Bild = Tod x Strom²

17.03.2007

Zur Wortgeschichte der "Batterie" gehören im Französischen das Geschütz und die militärische Stellung. Ohne direkte Waffenanwendung, aber nicht minder und eher nachhaltiger zerstörerisch sind die Namensvettern des Kriegsgeräts. So heißt es in einer frei im Netz erhältlichen Informationsbroschüre des Umweltbundesamts, "Batterien und Akkus - Das wollten Sie wissen!" (2006):

"Wer glaubt, die 'paar Batterien und Akkus' könnten doch eigentlich nicht allzu viel Unheil anrichten, der irrt gewaltig. In Deutschland wurden im Jahr 2004 weit über eine Milliarde Gerätebatterien verkauft (siehe Tabelle 1). Diese enthielten ca. 4.700 t Zink, 1.500 t Nickel, 700 t Cadmium, 7 t Silber und 3 t Quecksilber. Obwohl nach Gesetz alle unbrauchbaren Akkus und Batterien wieder eingesammelt werden müssen, wird pro Jahr nur etwa ein Drittel der verkauften Menge wieder zurückgegeben. Große Mengen an Schadstoffen gelangen demzufolge weiterhin unkontrolliert in die Umwelt über den Hausmüll und andere ungeklärte Entsorgungswege!
Nicht nur die Schwermetalle tragen zu der schlechten Umweltbilanz von Batterien und Akkus bei. Auch deren Energie-Bilanz ist vernichtend: Primärbatterien verbrauchen zu ihrer Herstellung ca. 40 - 500 mal mehr Energie, als sie bei der Nutzung dann später zur Verfügung stellen. Kein Wunder, dass es sich damit um die teuerste Energieform überhaupt handelt!"

In einer Digitalkamera, mit der ich bisher ca. 30-40 Fotos aufnahm, sind, wenn ich es richtig sehe, in dieser Zeit sechs "Baby-Zellen" verbraucht worden. Das liegt bekanntlich nicht daran, dass jemand - wie bei traditionellen Fotokameras - durch den Sucher blickt, sondern dass ein Display die Welt auch dann in ein Bild verwandelt, wenn sie vom Benutzer gar nicht aufgenommen wird. Bevor sich eine Kultur darüber klar wird, ob sie für ein paar Millionen vorübergehend leuchtende Pixels noch ein paar Tonnen mehr Schwermetalle in die Umwelt verklappt - die zwei Drittel der 'mündigen Verbraucher' in den Hausmüll geben -, lässt sie die Hersteller der entsprechenden Geräte lieber einfach erstmal 'machen'.

Digitalkamera - Spiegel

Energiebilanzen beschäftigen Umweltpolitiker stetig - zuletzt bei dem geplanten Verbot von Glühbirnen. In denselben Tagen, wo dies mit guten Chancen zur Realisierung diskutiert wird, sind die Technik-Rubriken gefüllt mit den Berichten zur schönen neuen Fernsehwelt. Eine Info des Stromversorgers RWE klärt auf:

"Zwar ist die neueste Generation der Plasmafernseher nicht mehr ganz so energiehungrig wie die Geräte der ersten Stunde, aber auch diese Bildschirme verbrauchen immer noch mehr Strom als LCD-Monitore. Allerdings unterscheiden sich hochwertige Plasmabildschirme hier stark von billigen Modellen. Tipp: Ein Gerät mit 106-Zentimeter-Bildschirm sollte nicht mehr als 280 Watt verbrauchen. (Billiggeräte schlucken bis zu 400 Watt pro Stunde.) Zum Vergleich: Röhren- oder LCD-Fernseher dieser Größe verbrauchen etwa 150 Watt."

Mit anderen Worten: Das, was auf der einen Seite in mühsamen Diskussionen und Jahre nach der möglichen Umstellung an Energieeinsparung durchgesetzt wird, pflügen neue technische Erfindungen an anderer Stelle gleich wieder unter - ohne dass zuvor eine Möglichkeit zur Intervention bestünde. Die einzige ist die der Verbraucher. Aber diese werden - statt von Bröschüren des Umweltbundesamtes - in weitaus größerer Zahl von Sendungen wie "ARD Ratgeber Technik" erreicht, in denen quietschfidele Moderatoren - wie heute zur CeBit - von den neuesten Hardware-Entwicklungen künden, die bald schon halbverbraucht auf die Deponien mit Elektromüll wandern. Dass es sich für 99% der Verbraucher ohne Internet-fähige Mobiltelefone zuvor ganz gut leben ließ, wird in solchen Sendungen zum mit einem gespielten Seufzer gesprochenen Nebensatz, obwohl es fast die einzige Erkenntnis ist, die es hier zu gewinnen gibt. Dass Menschen Kinder bleiben, ist prinzipiell nichts Unerfreuliches - nur dann, wenn ihre Spielzeuge gefährlich sind und die Mehrheit ihrer Benutzer sich einredet und einreden lässt, es sei ihr gutes Recht oder gar irgendwie 'natürlich', sie zu benutzen.

Das gefühlte Nutzungs- und Verbrauchsrecht greift gern auch auf Lebewesen über, wie es im Zusammenhang mit dem Disney-Trickfilm "Finding Nemo" (Findet Nemo, USA 2003, R: Andrew Stanton / Lee Unkrich) hier und da thematisert wurde.

