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Urlaubszeit - Zeit für Schnaps, Schüsse und unpolitische Polaroids. 160 Jahre nach Erfindung der Technik feiert die Fotografie unverändert Urständ. Doch gerade auf diesem Gebiet schlagen die Unsitten des Okzidents voll durch - Traditionslosigkeit, Niedergang des Handwerks, Umweltmuffelei, mangelndes Fingerspitzengefühl, Bilderflut. Muss nicht gerade im sprichwörtlichen Jahr der Expo 2000 Deutschland um seinen lädierten Ruf fürchten? Urlauber, die stillen Stars unter den Botschaftern, können durch unauffällige Eleganz ihren Beitrag zur Ehrenrettung einer Kulturnation leisten - vorausgesetzt, sie beachten im Umgang mit Informationstechnologien ein paar einfache Grundregeln.
Bildkomposition. Das A und O des guten Fotos - abgesehen von den im folgenden beschriebenen Faktoren. Unser Beispiel zeigt, wie man es nicht machen sollte: Zu komplexe und aufwendige Inszenierungen zerstören den Charme einer Aufnahme völlig. Filterzigaretten können leicht gestellt wirken; die Vorbereitungszeit kostet wertvolle Stunden der Erholung in der schönsten Zeit des Jahres. Ein leerer Aschenbecher in malerischer Umgebung (Toskana, Nordspanien) tut es ebenso. Nichtraucher müssen erst gar nicht ihre Wohnung verlassen.
Tip: Informieren Sie sich rechtzeitig über den Goldenen Schnitt und Gesundheitsgefahren, die vom Rauchen ausgehen. Ein gründliches Hochschulstudium kann verhindern helfen, dass Sie Bilder ¸noch einmal‘ machen.
Unschärfe. Ein häufiges Problem auch in Zeiten des Autofokus. Selbst wenn ein ganzes Dutzend Erholungswilliger mit eimerweise Kodacolor und >Teleobjektiven in Kolonne gen Süden zieht - ohne scharfe Mädchen sind Alkoholismus und soziale Zerrüttungen innerhalb der Gruppe vorprogrammiert. An Ort und Stelle angeworbene Modelle erweisen sich oft als kostspielig; vorprogrammiert in diesem Fall sind seelische Probleme durch Fernbeziehungen, Mischehen etc.
Tip: Das Geld für die Kamera lieber im Vorfeld der Reise in ausgedehnte Zechtouren in der näheren Umgebung investieren. So lernen Sie neue Freunde kennen, mit denen Sie auch nach Zerrüttung Ihres angestammten Freundeskreises im Urlaub und Ihrer verfrühten Rückkehr unbeschwert bechern können. Wenn Sie dann nach Hause kommen, sind Sie viel zu ¸müde‘, um noch Dias anzusehen.
Motivwahl. Grundsätzlich sind Sie beim Fotografieren abhängig von Ihrer Umgebung. Seien Sie also nicht enttäuscht, wenn Ihnen auf Pauschalreisen in südliche Gefilde keine Eisbären vor die Linse tapern.
Tip: Führen Sie Haustiere oder seelisch von Ihnen abhängige Menschen in ausreichender Zahl bei sich, mit denen Sie historischen Bauwerken oder austauschbaren Landschaften eine persönliche Note verleihen können. Schrecken Sie auch vor Gewaltanwendung nicht zurück - so jung werden Sie und Ihr Motiv einander nie wieder begegnen!
Auslöser. Anlass für Ihr Foto kann Unterschiedlichstes sein. Am besten, Sie warten auf den richtigen Moment und drücken ab. Zu diesem Zeitpunkt kann es allerdings schon zu spät sein - das Berufsrisiko jedes (Hobby-)Fotografen.
Tip: Wenden Sie sich dem Ungewöhnlichen und Abseitigen zu - nicht das seltene Attentat oder den jahrhundertelang gejagten Bergmenschen auf Zelluloid zu bannen, sind Sie angetreten. Ein spontanes Foto kann Ihnen u.U. später helfen, den Vater Ihres Kindes festzustellen.
Blitz. Schnell ein Reizthema. Sorgt bei unsachgemäßer Anwendung für rote, bei unbedachter Erwähnung im antifaschistischen Ausland für blaue Augen.
Tip: Je nach Gemengelage ist es empfehlenswert, bis Tagesanbruch zu warten und dann vor die Tür zu gehen. Führen Sie außerdem immer ausreichende Beweismittel bei sich, dass Ihr Vater im Widerstand war. Faustformel für das Fotografieren von Blitzen: Schätzen Sie pimaldaumen ab, wie weit das Gewitter entfernt ist. Ist es beispielsweise fünf Kilometer weit weg, halten Sie sich fünf Sekunden vor dem Donner bereit.
Stativ. Gewollt verwackelte Aufnahmen wirken schnell leblos, überinszeniert, prätentiös. Ein Stativ kann in diesen Fällen Abhilfe schaffen und stellt epische Ungerührtheit in jeder Lage sicher. Einbußen an Spontaneität sind wettzumachen, indem man die Kamera ganztägig auf dem Stativ belässt und selbiges immer ausgeklappt vor sich her trägt. In Reisegruppen erwerben Sie sich auf diese Weise zudem schnell einen ¸Ruf‘.
Tip: Achten Sie beim Stativ-Kauf auf Ihre persönlichen Bedürfnisse. Haben Sie vor, Unterwasseraufnahmen zu machen, empfiehlt sich ein rostfreies Gestell; der versierte Bergsteiger schwört auf das Modell mit Saugnäpfen und >Selbstauslöser für Lawinen.
Safari. Gehört in Künstlerkreisen (Hemingway!) nach wie vor zum guten Ton. Ganz egal, ob Sie die Jäger oder Gejagte (Rushdie!) fotografieren wollen: Tarnfarbe heißt die Losung. À propos Losung: Waidmannskniffe und -tricks verkürzen die Lauerzeit, und der selbstsichere Umgang mit Waidmannssprech und Waidmannsknigge lässt Sie beim Après Chasse die Häschen reihenweise umlegen. Wenn Sie gelegentlich in ihrem Versteck ”blönzen wie ein Stapel Rehe”, kann nichts schiefgehen.
Tip: Vermeiden Sie am Vortag Ihrer Pirsch den unmäßigen Genuss von stärkehaltigen Nahrungsmitteln. Lautstarke Darmwinde haben selbst elder huntsmen schon manchen Blattschuss verreißen lassen.
Lächeln. Viele berühmte Fotografen stimmen ihre Mimik ganz individuell auf das Motiv ab, schauen ”freundlich” bei erbaulichen Landschaftsaufnahmen, ”ernst” bei Kranzniederlegungen, ”verängstigt” an Kriegsschauplätzen. Amateure beschränken sich darauf, das unbenutzte Auge zu schließen, indem sie die gesamte Gesichtshälfte krampfartig in Plisséefalten legen.
Tip: Ermüdende Diskussionen mit grummelgesichtigen Familienangehörigen im Teenageralter erspart Ihnen ein großzügiger Fingerhut Löwensenf in der morgendlichen Zahnpasta oder - bei Bedarf - ein väterlicher Klaps.
Teleobjektiv. Unentbehrlicher Begleiter für Schmuddelhomepagebetreiber ist und bleibt die ”lange Praline, die die Welt beleuchtet”. Selbst aus ungünstigen Positionen holen Sie sich die nackten Tatsachen mit einer beiläufigen Drehung aus dem Handgelenk ganz nah ran. In Verbindung mit einem >Stativ unschlagbar.
Tip: Wenn Ihnen der Ehepartner beim candlelight dinner in der Trattoria mal wieder vorwirft, Sie seien ”so weit weg”, versuchen Sie gar nicht erst, Ihre Beziehungsprobleme ordentlich auszuleuchten. Schrauben Sie einfach das Dreihunderter auf die Kamera und überreichen Sie sie ihm/ihr gewohnt wortlos.
Selbstauslöser. Wenn Ihnen der Sinn nach einem Selbsterfahrungstrip in der Sahara steht und Sie trotzdem nicht auf die GEO-Tantiemen verzichten wollen - bitte. Einfach auf den Knopf drücken und weit, weit hinaus laufen, bis Sie die eigene Kamera nicht mehr sehen. Mit etwas Glück gefallen die menschenleeren Dünen auch dem Redakteur, der den nächsten Jahreskalender zusammenstellt.
Tip: Wenn Sie privat unterwegs sind, sollten Sie ausreichende Wasserreserven bei sich führen. Die Weltöffentlichkeit schert sich allerhöchstens um auf einer Foto->Safari verdurstete GEO-Reporter.

Daniel Hermsdorf / Benjamin Heßler