Helft nicht #Böhmermann, helft Tilman Knechtel

So langsam reicht es mit der Willkür des Medien-Adels. Gerade treffen zwei Vorgänge aufeinander, an denen man dies besonders deutlich sieht: Auf allen Kanälen wird der Comedian Jan Böhmermann besprochen und unterstützt, weil er ein Schmähgedicht auf den türkischen Premier Recep Tayyip Erdoğan veröffentlicht hat. Großmannssucht in Ankara sollte hier kaum der Rede wert sein. Man weist sie freundlich auf Meinungsfreiheit hin, und gut ist. Selbst die heftigen Inhalte des Gedichts muss der türkische Staatsführer leider so hinnehmen, steht er doch einem Land vor, das bei Tierschützern einen zweifelhaften Ruf erworben hat. Also: besser erstmal für Ordnung sorgen, dann wieder zurückmelden.

Dass daraus eine Staatsaffäre gemacht wird, ist eine unbezahlbare Werbeaktion für Böhmermann. Dieser war (nicht nur mir) als offensichtliches Darling der hiesigen Medienindustrie schon aufgefallen. Auch, wenn man seine Programme meidet, hatte man innerhalb der letzten Jahre seinen Namen unweigerlich in der Berichterstattung gelernt. Böhmermann, Böhmermann, Böhmermann.

Deshalb ist Jan Böhmermann derzeit auch keineswegs hilfsbedürftig. Was vorher die Werbeabteilung des ZDFs besorgte, wird nun die Rechtsabteilung ohne erwartbare Schwierigkeiten für den Privatmann Böhmermann übernehmen. Aus geschäftlicher Hinsicht verständlich, dass die Werbeabteilung die Rechtsquerele weidlich nutzt, während Böhmermann vermutlich im Entspannungsbad liegt.

Ganz anders verhält es sich mit den neuesten Rechtsstreitigkeiten, denen Tilman Knechtel von “Trau keinem Promi” und “Bürgerberg” sich ausgesetzt sieht. Schon einmal hatte die ehemalige RTL-“Supernanny” Katharina Saalfrank ihn wegen der Bezeichnung als “Psychopathin” angezeigt und zu einer Zahlung von 4.000 Euro gezwungen. Tilman kartete nach, und nun steht ein Prozess um weitere 4.000 Euro an, wie er in diesem Video berichtet.

Ich würde in Tilmans Videos hier und da auch zu einer anderen Wortwahl raten. Man kann den Punkt treffen, ohne solche juristisch heiklen Begriffe zu verwenden.

Es ist allerdings so, dass Tilman sich in aufwändiger Arbeit als nahezu Einziger um Kulturphänomene kümmert, deren Folgen uns durchaus noch schwer zu schaffen machen werden. Er watet durch den Sumpf der Popkultur, nicht zuletzt der Rap-Musik. Auch reale kriminelle Szenen umgeben teils jene Typen, die hierzulande über große Plattenfirmen in die Kinderzimmer gebombt werden. Ihre Sprache ist roh, ihre Inhalte kaum etwas anderes als Gewalt, Autos, Koks und Nutten. – Die Medien-Mafia spielt das Spiel brav mit; Öffentlich-Rechtliche sicherlich weniger. Ihrer Aufklärungspflicht aber kommen sie mitnichten nach. Sie müssten hierzu eine laufende kritische Berichterstattung liefern. Auch Unterlassung ist Pflichtverletzung – feige, träge, einfallslos, unverantwortlich.

Tilman Knechtel leistet all dies – mit persönlichem Risiko, mit den begrenzten finanziellen Vergütungen, die eine Arbeit als freier Autor und Verleger mit sich bringt. In erster Linie ist es viel Arbeit.

Ich muss mich auch fragen, wo in solchen Fällen neue Akteure wie die “Alternative für Deutschland” (AfD) und etwa ihre “Junge Alternative” bleiben. Mag schon sein, dass man sich aufgrund mancher verbaler Spitzen Tilmans zurückhalten würde, weil man dafür nicht in Haftung genommen werden will. Für andere Skandale ist man sich aber offensichtlich nicht zu schade, oder? – Und wie steht man denn nun z. B. zur kommerziell-sensationalistischen Ausbeutung sozialen Elends vor laufender Kamera? Zeigt man hier einmal Wachsamkeit und Engagement?

Man sieht demgegenüber am Fall Böhmermann, wie die Etablierten vorgehen: Ein (auch nicht immer sooo frisches) Produkt etablieren und dann im pseudo-pluralistischen Netzwerk mit aller Macht breittreten, bis es jeden erreicht hat – der es möglicherweise auch noch gut zu finden beginnt, weil er den Eindruck gewinnt, dass es nichts anderes gibt.

Ebenso wie die christlichen Kirchen scheint es auch die AfD in keinster Weise für notwendig zu befinden, nach Vertretern einiger ihrer elementaren Aussagen und Werte Ausschau zu halten und diese wenigstens einmal anzusprechen. In Tilmans Fall ist es eben der einzige Publizist, der kontinuierlich aufzeigt, wie ein verkommenes und brutales Milieu die Denkweisen und Erlebniswelten von Millionen von Jugendlichen infiltriert. Die AfD fordert in Wahlprogrammen einen “Mut zur deutschen Leitkultur”. Wer und was aber bitte sind denn diese Leitkultur? Glaubt man allen Ernstes, in einer Welt der riesigen Werbe-Etats internationaler Medienkonzerne und der Anti-Deutschen wie Jan Böhmermann im Sold des deutschen Gebührenzahlers ohne Organisation und Unterstützung von Kulturkritik irgendetwas erreichen zu können?

Sollte also Alexander Gauland etwas Realitätssinn besitzen, lässt er beim nächsten Rotary-Treffen einen Hut für Tilman Knechtel herumgehen. Es würde bedeuten, mit den eigenen Ansprüchen endlich ernst zu machen. Sonst verstummen noch die letzten aufrichtigen Stimmen. Und Achtung: Bis dahin ist es nicht mehr weit. Danach kommt endgültig die Wüste.

Die AfD müsste aus Publizisten wie Tilman Knechtel (oder auch meiner Wenigkeit) ohne den Zwang zu einer Parteimitgliedschaft eigene Netzwerke in Frontstellung zu jenen bilden, die seit 70 Jahren von jenseits des Atlantiks die Kulturhoheit Hollywoods, von EMI Electrola & Co. zementieren.

Aber müssen wir auch das noch erklären? Sollen wir zu öffentlichen Veranstaltungen kommen, die ich auf AfD-Websites nirgendwo finde? Lesen und sehen Sie doch bitte erstmal, was von uns bereits gesagt wurde. Und helfen Sie, dass dies Verbreitung und Unterstützung findet. Merke: Wenn man nichts verändert, ändert sich auch nichts.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

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