"Aber es bleibt nicht bei Symbolen - echte Clownfische müssen her. Die leibhaftigen Wasserviecher sind zu den Wunschhaustieren der Saison geworden. In den USA melden Händler einen Anstieg der Nachfrage um 20 Prozent. Hierzulande verloste die 'Bild' 100 Aquarien. Mehr als 8000 Kinder, berichtet das Blatt, haben sich gemeldet, wollten das komplette Set 'mit zwei der süßen Clownfische für zu Hause haben'. (www.stern.de)

Die Zeit führte ein Interview mit Jürgen Lange, Direktor des Berliner Zoos:

"Angeblich sind Clownfische momentan weltweit ausverkauft.
Aus einem Film kann durchaus eine Bedrohung für die Individuen in der Natur werden. Die Aufzucht der Clownfische ist leider so aufwendig, dass es billiger ist, wenn man sie fängt. Und das geschieht nicht mit dem kleinen Kescher. Wenn man hier einen Fisch kauft, kann es sein, dass nur für ihn ein ganzes Riff geplündert wurde und tausend andere Tiere sterben mussten. Wenn Kinder aus dem Kino kommen und unbedingt ein Aquarium haben wollen, sollte man vielleicht mit einem Süßwasseraquarium und ein paar Guppys anfangen. Ein Anemonenfisch ist in der Realität auch nur ein paar Zentimeter groß – und nicht leinwandfüllend."

Auch wenn der Clownfisch nicht ausgestorben ist und z.T. durch Züchtung zur Ware werden kann - die Situation von Meereszierfischen ist aufgrund der ästhetischen Faszinationskraft der Aquariumstiere am Limit des Überlebens. Naturschönheit wird durch menschliche Kultivierung in Vernichtung und Tod verwandelt:

"20 bis 24 Millionen, so eine Erhebung des UNEP World Conservation Monitoring Center im britischen Cambridge, werden weltweit jährlich aus den Ozeanen geholt und gelangen in den Handel. Ein Riesengeschäft: Allein in den Vereinigten Staaten werden etwa 200 Millionen Dollar damit umgesetzt, in Europa 16 Millionen Euro. Die Folgen für das Ökosystem sind verheerend." (www.stern.de)

Da macht es mehr Spaß, über die schönen Dinge des Lebens zu berichten. Komischerweise finden sich in den Bilanzen des Ökosystems in den letzten Jahrzehnten meist stark defizitäre Tendenzen, während die vorherrschenden Industrien, so auch die der Bilder, mit Rekordmeldungen für Stimmung sorgen. Im selben "stern"-Artikel über "Finding Nemo":

"Das Disney-Movie, hergestellt vom amerikanischen Trickstudio Pixar, bricht alle Rekorde. Bereits jetzt ist es der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten. In den USA hat das Unterwasserspektakel 340 Millionen Dollar eingespielt, im Rest der Welt 283 Millionen. Die Walt Disney Company kann - Nemo sei Dank - ihren Gewinn im vierten Quartal 2003 im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln." (www.stern.de)

Es wird für die nächsten Jahre die Frage sein, ob den Herren Stanton, Unkrich & Co. mehr Gehör geschenkt wird als etwa den Informationen, die "Greenpeace" denjenigen versucht zu vermitteln, die die Konsequenzen unseres gegenwärtigen Tuns zu tragen haben. Vor ihrer historischen Sicht werden gut bezahlte Manager unserer Tage einmal moralisch zu bestehen haben - und nach allem, was wir heute wissen, schlechter wegkommen als irgendeine andere Personengruppe in der Geschichte. So heißt es zum Lebensraum, den der Disney-Film in knatschbunten Farben digitaler Animation ausmalt:

"Wissenschafter warnen davor, dass Korallenriffe in den nächsten 40 Jahren völlig aussterben könnten. Das hat unterschiedliche Gründe - auch natürliche Ursachen können die Riffe schädigen - aber in den meisten Fällen sind die Menschen verantwortlich. Klimawandel, Meeresverschmutzung, Überfischung und brutale Fischereimethoden zerreißen das Lebensnetz in diesen empfindlichen Ökosystemen." (http://www.greenpeace4kids.de)

All das sind Argumente, die zeigen, wie durch Nebeneffekte bildlicher Repräsentation und Faszinationsstategien sowie ihrer technischen Apparate das, was gezeigt wird, in seiner Realität in Frage gestellt ist - bis zum Tod. Die entsprechenden Informationen existieren in unserer Öffentlichkeit, sind aber eher Randphänomene, die von Besorgten und Interessierten wahrgenommen werden. Der Regelfall sind die Panzer der Konsumindustrien, die, von wenigen gesteuert und von vielen akzeptiert und finanziert, vieles plattwalzen - erst zum platten Bild, dann zur Leiche ihres Verbrauchs.

Hoffentlich findet sich einmal ein Übersetzer (und einer, der ihn bezahlt) für ein Buch wie "La mort dans l'oeil" (2004) von Stéphane Zagdanski. Auf S.46 finden sich Zeilen, die den gerade an realen Ereignissen unserer Gegenwart beschriebenen Zusammenhang abstrakt bündeln:

"En mettre plein la vue est la fatalité de l'Image. C'est la cause finale vers laquelle le cinéma engouffre la réalité comme dans un trou noir où tout ce qui n'est pas lui est appelé à périr."

("Die Sicht zu totalisieren ist die Fatalität des Bildes. Das ist der Endzweck, zu dem hin das Kino die Realität hinabschlingt wie in ein schwarzes Loch, in dem alles, was nicht dieses selbst ist, vernichtet wird.")


Daniel Hermsdorf

Alte und Neue Medien > Themen

  filmdenken.de-Index