ESM-Vertuschung im Bildungsblatt ZEIT

Es könnte der Anfang vom endgültigen Ende sein: Am letzten Dienstag hat das Bundes­verfas­sungs­gericht in Karlsruhe Klagen gegen den „Europä­ischen Sta­bi­li­täts­mecha­nis­mus“ (ESM) abgewiesen. In derzeit noch relativ geordneten Verhältnissen weckt das oberste Gericht den Anschein, als könnten mit bloßen sprachlichen und rechtlichen Vorgaben in Krisensituationen verbindliche Regelungen getroffen werden:

[…] die Bundesregierung müsse haushaltsrechtlich sichern, dass Deutschland innerhalb von sieben Tagen Geld für ESM-Ausgaben nachschießen kann. Denn verzögert sich die Zahlung zu lange, verliert Deutschland das Stimmrecht im ESM-Rat – das wäre verfassungswidrig.

Äh, ja. Nun gibt es außer unserem obersten Richter wenig Fachleute, die den Eindruck haben, dass, wenn sich in der Europäischen Gemeinschaft irgendetwas nicht so entwickelt wie ‚erwartet‘, dass, wenn irgendwer die ‚Regeln‘ nicht einhält (einschließlich Deutschlands) – dass dann irgendetwas passiert wie: Man erkennt das System als gescheitert, es werden ernsthafte rechtliche Konsequenzen gezogen. Die Europa-Politik der unter Kuratel der Internationalisten stehenden Bundesregierung ignoriert das, was für jedes Individuum überlebenswichtig ist: Erfahrungswerte. Wenn es Regeln gibt, die nicht zu übersehen sind, dann die: In Europa werden – mit Hilfe ethisch totalkorrupter Wall-Street-Banken – unter betrügerischen Bedingungen Verträge geschlossen. Vereinbarte Hilfsleistungen reichen nie aus, sondern müssen schrittweise und unter Druck drohender Eskalationen der Krise Hals über Kopf aufgestockt werden. Parlamentarier, die selbst oft kaum die Fakten kennen, …

… haben viel zu wenig Zeit, sich in Sachverhalte und Vertragsbedingungen einzuarbeiten. Die gezahlten Hilfen gehen auch nicht an die von Krise und Armut betroffene Bevölkerung, sondern mehrheitlich an die Bank-Kollegen derer, die schon konspirativ die Vereinbarung der betrügerischen Vertragsvereinbarungen gedeichselt haben. Aus den Folgen der Krise ziehen Finanz-Spekulanten mit ihren Instrumenten erneut immense Profite.

Das Verbrecherische dieser Verhältnisse ist so offensichtlich, dass ein an stabile Verhältnisse gewöhnter Wohlstandsbürger sie zwar am Rande wahrnimmt, aber dennoch – irgendwie – für so unglaublich hält, dass er … sie einfach doch nicht glaubt. Er verdrängt sie. Und wenn ihn jemand daran erinnert, seufzt er und versucht das Thema zu wechseln. Und wenn ihn jemand noch einmal daran erinnert, gilt der Erinnernde irgendwann als Querulant. Der allgemeine Diskurs stellt dann auch noch das Argument angeblich ‚rechtsgerichteter‘ Europafeindlichkeit bereit, um unausweichliche Fragen abzuwehren. Es kann doch nicht sein, was nicht sein darf: dass in dem schönen Gedanken eines friedlichen und geeinten Europa letztlich das ausbeuterische und perfide Interesse der Finanzmafia verborgen ist. Und die Finanzmafia freut sich, wie naiv das gutwillige Stimmvieh sich verhält.

Als ein besonders bestürzendes Beispiel dafür, wie über den ESM als Top-Thema der letzten Wochen nicht berichtet wurde, kann man die Gestaltung der Titelseite der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ (20.03.2014) ansehen, die mit der Überschrift “Der Preis der Liebe” aufmachte – “Welche Macht das Geld über Beziehungen hat”.

Als halte die Redaktion ihre Leser für vollverblödet, applizierte sie am letzten Donnerstag dazu im Titel-Foto auf den Nacken des jungen Mannes in der Lifestyle-Story ein Zeichen der Gemeinschaftswährung Euro.

Halten wir noch einmal fest: Am Dienstag einer solchen Woche bestimmte das oberste Gericht der Bundesrepublik, dass Klagen gegen den sog. Rettungsschirm ESM unberechtigt seien – obwohl deren Inhalt allen Erfahrungen entspricht: Die Verpflichtung Deutschlands für gesamteuropäische Schulden ist ruinös. (In Deutschland haben die privaten Gewinnler der Exportindustrie diese zukünftigen Schulden in den letzten Jahren als Gewinne verbucht – siehe meinen „Krisen-Abriss“.) Das, worauf sich das oberste Gericht beruft, ist in der Vergangenheit so gut wie nie eingetreten: die Einhaltung zuvor vereinbarter Bedingungen für Verträge auf Ebene der Europäischen Union im Hinblick auf finanzielle Solidität.

Diese Gerichtsentscheidung hätte also für die deutsche Presse in dieser Woche oberste Priorität gehabt. Die „Zeit“-Redaktion unter Leitung von Giovanni di Lorenzo hielt es jedoch für angebrachter, über die Bedeutung von Geld für die „Liebe“ von Privatmenschen in einer großen Titelgeschichte zu reflektieren. Dies ist vor einem solchen Hintergrund natürlich eindeutige Verdummung – und sie liegt auf der Linie der Internationalisten, die in dieser Zeitung seit Jahrzehnten an jenem ‚Bewusstsein‘ arbeiten, in dem sich wohlwollende Gesinnung der Völkerverständigung und finanzielle Selbstgefährdung offensichtlich bestens vertragen. Das diesbetreffende Setting, in der die „Zeit“ seit langem steigende Auflagen verzeichnet, besteht in der Einbettung ihrer Propaganda in ein Absprache-System mit supranationalen Kräften – augenscheinlich der „Bilderberger“, denen „Zeit“-Führungspersonal wie Josef Joffe oder Matthias Naß sich gerne zugesellen. Auf Seiten der Leser versammelt sich eine bildungsbürgerliche Klientel, die als Besserverdiener und Beamter immer noch in einem trügerischen Wohlstand lebt. Helmut Schmidt, „Zeit“-Herausgeber und symbolischer Großvater der Nation, war in den 1970ern der erste Finanzminister, der sich für die beginnende horrende Verschuldung des Staates nicht mehr schämte – nicht zurücktrat wie seine beiden Amtsvorgänger. Seitdem schnellte die Schuldenuhr konstant nach oben – bis auf heute 2 Billionen Euro, die keine deutsche Bevölkerung jemals mehr wird zurückzahlen können. Natürlich darf Schmidt, nachdem er über Jahrzehnte diese ruinöse Finanzpolitik mittrug, sich in seinem Blatt immer wieder an der „einmalig langen Friedensperiode Europas“ (07.05.2011) hochziehen. Von der Unausweichlichkeit des Zinseszinses und dem schon über eine lange Phase stets kurz bevorstehenden finanzpolitischen Totalkollaps – ob in Europa, erst recht den USA oder zunehmend auch China – liest man weniger.

Es passt vielleicht nicht in das Selbstbild Schmidts, der als einer der politisch Mitverantwortlichen für die allgemeine Schuldenwirtschaft in die Geschichtsbücher eingehen wird. Es ist natürlich auch nicht im Interesse der marodierenden Kapitalanleger, das schändliche Spiel beim Namen zu nennen. Es ist die seit Jahrhunderten von den Finanziers erprobte Strategie, politische Führer, seien es Feudalherren oder um Wählerstimmen bemühte Demokraten, in die Schuldenfalle zu treiben. Anschließend sind sie abhängig von ihren Gläubigern, die so ihre Lobby-Interessen durchsetzen können. Und Politiker gehen deshalb umso willfähriger auf Beratungen der Finanz-Lobby ein, die auf „Rettungsmaßnahmen“ hinauslaufen – Rettung für das schon vorher zum Gutteil ermogelte Kapital von Anlegern, die im globalen Finanz-Casino zocken. Helmut Schmidt mag sich auch hierzu allgemein kritisch äußern – die wirklich Verantwortlichen haben er und seine Wochenzeitung niemals nachhaltig und scharf benannt. (Nachzulesen ist eine konkrete Aufstellung von Darstellern dieses Verschwörungstheaters in meinem Themenheft „Finanzkrise“. Auch „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ist in dieses Personal einzusortieren.)

Festzuhalten ist an solchen Presse-Nichtreaktionen auf existenziell bedeutsame Ereignisse der finanzpolitischen und verfassungsrechtlichen Szene eine konsequente Desensibilisierung und Infantilisierung des Publikums. Den sachbezogenen „Zeit“-Artikel zum ESM kann man gerne überblättern, und er verschwindet schnell im Archiv. Was hier suggeriert wird, ist eine immer noch recht heile Welt, in der es um die Bearbeitung rein privater Probleme geht, auf dass vollkommene Glückseligkeit eintrete. Doch die Idylle ist auf einem gigantischen Hohlraum der Schulden und der gefälschten Geldwerte errichtet. Diese Lebenslüge des Systems wird allen, früher oder später, mit der Macht des Faktischen bewusst werden.

Daniel Hermsdorf

Verleger, Autor, Journalist bei filmdenken.de - Medienkritik, Verschwörungstheorie und Physiognomik

Eine Antwort

  1. Kapp sagt:

    Die ZEIT zündet neue Nebelkerzen!
    Zitat: Im Politik-Teil der ZEIT beginnt darum in dieser Ausgabe eine Serie über Verschwörungstheorien, sozusagen ein Best of des Konspirativen, sie werden vorgestellt und hinterfragt, widerlegen kann man sie ja nicht. Den Anfang macht ein Klassiker: Die USA haben die Anschläge vom 11. September selbst verübt.

    Und was gab es? So gut wie nichts! Platter ging es nicht mehr.
    Hätte ja mal lustig werden können, wenn die sich ein wenig Mühe im Rausreden gegeben hätten, die alte Bilderberger-Truppe…

    Also gerne mal hineinlesen, aber nicht jede deren Verschwörungsleugnung anprechen, zu viel Aufmerksamkeit wäre zu viel der Ehre für diese Schmonzette…

  2. unglaubliche Politik sagt:

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/03/23/schaeuble-kosten-fuer-ukraine-hilfen-sind-zweitrangig-2/comment-page-5/#comment-470777

    Und die Kosten für die Ukraine sind für Schäuble zweitrangig.
    Ich fasse es eigentlich nicht mehr, wie dumm die Masse der Menschen ist. Ein bißchen meckern und die gleichen Parteien wiederwählen, die uns diesen Mist eingebrockt haben.

    Dummheit wird bestraft! Dieses alte Sprichwort wird noch vielen Zeitgenossen um die Ohren fliegen.

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung