Aktie Gelb - "Die Simpsons"
03.05.2005

In
der Ausgabe der New York Times, die der SZ beiliegt, findet
sich am 2. Mai 2005 auf S.15 ein Artikel über Matt
Groening und seine TV-Trickserie The
Simpsons: "350 'Simpsons' Shows And Still Going Strong"
(Autor: David Carr).
Am Erfolg der Serie gibt's
nichts zu deuteln, und über mangelnden Einfallsreichtum der Macher
kann man wirklich nicht klagen. Die Serie hat zumindest ein eminentes
Geschichtsbewusstsein für jene Trivialkultur, deren Teil sie ist.
Davon soll hier auch nicht weiter die Rede sein.
Mir geht es um die Zusammenstellung der Abbildungen auf der Seite der
NYT: Links der Erfinder der Serie, rechts die Hauptfiguren. Letztere entsprechen
den grellen Farbgebungen, die man aus Comics seit Kindertagen gewöhnt
ist. Niemand würde heute dazu auf den ersten Blick etwas sagen; FAZ-Redakteure
schmücken sich mit Carl-Barks-Zitaten ebenso wie so mancher Uni-Dozent.
Dennoch: Der gelbe Gummihandschuh, in den Groening sein melancholisches
Gesicht stützt, könnte zu denken geben. Es ist eine kleine bildliche
Etüde darüber, dass mit der einheitlich grellgelben Farbe der
Simpsons-Körper der Naturalismus der Gegenstandsfarbe aufgegeben
ist. Das kann man in erster Linie ein Erbe des malerischen Expressionismus
nennen: Hier, am Anfang des 20. Jahrhunderts, begannen die Maler, den
Bildgegenständen Farben nach 'Gefühlswerten' zuzuordnen und
keinen realistischen Anspruch mehr dabei zu erheben.
Für den Comic ist das, wie gesagt, zur
Konvention geworden. Bedingung ist dabei aber sicherlich in erster Linie
eine produktionstechnische: Die Arbeitsverfahren der Koloristen von Comicheften
oder Trickfilmen, die zunächst auf Papier, dann auf transparenten
Plastikfolien gearbeitet haben, bis die digitale Tricktechnik Zeichnung
und Farbauftrag weitgehend obsolet gemacht hat, konnten so standardisiert
werden.
Und die Signalfarbe spricht in besonderer Weise Kinder an, deren Farbempfinden
noch nicht so ausdifferenziert ist.
Die Frage wäre natürlich, ob eine solche Ausdifferenzierung
von der irrealen Farbzuweisung gefördert oder gestört wird.
Es ergibt sich aus dieser Sicht eine eigenartige assoziationspsychologische
Situation: Kinder des 20. Jahrhunderts f. machen zunehmend Erfahrungen
mit Figuren, die sie als menschliche auffassen, die aber in geometrischer
Weise vereinfacht sind - schon Donald Duck hat eine Art klassizistische
Augenarchitektur, die an Fensterbögen erinnert - und auf eindeutig
reproduzierbare Farbnuancen reduziert sind.
Man kann mit den Simpsons seinen Spaß haben - aber man kann
sich auch fragen, welchen historischen Status die an unsichtbaren Pfaden
von Animationsprogrammen dahergleitenden, bonbonbunten, aber mit Menschenstimmen
sprechenden Charaktere einmal haben werden. Das können wir hier nicht
abschließend beurteilen. An den Realitäten kann dies zunächst
auch nichts ändern, wenn es darum ginge. Die Serie nach der Idee
von "ex-hippie" Groening ist Realität in Millionen Fernsehhaushalten
und Kinderzimmern: "more than $1 billion earned".
DH
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