Daniel Hermsdorf
Dr. phil. – Kultur- und Medienwissenschaftler


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Randomisierung

Wie die Informationstheorie als Disziplin eine Konsequenz aus elektronischer Datenverarbeitung ist, bewirkt die Digitalisierung von Medieninhalten eine Veränderung des Blicks auf kulturelle Schöpfungen. Die Menge zugänglicher Daten steigt an, der Zugriff auf diese wird erleichtert, Daten können (nahezu) identisch kopiert und in Datenbanken variabel geordnet werden.
     Die Ordnungskriterien solcher Datenbanken haben bisher ihre Grenze in der Automatisierbarkeit von Textverstehen, Klanganalyse und Bilderkennung. Eine wesentliche Differenz zu früheren Formen des Datenabrufs besteht in der Randomisierung: Mit Suchalgorithmen können große Datenmengen nach bestimmten definiten symbolischen Konfigurationen durchforstet werden; zeitlich oft aufwändigen Durchgängen von analogen Aufzeichnungen steht eine relativ simultane Adressierbarkeit von Orten in elektronischen Speichersystemen gegenüber.
     Eine notwendige Konsequenz aus diesen veränderten technisch-medialen Bedingungen wird ein nachhaltig veränderter Umgang mit und ein ebenso verändertes ‚Verständnis‘ von Symbolen und komplexen symbolischen Strukturen sein. Wahrnehmung und Interpretation werden sich tendenziell automatischer Datenverarbeitung annähern, wo dies möglich ist. Hierzu ist wiederum eine Informationstheorie erforderlich (die sich in der Anwendung implizit herausbildet), mit der segregierbare Informationseinheiten definiert werden können. Hierzu – und dies hat die neuere Medienwissenschaft in ihrer Hinwendung zum Maschinellen (nicht immer absichtlich und z. T. historisch zunächst unausweichlich) aus dem Blick verloren – bedarf es wiederum des gesamten Instrumentariums, das den Geisteswissenschaften, der Psychologie und Soziologie zur Verfügung steht, um Kriterien für solche Segregationen zu entwickeln: Was ist als ‚Bedeutung‘ oder ‚Verweisraum‘ nachweisbar und verallgemeinerbar? Was wird auf welche Weise von wem wahrgenommen und ‚verstanden‘? Was ist die soziale Situation, die an solchen Kommunikationen und Aneignungsprozessen ablesbar wird, welche Ideologien sind daran zu erkennen und welche politischen Konsequenzen können solche Erkenntnisse haben?

 

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