
Good Zwerchfellas
Jahrzehntelang wurde das Theaterpublikum zum Opfer der
Hanns-Dieter-Hüsch-Bande. Ein fahnenflüchtiger Kleinkünstler lässt jetzt im
Kabarettmilieu die Zähne klappern
Nachts, wenn er nicht einschlafen kann, linst Bobby Kollarz schweißgebadet
durch die kugelsicheren Gardinen seines Unterschlupfs. Er hat Angst. Als
Kronzeuge wartet er in einem verlassenen Dorf in den Anden auf einen einmaligen
Prozess in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Noch eine Aussage unter Eid, dann
ein neues Gesicht und weg, weit weg. " ... weil die Schwarzkonten langsam
zu heiß wurden", wandert Kollarz die letzte Pointe seiner nun beendeten
Bühnenkarriere gebetsmühlenmäßig durch den Kopf. Nach dem letzten Vorhang bei
einer Vorausscheidung zum Deutschen Kabarettpreis floh er im Bundeswehr-Learjet
nach Peru. Aus Angst vor dem selbst ernannten "Schwarzen Schaf vom Niederrhein":
Hanns-Dieter Hüsch.
Jahrelang gab der Kabarett-Doyen Hüsch unbehelligt in voll besetzten
Off-Theatern, Buchhandlungen und Sportarenen seine legendären
Drei-Stunden-Performances. Genug Zeit für die Hüsch-Bande, um derweil Wohnungen
ahnungslos Applaudierender nach Rubin-Broschen und Louis-seize-Sperrgut zu
durchkämmen.
Hüsch war es, der sie alle auf die schiefe Bahn gebracht hat. Ob Richard
Rogler, Mathias Richling oder Jürgen Becker - niemand, der seine müde Gage nicht
durch Bruch und Hehlerei aufgebessert hätte. Der grau melierte Süddeutsche Bruno
Jonas gilt unter Panzerknackern gar als "das magische Auge". Unter seinem
Einfluss führten mesmerisierte Stammgäste die Einbrüche gleich selbst durch.
Hüsch saß wie eine Wühlmaus im Netz seines Schattenimperiums und strich die von
Lisa Fitz Scheinehemann in Kuba geldgewaschene Provision ein. So unscheinbar
agierte Hüsch, dass ihm sogar der Goldene Ring seiner Heimatstadt Moers für
vermeintliche Verdienste um die Kunst verliehen wurde.
Erste Hinweise auf die Machenschaften des Gangsterrings verdichteten sich
Ende 1998. Das prominente Mitglied Dieter Hallervorden geriet ins Gerede, als
sein mittlerweile dritter Bewährungshelfer in Folge bei einem Autounfall ums
Leben kam - am hellichten Tag, bei Tempo 30, vor der Gaststätte "Zur Wehme" im
malerischen Quickborn. Der Beamte raste unter Einfluss eines Cocktails aus
Schlafmitteln in einen Heuschober, der natürlich sofort explodierte. Als Titel
seines neuen Bühnenprogramms verklausulierte Hüsch daraufhin die Warnung an
brancheninterne Insider: "Sach ma nix".
Über Verbindungen dieses Vorfalls zu Konstantin Wecker kann freilich nur
spekuliert werden. Fest steht, dass Wecker mit 500 Kilogramm TNT an der Grenze
zu Aserbaidschan vorläufig festgenommen wurde. Und da Wecker nach dem
Organspende-Prozess nur auf Bewährung draußen ist, half dem berserkerhaften
Barden erst ein gesungenes Telegramm des gerissenen Außenministers Rudolf
Scharping (Bündnis 90) aus der Klemme. Wecker durfte sogar die Hälfte des
gefährlichen Sprengstoffs behalten und an Abnehmer in der Schlagerbranche weiter
verkaufen.
Der Absprung in die Legalität ist rechtzeitig wohl nur Harald Schmidt
gelungen - allerdings zu einem hohen Preis. Der Entertainer hat einen staksenden
Gang zurückbehalten, nachdem ihm 1987 ein Maskierter auf dem Parkplatz einer
Mehrzweckhalle mit einer Schraubzwinge die Kniescheiben zertrümmerte. Fahnder
stießen auf zwei weiße Barthaare - Hüsch.
Der gerade wegen seiner scheinbaren Sanftheit gefürchtete Consigliere Dieter
Hildebrandt, der "rechte Hund Hüschs", hüllt sich derweil in Ballonseide.
Scheibenwischer heißt eben nicht Durchblick, ließ Hildebrandt durchsickern. Seit
Aserbaidschan regelt Wecker von Hildebrandts Wohnung aus seine dunklen
Geschäfte, bewirtet enge Freunde und zeugt Nachkommen.
Wahn-Experte Werner Herzog über Freund Hüsch in seiner Doku "Mein lustigster
Feind": "Ich erwartete jeden Moment einen seiner Tobsuchtsanfälle. Wir drehten
einen Film darüber, wie Hanns-Dieter einen Sattelschlepper mit vierzig
gestohlenen Mercedes-Limousinen über eine unwegsame Passstraße im Hunsrück
bugsiert. Die Indianer am Ufer des Hunsrück wollten ihn dafür töten. Er ist ein
Arschloch, und ich liebe ihn."
Viel Lob also für Hüsch. Gegenspieler Kollarz hält sich derweil mit
Seilspringen fit und schreibt mit Blick auf eine lateinamerikanische Alm an
seinem ersten Buch. Der erste Satz: "Hier finde ich nur den Rasen komisch."
DANIEL HERMSDORF/ BENJAMIN HESSLER
Montage: augenfall
in taz-Bremen, -Hamburg, -Ffm: S. 20 taz Nr. 6157 vom 2.6.2000 Seite 28
Die Wahrheit 156 Zeilen TAZ-Bericht DANIEL HERMSDORF / BENJAMIN
HESSLER
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