Vom nahen Entfernten und vom Darüberreden

Auch wenn die Debatte um den negativ pathetischen Denkmalentwurf "Habermas II" mittlerweile noch nicht abgeschlossen ist, stehen in dem nervösen Apparat gegenüber dem Sofa die Zeichen nur auf Krieg.

Der Natoschutzbund zeigt sein wahres Gesicht mit charakteristischer Tarnkappe. Außer diesem visagistischen Infotainment hört man hierzulande nur vom 2-Punkte Plan. Er ist geheim und soll drei noch geheimere Unterpunkte enthalten, die sich auf ein Michael-Jackson-Konzert im befriedeten Belgrad beziehen. Vermutungen zufolge lautet Punkt 1 "Bombs all over" und Punkt 2 "Michael save us all".

Das aufrufstarke Schlachtschiff Ms. Redgrave kreuzte diesmal für Unicef bei CNN auf und setzte die Segel zum alliierten "Blow Up!"-Ruf. "So don't you believe what I know is true?" Unbedingt, Miss Redgrave. Es ist alles klar. So beschreibt auch Sigmund "BR" Gottlieb das Unbeschreibliche: "Es war ein unbeschreibliches Gefühl, beschreibt es ein Albaner." Er ist ja auch in München gelandet.

Scharping hat mehr gesehen, darf es aber nicht sagen. Zum Befreiungsschlag setzt dann Eberhard Gienger an: Jetzt heißt es, "aus der Lethargie aufzuwachen, auf die Bank zu gehen und Geld zu spenden".

WILMA DE CASANOVA, DREIICH, 106 DM, MICHAEL JAESCHKE, BÖBLINGEN, 100 DM, SABINE BLAUERT, HANAU, 100 DM, PETER HANDKE, BITTE ZU HAUSE MELDEN, KARL REINER, ULM, 100 DM, HANS BLEIER, WALLAU, 100 DM

Außer Peter Handke, der beim Hamsterkauf in Belgrad Respekt vor den possierlichen Nagern zur Schau stellt und nach wie vor keine Journalisten füttert. Realist Franz-Josef Wagner ziselierte die morgige BZ-Schlagzeile mit nüchternem Magen: "Belgrad brutal - Handke als Hamster verkauft". Unseld kündigt revanchistisch in der FAZ für die Buchmesse den Bombenerfolg "L'écrivain de Sans-Catégories" an, ein schmales Bändchen, aus der Not heraus geboren und in serbischer Lautschrift brutal gedruckt. Etwaige Übersetzer will Handke, so wörtlich, "vor den internationalen Gedichtshof zerren". Das alles wäre lustig, wenn es nicht so ernst wäre. Aber wovon man nicht schweigen kann, darüber muß man schreiben.

Daniel Hermsdorf/ Benjamin Heßler

Montage: augenfall

taz Nr. 5808 vom 12.4.1999 Seite 20 Die Wahrheit 70 Zeilen TAZ-Bericht D.Hermsdorf / B.Heßler © Contrapress media GmbH Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags