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Informationstheorie
… ist seit dem Aufkommen elektronischer Datenverarbeitung ein Zweig der Theoriebildung, die in neueren Medienwissenschaften von der
mathematisch-statistischen Disziplin auf die Philologie übergesprungen ist. Es bleiben jedoch hartnäckige Zweifel, inwiefern etwa
eine mathematische Formalisierbarkeit auf kulturelle bzw. künstlerische Phänomene übertragbar sein kann und soll.
Doch auch, wo sie nicht so genannt wurde, betrieben Geisteswissenschaften seit jeher Informationstheorie:
Jede Hermeneutik und jede Ikonografie bzw. Ikonologie muss sich der Codierungen ihrer Gegenstände versichern, um überhaupt von ihnen
sprechen zu können. Hier öffnet sich jedoch ein weites Feld, das sich z. T. der Objektivierung widersetzt: Was von dem einen ‚verstanden‘
wird, wird von dem anderen ‚missverstanden‘. Und ist eine Form des ‚Missverständnisses‘ ausreichend weit verbreitet, hat sie sich als
Konvention etabliert und generiert die allgemein anerkannte ‚Bedeutung‘ von etwas.
Auch und gerade außerhalb der schönen Künste sind in dieser Hinsicht viele Deutungskämpfe zu
beobachten. Von der Übersetzung toter Sprachen zum Kunstmarkt, von der Debatte über Mindestlöhne bis zur Verschwörungstheorie –
überall versuchen Individuen und Gruppierungen, ihre ‚Sicht der Dinge‘ durchzusetzen, indem sie ihre Deutungsmuster im Denken anderer
etablieren.
Hierbei kommt eine Fülle von Faktoren und Mechanismen ins Spiel, die die Ansprechbarkeit von Diskursteilnehmern,
die Konventionen ihres Kommunikationsmodus und die praktischen Konsequenzen aus ideellen Prozessen betreffen. Ihre Grundlage sind auf
der informationellen Ebene Definitionen und Definierbarkeiten von Informationseinheiten, die zwischen der individuellen Aneignung, der
kollektiven Weitergabe und Konventionalisierung eingespannt sind.
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