gemüt waren bisher mit der Kombination CGYA- YGAC in Verbindung gebracht worden; nun gesellte sich Geschäftstüchtigkeit zu diesem schillernden Psychogramm der Symptomträger.

Alle wollten ihn, den "Hofmann-Strang" - ob als Zäpfchen oder Brausetablette. So ging es auch dem heute 46jährigen Günther S. "Ich war ja so naiv", berichtet der gelernte Konditorgeselle. "Schaden kann's ja nicht, dachte ich. Am nächsten Morgen wachte ich auf und war ein Immobilienhai. Auf dem Weg zu meiner gewohnten Arbeit handelte ich mir gleich drei Anzeigen wegen Körperverletzung, Nötigung und Mietwucher ein. Aber das war erst der Anfang. Am Ende bekam ich zehn Jahre, weil ich versucht hatte, in ,Gerds Vierjahreszeiten' Schutzgeld zu erpressen. Gott hab' ihn selig. Zum Glück war ich während der Tat volltrunken."

Überflüssig anzumerken, daß S. nicht der einzige blieb. Die Hausfrau Dörthe K. wollte sich durch das Gen nur ein Taschengeld verdienen. Heute ist ihr Mann der Gärtner. Doch die helle Freude am Mammon wirft auch ihre Schatten auf die Kehrseite der Medaille. "In der Werbung sieht immer alles so einfach aus. Aber wer denkt schon an die Folgen: Depressionen, Maulwürfe im Green. Früher habe ich mir öfter mal ein Rubbellos gekauft, doch da ist der Kitzel völlig futsch", ihr Mund bekommt einen verhärmten Zug, "und den ganzen Tag Papiergeld verbrennen kann ich auch nicht." Auf der Terrasse fegt ihr Mann die Asche vom Vortag zusammen.

Bedauerliche Einzelfälle? Nein, warnt Friedemann Zott, Gründer der Selbsthilfegruppe Hofmann. "Nach einem Selbstversuch gründete Hofmann einen Großvertrieb und brachte das Gen sofort in den Handel, noch bevor seine Funktionsweise auch nur ansatzweise erforscht war." Die langfristigen globalen Folgen des chromoneysome, so der als Kassandra verschriene Zott, seien abzuwarten.

Reich werden also auch mit dem kleinen Geldbeutel? "Vom schnellen Infusionsquickie auf dem Disco-Parkplatz ist abzuraten. Vielen, die danach Alkohol trinken und/ oder tanzen, platzt der Kopf. In der Szene wird dies makaber bis ironisch headbang genannt", erklärt Max Planck VI vom Max-Planck- Institut. "In Stichproben aus ganz Deutschland haben wir von Genitalschrumpfung über Waschzwang bis hin zu einer Vorliebe für Britpop alle möglichen Genaberrationen gefunden."

Vorsicht ist also geboten. Längst ist die Zentrifuge zum Roulettetisch, das Reagenzglas zum Würfelbecher geworden. Und gerade in der Genforschung ist Optimismus ja ein hypothetisches Vabanquespiel. Lassen wir uns also auch in Zukunft überraschen.

Daniel Hermsdorf und Benjamin Heßler
Montage: augenfall

taz Nr. 5640 vom 21.9.1998 Seite 20 Die Wahrheit 124 Zeilen TAZ-Bericht D.Hermsdorf / B.Heßler © Contrapress media GmbH Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags